Wenn Leseratten Igel basteln

  09.07.2021 Wittnau

Bibliothek Wittnau staubt aus, die Kinder freut’s

Bücher mit Eselsohren und gefalteten Seiten – was für ein Graus! Nicht, wenn die «Verunstaltung» auf Wunsch einer Bibliothek im Rahmen des Ferienspasses erfolgt. In Wittnau wurden Kinder eingeladen, aussortierten Büchern zu einem neuen, glanzvollen Auftritt zu verhelfen.

Simone Rufli

Geräuschlos frisst sich das scharfe Messer durch die Seiten. Eine nach der anderen verliert zuerst den Halt und dann den Bezug zur Geschichte, deren Teil sie für viele Jahre war. Zurück bleiben zwei Dinge: auf der einen Seite ein Tisch voller loser Seiten, angeschnitten, zusammenhangslos. Auf der anderen Seite ein Buch, das zwischen den Deckeln nur noch aus einem Rahmen von wenigen Zentimetern besteht. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, kommt jetzt auch noch Leim zum Einsatz. Leim, der den Rahmen untrennbar verbindet. Am Ende und von aussen betrachtet, ist dem Buch von alledem nichts anzusehen. Und genau darum geht es den Kindern, die an diesem Nachmittag um den langen Tisch in der Bibliothek von Wittnau herumsitzen, plaudern, lachen, sich über gelesene Bücher unterhalten und dabei freudvoll einen ganzen Stapel Bücher malträtieren. Ihre Werke sollen zwar den äusseren Schein eines Buches wahren, gewissermassen weiterhin als Buch durchgehen, gleichzeitig aber im entstandenen Hohlraum den einen oder anderen Schatz sicher auf bewahren.

«Das ist doch viel schöner, als aussortierte Bücher wegzuwerfen», sagt Denise Müller vom Bibliotheks-Team. Zusammen mit Heidi Bühler leitet sie den Kurs 201 «Basteln mit Büchern in der Bibliothek» und legt dabei immer wieder selber Hand an. Gerade hilft sie einem Mädchen dabei, Seiten in schöner Regelmässigkeit zu falten, bis am Ende – mit zwei aufgeklebten Augen und einer Stupsnase versehen – ein Igel in die muntere Runde blickt.

Eine Frage bleibt bei all dem Treiben: Gehen diese Kinder immer so mit Büchern um? Denise Müller lacht, winkt ab. «Wir kennen die meisten. Sie kommen regelmässig zu uns in die Bibliothek und haben eine sehr enge und gute Beziehung zu Büchern.»

Beziehung zum Buch bleibt

Ob sie nun eine Schatztruhe basteln oder Seite um Seite so falzen, dass am Ende ein prächtiger Igel entsteht, die Beziehung zum Buch bleibt. Sie nimmt nur eine andere Form an. Und darum erstaunt es auch nicht, dass unter den zehn Kindern – die überwiegende Mehrheit davon Mädchen – einige sind, die lieber weiterbasteln würden, als die Arbeit durch eine «Zvieri»-Pause zu unterbrechen.


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