In der Welt zu Hause, in Kaisten verwurzelt

  23.07.2015 Kaisten, Persönlich, Oberes Fricktal, Porträt

Von Layla Hasler

Solche Besuche sind wieder häufiger geworden: Benny Müller verbringt mit seiner Frau, der eineinhalbjährigen Tochter und seinem Hund das Wochenende bei den Eltern in Kaisten. Noch vor einem Jahr wäre die Distanz für einen solchen Wochenendausflug zu weit gewesen. Damals lebte Müller mit seiner Familie noch in der indonesischen Hauptstadt Jakarta. Dort hat er während eines Jahres seinen Stage für den diplomatischen Dienst absolviert. «Die Menschen in Indonesien sind sehr ausgeglichen. Es war immer angenehm, mit ihnen zu arbeiten», blickt er zurück. Beim wöchentlichen Indonesisch-Sprachkurs und dem Fussballspielen mit den Einheimischen suchte Müller auch ausserhalb seiner Arbeit den Kontakt mit den Menschen des Inselstaates.

Inzwischen ist er auf einem Heimposten und gehört seit dem Abschluss seiner Ausbildung zum Diplomaten-Corps der Schweiz. Der 38-Jährige arbeitet bei der ständigen Mission der Schweiz beim UNO-Büro in Genf. Dort ist er in der Sektion Menschenrechte tätig. Als Diplomat führt er ein sesshaftes Leben auf Zeit, bis er zum nächsten Posten abberufen wird. Alle vier Jahre wechselt er das Land, den Job, das Umfeld. Nur seine Aufgabe bleibt: Die Interessen der Schweiz zu wahren. Es gibt aber auch eine Kehrseite vom Leben an verschiedenen Orten: «Man muss immer wieder Abschied nehmen von Menschen und Dingen, die man gern bekommen hat.»

Ecuador wird zur zweiten Heimat

Die Zelte abgebrochen und anderswo wieder aufgeschlagen – das hat Müller schön öfter. Das erste Mal mit 17 Jahren. Indonesien, Ecuador und Zimbabwe. Diese drei Länder kreuzte er an, als er seine Wunschdestinationen für ein Austauschjahr auswählte. Das Schicksal führte ihn in die ecuadorianische Hauptstadt Quito. Zum ersten, aber längst nicht zum letzten Mal, wie sich später herausstellen sollte. Nach der Bezirksschule studierte er Jus in Basel. Völkerrecht und Menschenrechte motivierten ihn dabei mehr als etwa kantonales Zivilprozessrecht. Für seine Doktorarbeit zog es ihn zurück nach Ecuador. Er forschte für die Universität Basel von 2003 bis 2006 in den Anden und im Amazonas zu den Rechten der indigenen Völker. Dafür lernte er auch deren Sprache «Kichwa». «Ich wollte eine Doktorarbeit machen, die die Entwicklungszusammenarbeit betrifft.» Die Arbeit beinhaltete, was Entwicklungsorganisationen, insbesondere die Schweizerische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), tun können, um die Wahrnehmung dieser Rechte zu stärken. Der Grund für seinen erneuten Aufenthalt in Ecuador lag aber nicht nur in seiner wissenschaftlichen Arbeit. Müller hatte in dem Andenstaat auch die Frau kennengelernt, die er später heiratete.

Früher wollte er Tierarzt werden

Um sich finanziell über die Runden zu bringen, arbeitete Müller für eine Anwaltskanzlei, die auf Markenrecht spezialisiert war, und dozierte an einer Universität in Quito. «Als ich nach drei Jahren in die Schweiz zurückkehrte, wartete niemand auf jemanden, der in Ecuador indigene Völker studiert hatte», sagt er ein wenig selbstironisch. Schliesslich konnte er aber sein Wissen aus der Doktorarbeit mit dem praktischen Wissen von seinem Job im Anwaltsbüro verbinden. Er trat eine Stelle beim Eidgenössischen Institut für geistiges Eigentum in Bern (IGE) an. Es ging unter anderem darum, was indigene Völker für Rechte auf ihr traditionelles Wissen haben, wenn beispielsweise ein Pharmaunternehmen von diesem Wissen für die Herstellung eines Medikamentes profitiert. Nach vier Jahren am IGE verspürte Müller den Wunsch, seine Tätigkeit über das Patentrecht hinaus zu erweitern. Er realisierte, dass sich ein bestimmter Antrieb wie ein roter Faden durch sein Leben zog. «Ich probiere ein Sandkorn dazu beizutragen, dass die Welt gerechter wird.» Früher wollte Benny Müller Tierarzt werden. Sein Interessenfeld hat sich zwar geändert, die empathische Grundhaltung ist jedoch geblieben. Er absolvierte die Zulassungsprüfung zum diplomatischen Dienst und wurde aufgenommen.

In Kaisten verwurzelt

Müller bewegt sich auf dem internationalen Parkett. Dabei ist er bodenständig geblieben. Er ist in Kaisten aufgewachsen, wie schon sein Urgrossvater. Mit seinen beiden älteren Geschwistern verbrachte er eine unbeschwerte Kindheit in der alten Post. Noch heute fühlt er sich mit der Familie und seinem Dorf stark verbunden. Er spielte Fussball beim FC Kaisten-Laufenburg. Noch immer steigt er in die Nockenschuhe und kickt jedes Jahr am Kaister Grümpeli mit. Dieses Jahr wurde er eingeladen, in Kaisten am 1. August die Rede zur Bundesfeier zu halten. Während sich die Welt schnell verändert, habe das Lokale weiterhin Bestand, ist Müller überzeugt. Die Herkunft präge einen Menschen am meisten. «Ich würde anders denken und fühlen, wenn ich Russe wäre.» Die Stationen im Ausland haben auch seinen Blick auf das eigene Land geschärft. Probleme relativierten sich mit der Distanz und gleichzeitig lernte er die vermeintlichen Selbstverständlichkeiten zu schätzen. «Wir können abstimmen, darum beneiden uns viele», stellte er fest. Andererseits: «Wenn wir in Ecuador sind, werfen wir die Agenda weg. In der Schweiz geht es nicht, ohne Termine zu vereinbaren.»

Wohin für Müller nach seinem Posten in Genf in ungefähr drei Jahren die Reise weitergeht, ist noch offen. Auf seiner Liste der damaligen Wunschdestination fehlt heute nur noch Zimbabwe...


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