Abenteuer Liebe - Dritter Teil: Lug und Trug

  07.02.2018 Literatur

WAS BISHER GESCHAH:
Lydia pendelt zwischen ihrer Physiotherapiepraxis in Rheinfelden und dem Reiterhof ihrer Mutter Therese in Mumpf hin und her. Sie gibt dem deutschen Assistenzarzt Bernd Reitstunden und verliebt sich in ihn. Doch ihr Glück wird durch einen mysteriösen Mann gestört, der sich Rainer nennt und sich als Zwillingsbruder von Lydias verstorbenem Vater Gabriel ausgibt. Dieser sei bei einer Weltreise verschollen und später für tot erklärt worden. Rainer kauft Pferde, bringt neue Kunden und rettet so die «Fricktaler Ranch». Doch er beginnt sich auch immer mehr in das Leben von Lydia und Therese einzumischen. Dann erfährt der langjährige Familienfreund Stefan, dass Lydia schon ihr ganzes Leben lang angelogen worden sei.


Lydias Vater Gabriel soll gar nicht tot sein, das haben die LeserInnen entschieden. Die 26-Jährige beginnt sofort nach ihrem Vater zu suchen. Doch sie stösst auf Widerstand. Selbst ihre Mutter scheint offenbar kein Interesse daran zu haben, die Wahrheit aufzudecken. Als sie herausbekommt, dass auch ihr geliebter Bernd Geheimnisse hat, bricht für Lydia eine Welt zusammen.

Lydia kann nicht fassen, dass sie ihr Leben lang angelogen worden und ihr Vater gar nicht tot, sondern am Leben sein soll. In ihrer Not rast Lydia mit ihrem E-Bike vom Reiterhof nach Rheinfelden ins Spital, in die Notaufnahme zu Bernd, und schüttet ihm ihr Herz aus.
Der junge Arzt nimmt sie in den Arm: «Ich bin immer für dich da», verspricht Bernd.
«Ich muss die Wahrheit herausfinden», sagt Lydia schluchzend.

«Ich werde dir dabei helfen. Sobald meine Nachtschicht zu Ende ist, komme ich zu dir. Wir werden Licht ins Dunkel bringen. Jetzt solltest du aber versuchen, etwas zu schlafen.»

Lydia kann nicht schlafen. Sie sitzt bis in die frühen Morgenstunden am Computer und sucht nach Hinweisen, die bestätigen, dass ihr Vater Gabriel tatsächlich noch am Leben sei. Doch sie findet nichts. Schliesslich schläft sie ein.
Als es mehrmals an der Haustüre klingelt, schreckt Lydia hoch. Bernd steht mit frischen Gipfeli vor der Türe. «Na, eine gesunde Stärkung für den Tag?», Bernd lächelt sie strahlend an. «Gesund? Gipfeli?» «Ähm, es …», macht Bernd verlegen, «Vollkorngipfeli.» Lydia drückt ihm einen Kuss auf den Mund, danach frühstücken sie zusammen. Als Lydia sich zu ihrer Praxis aufmachen muss, verspricht Bernd, sich kurz hinzulegen und dann ihre Recherche weiterzuführen.

«Was? Bernd ist bei dir zu Hause?», fragt Jessica erstaunt, als Lydia ihrer Arbeitskollegin davon erzählt. «Ihr habt zusammen …» «Nein. Er kam heute früh von der Nachtschicht. Aber es fühlt sich gut an, zu wissen, dass er in meiner Wohnung ist.» «Ach, so verliebt möchte ich auch mal wieder sein!» Lydia kniet sich zu Jessicas Hund nieder, streichelt ihn und sagt: «Na, Miso, gibt es gar keine Spaziergänge mehr, auf denen dein Frauchen händchenhaltend dir hinterherspaziert?» «Halt jetzt bloss die Schnauze, Miso», sagt Jessica. Die beiden Frauen lachen. Dann kommt schon die erste Patientin. Da heute nicht allzu viel in der Praxis los ist, macht Lydia um 16 Uhr Feierabend und radelt in ihre kleine Altstadtwohnung.

