«Die Künstliche Intelligenz verbessert die Qualität»

  09.03.2023 Brennpunkt, Rheinfelden, Gesundheit

Neue Technik am Gesundheitszentrum Fricktal

Der März ist in der Schweiz der Aktionsmonat gegen Darmkrebs. Am Gesundheitszentrum Fricktal wird seit kurzem Künstliche Intelligenz bei der Früherkennung eingesetzt. Dominik Hay, Oberarzt für Gastroenterologie, sieht darin ein Instrument, das weitere Sicherheit bei der Diagnose gibt.

Valentin Zumsteg

NFZ: Herr Hay, Künstliche Intelligenz (KI) ist derzeit ein grosses Thema. Wie wird KI am Gesundheitszentrum Fricktal eingesetzt?
Dominik Hay:
Die Künstliche Intelligenz wird seit Anfang Jahr nicht nur bei uns in der Endoskopie eingesetzt, sondern auch in der Radiologie. Der Einsatz wird in verschiedenen Bereichen vorangetrieben. KI ist an Regionalspitälern noch nicht Standard. Das GZF zählt zu den Vorreitern. Wir verwenden KI aktuell am Spital Rheinfelden und bald auch am Spital in Laufenburg und im Fachärztehaus in Frick.

Wie erleichtert diese neue Technik Ihre Arbeit konkret?
Die Künstliche Intelligenz erleichtert unsere Arbeit nicht, aber sie verbessert die Qualität zusätzlich. Wir benutzen KI bei der Darmspiegelung zur Erkennung von gutartigen Geschwulsten, so genannten Polypen. Die KI hat dabei ein zusätzliches Auge auf die Bilder aus dem Darm. Man weiss aus Studien, dass dank der Künstlichen Intelligenz ungefähr zehn Prozent mehr Polypen entdeckt werden. Diese Technik kann winzige Mikropolypen erkennen, die ohne KI schwierig zu erfassen wären und sich zu Darmkrebs entwickeln können.

Ist der Computer bei der Erkennung von Geschwulsten also besser als der Mensch?
Nein, das ist er nicht. Die Künstliche Intelligenz ist eine Ergänzung. Die grossen Polypen, die nachher den Darmkrebs bilden können, werden von der KI schlechter erkannt. Diese Polypen nehmen teilweise den ganzen Bildschirm ein, da weiss die Künstliche Intelligenz weniger genau, wo sie ansetzen muss. Die KI ist ein zusätzliches Werkzeug, das weitere Sicherheit gibt. Es markiert in Echtzeit kleine Geschwulste. Dank der KI werden täglich Mikropolypen entfernt, die wir vielleicht nicht erkannt hätten.

Jährlich erkranken in der Schweiz etwa 4300 Personen an Darmkrebs. 1700 Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen der Krankheit. Wird diese Zahl künftig dank der KI sinken?
Das wissen wir noch nicht. Meine Prognose ist, dass es vorerst keine Veränderung geben wird. Denn durch die KI entdecken wir – wie erwähnt – winzig kleine Polypen, die 10 bis 20 Jahre bräuchten, bis sie sich zu Darmkrebs entwickeln. Längerfristig rechne ich aber mit einer Abnahme von Darmkrebs.

Bill Gates, der Gründer von Microsoft, sieht KI als grosse Chance, gerade im Gesundheitsbereich. Sie könne zum Beispiel helfen, das Gesundheitssystem sehr viel effizienter zu machen, sagte er kürzlich in einem Interview. Wie sehen Sie das? 
Das ist sicher der Fall. Die KI kann bei der Administration helfen, zum Beispiel, was Terminvergaben angeht. Bei der Einladung von Patientinnen und Patienten zur Vorsorgeuntersuchung kann die KI enorme Unterstützung bieten.

Wo sehen Sie die grössten Chancen, in der Diagnostik oder bei der Administration?
Sowohl als auch. In der Diagnostik gibt es noch unendliche Möglichkeiten für den Einsatz von KI, zum Beispiel bei der Auswertung von Laboruntersuchungen.

Wenn Sie in die Zukunft schauen: Ist KI einfach ein weiteres Hilfsmittel oder verändert sie das Gesundheitswesen grundlegend?
Da die KI alle Bereiche im Gesundheitswesen betrifft, ist diese sicherlich zukunftsweisend. Gerade wenn es um den Menschen geht, sollte der Mensch jedoch die letzte Kontrollinstanz bleiben. Die KI ist nicht fehlerfrei. Sie zeigt auch vieles an, was wir nicht entfernen müssen oder sollten. Daher ist es wichtig, dass es immer der Mensch bleibt, der die Kontrolle hat.

Lernt die Künstliche Intelligenz auch?
Die KI, die wir verwenden, lernt dadurch, dass sie durch ein grosses Datenvolumen von der Herstellerfirma fortlaufend gefüttert wird. So verfeinert sich die Erkennung von Polypen. Sie lernt aber nicht durch unsere tägliche Benutzung. Unsere Daten gehen nicht an die Firma, die bleiben bei uns.

Unabhängig von der Künstlichen Intelligenz: Was wünschen Sie sich in Bezug auf den Aktionsmonat gegen Darmkrebs?
Mein Appell ist, die Vorsorge-Darmspiegelung rechtzeitig wahrzunehmen. Jedes Mal, wenn wir Darmkrebs entdecken, denken wir, wäre die betroffene Person doch fünf Jahre früher gekommen. Wir empfehlen, dass alle Menschen ab 50 Jahren eine Darmspiegelung machen. Wenn es Krebserkrankungen in der Familie gibt, dann schon früher. Darmkrebs kann mittels Untersuchung effektiv vorgesorgt werden.

«Darmkrebsmonat März: Prävention, Vorsorge und Therapie.» Vortragsabend am Montag, 20. März, um 19 Uhr im Spital Rheinfelden und am Montag, 27. März, um 19 Uhr im Spital Laufenburg.


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