Analog und lieber nicht 08/15

  15.05.2024 Persönlich, Eiken

Bianca Ritter, Sammlerin, DJane, People-Journalistin und Autorin

Downloading ist nicht ihr Ding: Ihre Musik ist auf Platten oder CDs gebrannt, und am liebsten hat Bianca Ritter aus Eiken beim Hören auch das Booklet in der Hand. Die Musik ist der rote Faden ihres Lebens und ihrer Autobiografie, welche sie eben fertig geschrieben hat.

Karin Pfister

Sie sei ein wandelndes Musiklexikon, sagt ein guter Freund über sie. Angeeignet hat sich Bianca Ritter dieses Wissen aus Interesse. «Ich merke mir einfach vieles, was ich über Musik lese oder höre.» In ihrer Wohnung in Eiken, welche sie zusammen mit ihrer Partnerin Karin bewohnt, stehen rund 30 «Billy»-Regale von Ikea plus weitere prall gefüllte DJ-Koffer, allesamt voll mit CDs. Dazu kommt ein selber gebautes Gestell mit rund 15 Laufmetern LPs und Maxisingles sowie diverse Singles-Boxen; sie könnte einen Plattenladen eröffnen. Gezählt habe sie die Tonträger nie, aber viele Male gehört. Einerseits laufe Musik bei ihr im Hintergrund, gerne setze sie sich auch mal hin und höre bewusst ihre Lieblingsstücke, erzählt Bianca Ritter.

Aufgewachsen ist die Zürcherin in der Gemeinde Zollikerberg, wo sie einst als kleines Kind von ihrem Vater ihre ersten Platten – The Rolling Stones, The Who oder The Beatles – überreicht bekam. Auch an ihr erstes Konzert erinnert sie sich: The Kinks aus England traten 1978 im Volkshaus Zürich auf; Bianca Ritter war mit ihrem Vater mit dabei.

«Musik ist mein Lebenselixier und meine Leidenschaft», erklärt sie. Ihr Musikgeschmack entspreche nicht dem Mainstream, ihre Plattensammlung beginnt in den Sechzigern, die Priorität liegt seit Ende der Siebzigerjahre bei Post-Punk und New Wave. Post-Punk habe sich aus dem Punk entwickelt, sei aber variantenreicher, melodischer und von verschiedenen Einflüssen wie Gitarren- oder Krautrock, New Wave, Ska, Dub sowie zunehmend synthetischer Musik beeinf lusst. Scheiben, die bei ihr in all den Jahren heissgelaufen sind, wie sie es nennt, sind zum Beispiel jene von The Sound, Siouxsie And The Banshees, Killing Joke, New Model Army, The Cure oder auch Classix Nouveaux.

Auch die ersten LPs von Depeche Mode oder Duran Duran haben ihre Spuren hinterlassen. Als Lieblingsband erwähnt die Musikkennerin Ultravox. Guten Sound finde sie auch in der Gothic-Szene, der sie sich ebenfalls zugehörig fühlt. «Das ist eine so friedliche und friedliebende Kultur, an der mir sowohl die Ästhetik wie auch die Musik gefällt.» Aktuell hält ein Revival von Garage Punk aus den Sixties bei ihren Hörgewohnheiten Einzug.

Bianca Ritter hat einst das KV in der Unterhaltungselektronikbranche absolviert und später bei verschiedenen Regionalzeitungen im Raum Zürich im «Learning by doing»-Modus den Einstieg als Journalistin geschafft. Das Schreiben und das Jonglieren mit Buchstaben sei ihr in die Wiege gelegt worden. «Mein Opi hat sein Leben lang an einem philosophischen Buch über Gott und die Welt geschrieben, veröffentlicht wurde es aber nie.» Über ihre Zeit als fest angestellte Redakteurin bei den Zürcher Printmedien erzählt Bianca Ritter: «Ich habe geschrieben, produziert, den Umbruch gemacht und Werbekunden betreut. Als auf den Zeitungsredaktionen noch analog gearbeitet wurde, musste zum Beispiel auch der Seiten-Umbruch von Hand mit Typometer und Wachsmaschine bewältigt werden.» Momentan ist die Journalistin beim «Best Of» tätig, einem Hochglanz-Magazin, das in weiten Teilen der Deutschschweiz, zum Beispiel in Wartezimmern und in Zügen, in Restaurants, Läden oder im Empfangsbereich von KMUs aufliegt. Oft ist sie deshalb mit dem Auto – begleitet von ihrer Musik – in der Deutschschweiz unterwegs und interviewt Prominente wie Comedians, Sportler oder TV-Stars und erstellt Publireportagen.

Ein bisschen speziell
Miss B-havin’ nennt sich Bianca Ritter als Hobby-DJane, ein Wortspiel, das so viel bedeute wie etwas unangepasst. Auch in der Musikbranche hat die Digitalisierung längst Einzug gehalten. Die heutigen DJs reisen in der Regel mit ihrem Laptop an. Nicht so Miss B-havin’; sie ist noch ganz «oldschool». Für ihre Auftritte packt sie zwei Koffer mit CDs, die jeweils so vollgefüllt sind, dass sie sich fast nicht schleppen lassen.

Die Musik zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Bianca Ritter und dient auch als Gerüst für ihre Autobiografie, die sie eben fertig gestellt hat. «Mein Leben war nie 08/15, und ich wurde schon mehrmals gefragt, ob ich meine Geschichte nicht aufschreiben möchte.» Im September 2023 hat sie sich hingesetzt und angefangen zu schreiben. «Das war nicht immer einfach. Ich habe einiges erlebt, das tief ging, und beim Schreiben kamen die Emotionen nochmals hoch.» Momentan ist sie auf der Suche nach einem Verlag. Um was es genau geht, möchte sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verraten. «Es ist ein besonderes Buch, so wie auch ich halt ein bisschen speziell bin.»

Offen und kontaktfreudig
Bianca Ritter ist ein «Stehauffrauchen» und lässt sich auch nach der kürzlichen Kündigung ihres Teilzeitjobs im Detailhandel nicht unterkriegen. Sie ist ein offener und kontaktfreudiger Mensch. «Wenn jemand eine Frage zur Musik hat, darf er oder sie sich jederzeit bei mir melden.» Gerne dürften sie auch Vermieter kontaktieren, die auf den Herbst eine grosse Wohnung – Platten und CDs benötigen mindestens ein Extra-Zimmer – vermieten möchten, ergänzt sie schmunzelnd. Ihre jetzige Bleibe in einem idyllischen Wohnquartier müssen sie und ihre Partnerin wegen Eigenbedarfs aufgeben.

Zügeln muss sie dann wohl auch das Plakat mit einem Zitat von Nietzsche, das an der Eingangstür hängt: «Without music, life would be a mistake», steht da. Auch diese Worte von Franz Schubert sind für Bianca Ritter ein Leitsatz: «Wer die Musik liebt, kann nie ganz unglücklich werden.»


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