«Im Wald bin ich in einer anderen Welt»

  02.10.2021 Kaiseraugst, Persönlich, Olsberg

Die neue Försterin von Olsberg und Kaiseraugst 

Astrid Schwyter ist Forstingenieurin und Waldpädagogin. Im Juni hat sie das Mandat als Försterin von Olsberg und Kaiseraugst übernommen. Bei der Waldbewirtschaftung will sie möglichst wenig in den natürlichen Kreislauf eingreifen. 

Valentin Zumsteg 

Oberhalb des Stifts Olsberg liegt der «Chlosterwald». Grosse Bäume ragen in den Himmel, Sitzbänke laden zum Verweilen ein. Der Wind streicht kräftig durch die Blätter der Buchen und Eichen. Hierhin nimmt uns Astrid Schwyter mit, um über den Wald und ihre Tätigkeit zu reden. «Ich fühle mich im Wald sehr aufgehoben und geborgen. Der Wald ist mehr als eine Ansammlung von Bäumen, er ist ein grosser Organismus», sagt die 49-Jährige. Seit Juni ist sie Försterin von Olsberg sowie Kaiseraugst – und damit zuständig für rund 200 Hektaren Wald. Die Forstingenieurin mit eigener Firma hat diese Aufgabe im Mandat übernommen, das Pensum liegt bei 20 Prozent. Sie ist Nachfolgerin von André Schumacher, der pensioniert wurde. «Diese neue Aufgabe ist eine Herzensangelegenheit für mich. Hier bietet sich die Gelegenheit, vor Ort verantwortlich zu sein für die Entwicklung des Waldes und sie mitbestimmen zu können.» 

«Spüren, was zu tun ist»
Astrid Schwyter ist die einzige Försterin im Kanton Aargau. In dieser Funktion steht sie aber nicht selbst mit der Motorsäge im Wald, sondern plant die nötigen Arbeiten und lässt sie von Firmen oder Privatpersonen ausführen. Eigene Angestellte hat der Forstbetrieb nicht.

«Wenn ich in den Wald gehe, dann bin ich in einer anderen Welt. Dort versuche ich zu spüren, was zu tun ist. Ich probiere, diesen Ansatz in der Waldbewirtschaftung umzusetzen. Wie gut das gelingt, wird sich weisen.» Sie bewegt sich im Spannungsfeld von Ökonomie und Ökologie. Gerade die kleine Ortsbürgergemeinde Olsberg ist darauf angewiesen, dass der Wald wirtschaftlich etwas abwirft. «Das Holz ist ein nachwachsender Rohstoff. Es ist richtig, dass wir diesen nutzen. Ich hätte aber im Wald gerne mehr Bäume, die 200 oder 250 Jahre alt sind und die wir bewusst stehen lassen.» Eine wichtige Eigenschaft als Försterin sei die Geduld. «Je mehr ich im Wald bin und schaue, desto bewusster wird mir, dass der Mensch viel zu schnell eingreift. Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht. Förster sprechen vom intelligenten Faulsein.»

«Wissen ist verloren gegangen»
Aufgewachsen ist Astrid Schwyter in Küttigen. Inspiriert durch eine Freundin hat sie sich für das Studium als Forstingenieurin an der ETH Zürich entschieden. Sie arbeitete später ein paar Jahre bei der Abteilung Wald des Kantons Aargau. Heute hat sie mehrere Standbeine: Neben ihrer eigenen Firma und dem Mandat in Olsberg und Kaiseraugst ist sie als Waldpädagogin in Liestal tätig. Regelmässig begleitet sie Schulklassen in den Wald. «Wenn wir auf die Menschheitsgeschichte blicken, dann war der Wald für uns in Mitteleuropa lange ein wichtiger Lebensraum. Dieses Wissen ist verloren gegangen. Ich möchte den Kindern vermitteln, dass sie sich im Wald bewegen dürfen und sich wohlfühlen können. Das ist in diesem Alter wichtiger, als den Unterschied zwischen einer Fichte und einer Tanne zu kennen.» Öffentlichkeitsarbeit sieht sie als wichtigen Teil ihrer Arbeit als Försterin. An der Waldbereisung in Olsberg hat sie bereits einen ersten Schritt in diese Richtung getan.

«Das macht mich demütig»
Der Wald hat für sie aber auch einen mythischen Aspekt. Es sei kein Zufall, dass viele Grimm-Märchen im Wald spielten und Initiationsriten enthielten. «Heute fehlt vielen Menschen der Rhythmus im Jahresverlauf. Alles ist immer verfügbar, die Jahreszeiten werden dadurch verwischt. Das tut uns nicht gut. Im Wald kann man die Jahreszeiten und die Veränderungen bewusst wahrnehmen.»

Astrid Schwyter, die häufig mit einem Twike unterwegs ist, wohnt mit ihrer Familie in Rickenbach (BL). Für die dreifache Mutter ist der Wald nicht nur beruflich, sondern ebenso in der Freizeit ein wichtiger Ort: «Ich gehe sehr gerne allein in den Wald und lasse ihn auf mich wirken. Dort werde ich mir meiner Kleinheit bewusst. Das macht mich demütig gegenüber dem Leben und meiner Aufgabe. Ich spüre, dass ich nicht für alles verantwortlich bin. Das finde ich tröstend und entspannend.» 


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