Sie findet Bernd, wie er friedlich in ihrem Bett schlummert. Er hat sich an ihren Stoffhasen gekuschelt. Lydia findet das zwar süss, doch der Hase ist ihr etwas peinlich. Also nimmt sie ihn vorsichtig weg und legt sich zu Bernd. «Der Hase war aber so warm und kuschelig …», flüstert Bernd. «Was? Und ich …?» «Du bist kalt.» Bernd umschlingt Lydia, küsst sie und sagt: «Aber nicht mehr lange.»
Die gemeinsamen Stunden mit Bernd sind für Lydia in den nächsten Tagen die einzigen Momente, in denen sie etwas Leichtigkeit und Glück empfingen kann. Sie fühlt sich verstanden und geborgen bei ihm. Sie geniesst auch die Ausritte mit Bernd, vor allem an jenem Morgen, an dem sie beide frei haben und mit ihren Pferden durch die frisch verschneite Landschaft reiten können.
Wenn sie nicht mit Bernd zusammen ist, rotiert Lydias Gehirn auf Hochtouren. In jeder freien Minute recherchiert sie im Internet nach ihrem Vater oder redet mit alten Bekannten ihrer Mutter. Aber niemand scheint etwas zu wissen. Auch Familienfreund Stefan findet nicht mehr heraus.
In einem langen Gespräch im Stall erfährt Lydia von Stefan, dass er die Information, Lydias Vater sei noch am Leben, von einer alten Frau bekommen habe, die die Zwillingsbrüder Rainer und Gabriel gut gekannt habe. Die Eltern seien früh verstorben und so habe sich Maria oft um die beiden gekümmert. Allerdings seien sie vor über zwanzig Jahren einfach verschwunden. Rainer sei in China ein erfolgreicher Geschäftsmann geworden und habe wieder Kontakt zu ihr aufgenommen. Von Gabriel habe sie lange nichts gehört. Aber er lebe noch, als alter Hippie, irgendwo in Indien.
«Wie will sie das wissen? Gabriel wurde doch für tot erklärt.»
«Ja. Aber sie hat erst vor Kurzem einen Brief von ihm erhalten.» Stefan übergibt ihr ein gelbliches Couvert, worin ein Schreiben steckt, datiert vom 2. Dezember 2017.
Es ist ein kurzer Brief. Gabriel schreibt, er sei sehr krank. Und er sei dankbar, für die schöne Jugendzeit. Er wolle sich endlich mal bei ihr bedanken. Der Brief endet mit den Worten: «Wie geht es wohl Lydia und Therese?»
«Das klingt nach Abschied», sagt Lydia. «Ich muss zu ihm. Wo in Indien lebt er?»
«Das wissen wir nicht. Ich habe schon alles versucht. Tote schreiben in der Regel keine Briefe. Und der Brief ist mit keiner Absenderadresse versehen. Er wurde in Neu Dehli aufgegeben.»

«Ich muss trotzdem zu meinem Vater.»
«Lydia, da ist noch etwas, was ich dir sagen sollte ...»
«Ja?» Lydia schaut ihn mit grossen Augen an.
«Die alte Dame hat immer davon geredet, dass Rainer dein Vater sei, nicht Gabriel.»
«Waaas?» Lydia springt auf, geht nervös auf und ab und beginnt an ihren Fingernägeln zu kauen, eine Angewohnheit aus ihrer Jugend, die sie sich nur mühsam abgewöhnt hatte.
«Aber ich glaube nicht, dass das stimmt», versucht Stefan Lydia zu beruhigen. «Maria ist sehr alt, sie verwechselt so einiges … und ich bin auch schon ganz verwirrt. Rainer, Gabriel, Zwillinge, wer ist wer und warum sind beide verschwunden und was ist damals passiert …?»

