Visionen haben den Rheinsteg versenkt

  22.10.2021 Leserbriefe

Im Nachgang zu unserem Leserbrief vom September erhielt ich einen Brief eines Architekten, der den Ablauf der damaligen Ausschreibung für das Rheinfelder Rheinstegprojekt genau verfolgt hatte. Da er selbst namentlich nicht genannt werden will, gebe ich seinen Brief hier wieder:

«Sehr geehrter Herr Derrer, Sie stellen zu Recht die Frage, ob es zum abgelehnten Rheinsteg-Projekt keine kostengünstigere Alternative gegeben hätte. Doch, es gab eine Alternative! Nämlich das Projekt, das in der Ausschreibung den dritten Platz belegte. Es stammte (das hat man erst im Nachhinein erfahren) von bekannten und erfahrenen Schweizer Brückenbauern, welche die Aufgabe richtig verstanden und angemessen gelöst hatten. In der Beschreibung des Siegerprojektes durch das Preisgericht stand, dass es sich um ein besonderes, eher schwieriges Projekt handeln würde. Zwischen den Zeilen ahnte man, dass an diesem Projekt viel Unerprobtes Schwierigkeiten bereiten könnte. In der kollektiven Begeisterung für dieses eher spektakuläre Bauwerk wurden damals offenbar Unklarheiten grosszügig übergangen. Bei der Beschreibung des dritten Preises spürte man hingegen deutlich: Hier wurde eine an sich einfache Aufgabe, einen Steg für Fussgänger und Radfahrer zu bauen, mit einem einfachen Projekt gelöst. Das Urteil des Preisgerichts über dieses Projekt lautete so (Zitat): «bescheiden; fast unscheinbarer Lösungsvorschlag; zurückhaltender geht’s nicht; will bewusst kein Zeichen setzen.» Dies klingt wie eine kluge Empfehlung: Diesen Steg kann man im gegebenen Kostenrahmen bauen. Doch das hat die Jury anscheinend nicht wahrnehmen wollen – man hatte eine Vision und wollte ein Zeichen oder gar Wahrzeichen setzen. Das endet selten gut. Auch die abschliessende vergleichende Kostenüberprüfung befriedigte nicht. Sogar ein Laie sieht, dass Herstellung und Bau des Siegerprojektes viel aufwändiger sein würden als die des vergleichsweise einfachen 3. Preises. Das Ausschreibungsergebnis bestätigte dann diesen Befund: Wenn von 24 interessierten Unternehmen nur zwei Mutige ein Angebot liefern, so hatte das mit der anspruchsvollen, unerprobten und somit risikoreichen Stegkonstruktion zu tun. Alle anderen Begründungsversuche überzeugen nicht. Warum haben die beiden Rheinfelden nach Erhalt der Preisangebote nicht abgeklärt, ob man das Siegerprojekt aufgeben und stattdessen mit dem 3. Preis weiterfahren könnte? Also das Falsche aufgeben und das Richtige realisieren?»

Letztere Frage formuliere ich so: Warum wird das Projekt eines Rheinstegs, das eine Million Franken an Planungsaufwand verschlungen hat, nicht zu Ende geführt, indem eine machbare und kostengünstige Variante realisiert wird?

MICHAEL DERRER, VEREIN MEHR FARBE FÜR RHEINFELDEN


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