Der Herr der Pilze

  04.09.2021 Essen und Trinken, Frick, Persönlich

Vom Automonteur zum Bio-Farmer

In dritter Generation leitet Thomas Suter den Familienbetrieb Fricktaler Bio-Pilze. Auf den Fricker Familienbetrieb wirkte die Corona-Pandemie in unerwarteter Weise ein. Auf der einen Seite war das Beschaffen von Verpackungsmaterial wegen Rohstoffknappheit zwischendurch erschwert. Andererseits konnte der Handel von Champignons nicht genug kriegen.

Matthias Reimann

Schon beim Betreten des Betriebsgebäudes liegt ein unverkennbarer Pilzgeruch in der Luft. Emsig karren Mitarbeitende Kiste um Kiste erntefrischer Champignons zu den Ernteräumen. 1971 kaufte Rudolf Suter den Produktionsbetrieb und legte den Grundstein zum Fricker Familienunternehmen Suter Champignons AG. 21 Jahre später übernahm Daniel Suter den Betrieb von seinem Vater. Er baute die Produktionsf läche allmählich auf die heutige Grösse von 1500 Quadratmetern aus. Sein Sohn Thomas absolvierte zwei Berufslehren als Ersatzteillagerist und Automonteur, trat danach aber in den elterlichen Betrieb ein und bildete sich zum Fachmann Unternehmungsführung weiter. 2010 übernahm er die Produktionsleitung und seit 2014 ist Thomas Suter Geschäftsführer. Anfang 2021 wurde die Fricktaler Bio-Pilze GmbH gegründet. Mit der Zertifizierung von Bio-Suisse ausgestattet, produziert Suter mit seinem Team von 25 Mitarbeitenden weisse und braune Bio-Champignons. Diese Familiengeschichte zeigt, dass Pilze und die Suters fest zusammengehören.

Ihre königliche Majestät
Champignon ist der französische Allgemeinbegriff für Pilz. Champignons, wie wir sie heute aus dem Supermarktregal kennen, wurden erstmals im 17. Jahrhundert am Hof des französischen Königs Louis XIV gezüchtet. Heute ist das bescheidene Nachtschattengewächs der weltweit am häufigsten verkaufte Zuchtpilz. Obwohl die weisse Sorte oft als edler eingestuft wird, schätzen Kenner die braunen Cousins: «Es gibt Konsumenten, die sagen, dass die braunen Champignons aromatischer schmecken als die weissen» sagt Thomas Suter. «Aber ich weiss es selbst nicht, denn ich esse weder die einen noch die anderen. Ich mag Pilze nicht», fügt er mit Augenzwinkern an.

Mit einer Kapazität von gut 300 Tonnen pro Jahr zählt der Fricker Betrieb zu den mittelgrossen Produzenten auf dem Schweizer Bio-Pilzmarkt. Die konsequente Ausrichtung auf Bio-Standards erfolgte wohlüberlegt. Der Bio-Pilzanbau erfordert viel Infrastruktur, grosse Kapazitäten und bedingt gleichzeitig einen sehr hohen Personalbedarf. «Selbst mit den ehemals konventionellen Anbaumethoden haben wir schon seit Jahrzenten ohne jegliche Pf lanzenschutzmittel gearbeitet» sagt Suter beim Rundgang und fügt an: «Der Bedarf des Lebensmittelhandels nach einem hochqualitativen Bio-Produkt ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Dies bestärkte uns im Entscheid, den Betrieb 2021 vollständig auf Bio umzustellen.»

Pilze sind cool
Wöchentlich treffen 25 Tonnen Substrat aus Holland ein. Dieser vorbereitete Nährboden besteht aus Stroh und Hühnermist. Der mit Pilzsporen durchsetzte Kompost ist von Bio Suisse zertifiziert. Zu Beginn jedes Anbauzyklus wird das Substrat in zwanzig Zentimeter hohe und etwa einen halben Quadratmeter grosse Metallwannen abgefüllt. Auf diese Grundlage kommt noch eine Schicht Deckerde mit Torfanteilen, die anschliessend gewässert wird. «Pilze brauchen am Anfang sehr viel Feuchtigkeit» sagt Suter und erklärt weiter: «In der ersten Phase des Anbaus halten wir die die Luftfeuchtigkeit in den Produktionsräumen bei 90 bis 92 Prozent. Im Verlauf der Wachstumsphase reduzieren wir sie allmählich.» Der Wassergehalt von Champignons kommt dem einer Melone ähnlich. Sie bestehen zu 93 Prozent aus Wasser.

«Mit einer Klimaanlage regulieren wir sowohl die Feuchtigkeit, Temperatur und den Frischluftanteil in den Produktionsräumen» erläutert Suter. Werden nach etwa einer Woche die Luftfeuchtigkeit und der CO2-Gehalt reduziert und der Sauerstoffanteil erhöht, zieht sich das heranwachsende Pilzgef lecht (Mycel) zusammen und Ansätze von Fruchtkörpern (Primordien) werden gebildet, daraus wachsen, bei optimalen Bedingungen, die Fruchtkörper heraus.

Champignons sind genügsam; als Nachtschattengewächs benötigen sie kein Licht. Sie sind auch cool, denn eine stetige Umgebungstemperatur von etwa 16 Grad reicht aus. Und mit ihrem Wachstum fackeln Champignons nicht: nach sechzehn bis siebzehn Tagen sind sie erntebereit. Nach weiteren sieben Tagen erfolgt eine zweite Ernte, danach werden die Pf lanzwannen geleert, gewaschen und mit einem biologischen Desinfektionsmittel behandelt. «Das verbrauchte Erdreich und die Pilzabschnitte kompostieren wir» weist Suter auf grosse Erdhaufen hinter dem Betriebsgebäude hin. «Dieser Kompost wird anschliessend in der Landwirtschaft wieder ausgebracht. Durch diesen schonenden Umgang mit Ressourcen besteht ein geschlossener Kreislauf.»

Corona als Wachstumsbeschleuniger
Seit eineinhalb Jahren dominiert Corona vieles. Die Pandemie führte auch bei den Suters zu Stirnrunzeln: «Obwohl wir keine mechanische Produktionswerkstätte haben, die auf Rohstoffe angewiesen ist, bekamen wir Engpässe zu spüren. Plötzlich waren Karton für unsere Verpackungsbehältnisse und die Folien zum Einschweissen der Pilz-Verpackung Mangelware» blickt Suter auf vergangene Monate zurück.

Auf der Nachfrageseite hingegen wurde die Fricktaler Bio-Pilz GmbH regelrecht überrannt. «Wir erlebten Phasen, während denen die Nachfrage des Marktes unsere Tagesproduktion überstieg» blickt Suter auf das Frühjahr 2020 zurück. Damals führte die Kombination von geschlossenen Grenzen und Restaurants für Schweizer Lebensmittelproduzenten zu einem markanten Nachfragesog. «Dass Herr und Frau Schweizer plötzlich den heimischen Herd wiederentdeckten, bescherte uns einen veritablen Boom.» Für Thomas Suter hat die Pandemie nicht nur negative Seiten: «Für uns ist es ein Fall von Glas halb voll» fügt der Fricker Herr der Pilze schmunzelnd an.


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