Lydia lässt Stefan stehen und rennt hinüber zum Haus. Sie will ihre Mutter zur Rede stellen und platzt – ohne anzuklopfen - in die Stube. Dort findet sie Therese und Rainer am grossen Tisch, wo sie alte Fotos anschauen und Briefe lesen.
«Kann mir mal jemand erklären, was hier eigentlich gespielt wird?», fragt Lydia ganz ausser sich. «Lydia! Mein Kleines …» Therese steht auf und will ihre Tochter in den Arm nehmen. «Lass mich!», herrscht Lydia ihre Mutter an. «Alles Lug und Trug! Oder ist dir jetzt wieder eingefallen, mit wem du alles geschlafen hast?» «Lydia!» «Nicht? Muss eine wilde Zeit gewesen sein damals, was? Sind die 60er Jahre im Fricktal erst 30 Jahre später angekommen? Würde mich ja nicht wundern. Oder war die ‹Fricktaler Ranch› schon immer ein Ort für Freiheit und sexuelle Abenteuer?» Therese bricht weinend zusammen. Rainer fängt sie auf und schreit Lydia an: «Es reicht! Ich verbitte dir, so mit deiner Mutter zu reden.» «Wer bist du eigentlich wirklich?», sagt Lydia zu Rainer: «Du hast mir überhaupt nichts zu sagen. Tauchst einfach hier auf und bringst unser ganzes Leben durcheinander. Du hast dich all die Jahre nicht für uns interessiert, jetzt brauchst du auch nicht dein Maul so weit aufzureissen!» Lydia macht auf dem Absatz kehrt und verlässt das Haus.
In den kommenden Tagen konzentriert sich Lydia auf ihre Arbeit als Physiotherapeutin und geht nicht mehr auf die «Fricktaler Ranch». Selbst als Stefan anruft und um ihre Hilfe bittet, kanzelt sie ihn ab. Rainer oder Gabriel, oder wie auch immer dieser Kerl wirklich heisse, soll doch helfen, faucht sie nur.
Auch von Bernd zieht sie sich etwas zurück, obwohl er sich sehr um sie bemüht. Aber Lydia braucht Zeit für sich. Manchmal packt sie Jessicas Hund Miso und geht mit ihm am Rhein entlang spazieren. Vor allem dann, wenn Jessica einige Therapiestunden nicht in der Praxis, sondern im Spital absolviert.
Als sie von einem solchen Ausflug am frühen Nachmit tag zurückkommt, wird sie gleich von Jessica bestürmt.
«Ich war ja heute im Spital», ereifert sich Jessica. «Du glaubst nicht, was ich da mitbekommen habe. Ich habe Bernd gesehen. Und …»
«Sag bloss, du hast ihn mit einer Krankenschwester erwischt!»
«Nein, nein! Er kam gerade aus seinem Behandlungszimmer – mit Rainer.»
«Bist du sicher?»
«Ja. Ich habe noch mitbekommen, wie der Mann zu Bernd gesagt hat, er werde mit dir und deiner Mutter reden. Das muss Rainer gewesen sein. Er trug einen langen Mantel, einen Hut, Stiefel …»
«Ja, das war er …»
Lydia radelt ins Spital und will mit Bernd sprechen. Dieser hat nur ganz kurz Zeit.
«Ich kann dir nicht mehr sagen, Lydia!»
«Ach ja? Spielst du jetzt dieses miese Spiel mit?»

«Lydia, ich unterstehe dem Arztgeheimnis.»
«Natürlich. Da kann man seine Freundin ja einfach anlügen!»
Sie verlässt das Spital und radelt zum Reiterhof. Rainer kommt sofort auf sie zu: «Lydia, können wir endlich vernünftig zusammen reden?»
«Vernünftig? Dass ich nicht lache! Vielen Dank, dass du auch noch Bernd für deine Lügen einspannst.»
Lydia stapft in den Stall, sattelt Mystery of the Night und reitet davon. Sie hängt ihren Gedanken nach und vergisst die Zeit. Erst als es eindunkelt, merkt Lydia, dass es höchste Zeit zum Zurückreiten ist. Aber irgendwie hat sie die Orientierung verloren. «Verdammt, wo bin ich denn überhaupt?», murmelt sie. «Weisst du es, Mystery?» Der Hengst schnaubt nur und scharrt mit den Hufen. «Na, los, versuchen wir es da lang.» Sie gibt ihrem Pferd die Sporen und galoppiert über ein Feld. Doch plötzlich scheut Mystery, bleibt abrupt stehen und steigt auf die Hinterhand. Lydia verliert den Halt und knallt auf den Boden. Benommen liegt sie auf der Erde. «Lydia …», glaubt sie von weitem zu hören. «Lydia.» «Papa …», haucht sie schwach. Dann verliert sie das Bewusstsein.


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