«Mehr Wertschätzung, weniger Bürokratie»

  03.05.2024 Gipf-Oberfrick

Und Kantone, die die hausärztliche Versorgung steuern

Ein Wundermittel gegen den chronischen Hausarztmangel gibt es nicht. Behandlungsmöglichkeiten durchaus – allerdings müsste umgehend mit der Therapie begonnen werden. Eine Podiumsdiskussion in Gipf-Oberfrick, die nachwirkt.

Simone Rufli

Rund 60 Personen verfolgten am Dienstagabend im Pfarreisaal der katholischen Kirche die Diskussion zwischen Dominik Weber, Hausarzt in Buchs, Edith Saner, Präsidentin des Gesundheitsverbands vaka, Grossrätin und neu Co-Präsidentin der Aargauer Mitte-Partei, sowie Anton Schmid, Gipf-Oberfricker ex-CEO des Kantonsspitals Aarau. Das Thema: «Hausarztmangel und die Folgen für die Spitäler». Die Diagnose: Das Gesundheitssystem krankt, unter anderem, weil es an vorausschauender Planung fehlt.

Der Wunsch, geheilt zu sein
Und so stellte sich gleich zu Beginn die Frage: Wird die Bevölkerung im Stich gelassen, wenn es um die hausärztliche Versorgung geht? «Eine provokative Frage», wie A nton Schmid feststellte. «Im 2009 thematisierten Medien eine Ärzteschwemme. Die Politik reagierte.» Was damals in die Wege geleitet wurde, um die Zahl der Ärzte zu reduzieren, müssten wir heute noch immer ausbaden. Dazu komme das Bevölkerungswachstum; von 6 Millionen anno 1980 auf 9 Millionen Menschen heute, bei einer Lebenserwartung, die im Durchschnitt um sieben Jahre gestiegen ist. «Das löst einen Bedarf aus, denn wir alle wollen permanent gut versorgt und geheilt sein», so Schmid. Ein ideales Umfeld für neue Hausärzte könnte man meinen. Schmid rhetorisch: «Empfehlt ihr euren Kindern einen Beruf, bei dem sie immer die Schuldigen sind? Es fehlt an Wertschätzung!» Da müsse man ansetzen, denn Spitalversorgung sei immer die teurere Variante.

Bürokratie abbauen
Dominik Weber, Edith Saner und Anton Schmid waren sich über den Weg, den es einzuschlagen gilt, einig: Der Bürokratie-Wahnsinn muss gestoppt werden; das Berufsbild aufgewertet werden; das elektronische Patientendossier endlich umgesetzt werden; die Kantone, nicht der Bund, sollen die hausärztliche Versorgung steuern und die Fortschritte müssen regelmässig überprüft werden. «Nach über 30 Jahren im Gesundheitswesen kann ich sagen: Die hausärztliche Versorgung gehört in die Verantwortung der Kantone. Und aufgrund der demographischen Entwicklung macht eine möglichst wohnortnahe Grundversorgung am meisten Sinn», betonte Anton Schmid. «Dass die Tarmed-Ablösung nicht gelingt, ist ein Trauerspiel», befand nicht nur Dominik Weber. Er habe nicht den Eindruck, dass die Hausärzte sich zu wenig für ihre Anliegen einsetzten, «es wird einfach zu wenig bewegt». Trotz allem, er sei Hausarzt aus Überzeugung: «So viel Abwechslung wie in der Hausarztmedizin gibt es in keinem anderen Bereich im Gesundheitswesen.»

«Wir hinken mit allem hinterher»
Edith Saner forderte alle Beteiligten zu mehr Offenheit für neue Wege der Zusammenarbeit auf. Und sie nahm die Politik in die Verantwortung. «Weil bei uns so viele Leute mitreden, hinken wir mit allem hinterher. Die Zulassungsbeschränkung mag vor zehn Jahren richtig gewesen sein, heute haben wir eine andere Realität.» Dass es seit einiger Zeit schon hochqualifizierte Fachleute mit einer Ausbildung in Advanced Practice Nurse (APN) gibt, die Ärzte, Spitex-Organisationen und Pflegeheime wirksam entlasten könnten, sei erfreulich. «Absurd ist, dass APN (aufgrund veralteter Tarife; d. Red.) noch immer nicht abgerechnet werden können.» Für Anton Schmid ist das nur eines von vielen negativen Beispielen: «Wir frustrieren die Leute.»

Zur Podiumsdiskussion eingeladen hatte der Aargauischer Katholische Frauenbund, moderiert wurde das Gespräch von Journalistin Karin Müller.


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