Wenn der Service Public auf der Strecke bleibt

  21.04.2016 Aargau, Möhlin, Wirtschaft, Nordwestschweiz, Brennpunkt, Unteres Fricktal

Von Ronny Wittenwiler

«Die Post bringts.» So lautet ein eingängiger Slogan. Nur: dem Möhliner Landwirt Beat Gremper bringt sie’s eben nicht. Auf seinen Ziegelhof am Fuss des Sonnenbergs liefert die Post keine Post. Der Service Public reicht nicht bis zum Briefkasten.

 

«Nicht zustellpflichtig»

Mit seiner Familie bewohnt Gremper den Ziegelhof schon länger. Bis vor Kurzem aber liess er sich die Post an die Bahnhofstrasse 119 im Dorf liefern. Dabei handelt es sich um die «alte» Adresse, an der Grempers zuvor einen Bauernbetrieb führten. Beat Gremper erklärt: «Nach dem Kauf des Ziegelhofs ausserhalb des Dorfes standen zuerst Umbauarbeiten an. Auch die Zufahrtsstrasse war in einem katastrophalen Zustand. Ich wollte nicht, dass der Pöstler hierher fahren musste.» Mittlerweile sind die Umbauten passé, auch die Zufahrtsstrasse ist in tadellosem Zustand. Zeit also, die Post nun auf den Ziegelhof liefern zu lassen. Folglich gibt Gremper am 18. März bei der Poststelle in Möhlin die neue Zustelladresse in Auftrag und bezahlt dafür 52 Franken. «Ich würde die Post spätestens in fünf Tagen hierher geliefert bekommen, teilte man mir mit.» Schneller als die Post, die dann doch nicht gekommen ist, kam die aus seiner Sicht unangenehme Überraschung. Bereits am selben Abend nach dem Zustellauftrag der Anruf aus Liestal (Distributionsfiliale): Die Post werde ihn nicht beliefern.

Gegenüber der NFZ bestätigt die Schweizerische Post schriftlich, dass sie Gremper nicht via Hauszustellung beliefern wird: «Die Post kann den Wunsch natürlich verstehen, konnte diesem aber nicht nachkommen, da der Hof gemäss Art. 31 der Postverordnung nicht zustellpflichtig ist.» Besagter «Artikel 31» ist Teil der Postverordnung vom 29. August 2012, und er erläutert die Rechtsgrundlagen für die Hauszustellung. Darin steht unter anderem: Post sei auch in ganzjährige bewohnte Häuser zuzustellen, «für deren Bedienung die zusätzliche Wegzeit von einer ganzjährig bewohnten Siedlung aus gemessen insgesamt nicht mehr als zwei Minuten beträgt (je 1 Minute für den Hin- und Rückweg beziehungsweise 2 Minuten für den zusätzlichen Weg auf der Zustelltour)».

Und weiter: «Die zusätzliche Wegzeit von insgesamt 2 Minuten bezieht sich – wo diese möglich ist – auf die Zustellung mit motorisierten Fahrzeugen und entspricht zirka 1 Kilometer.»

Nochmals nachgefragt, welches oben genannte Kriterium aus Sicht der Post denn gegeben sei, den Ziegelhof nicht zu berücksichtigen mittels Hauszustellung, teilt die Medienstelle dann mit: «Der Hof liegt mehr als 500 Meter ausserhalb des Siedlungsgebiets.» Und – das wird zudem ebenso auf Nachfrage bestätigt – «die Distanz wurde gemessen und die Strecke mit dem Auto abgefahren.»

Rätselhaft allerdings bleibt, weshalb sich die Post in diesem Fall lediglich aufs relative Kriterium «Distanz» bezieht und nichts von der konkreten «Wegzeit» schreibt. Fakt ist nämlich auch: Vom letzten Haus der Siedlung am Strassenknoten Schützenstrasse/Schaufelackerstrasse bis auf den Vorplatz des Ziegelhofs beträgt die Wegzeit mit dem Auto nicht ganz eine Minute, nach deutlich weniger als einer Minute (nach rund 45 Sekunden) wird bereits die Hofzufahrt erreicht. Im ersten Mailverkehr schreibt die Post übrigens: «Die Post geht bei der Anwendung der Rechtsgrundlage Hauszustellung behutsam vor».


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