Wandern statt rauchen

  31.07.2021 Etzgen, Mettauertal, Persönlich

Gerdi Oeschger, 53, ist «Extremsportlerin» und Wanderführerin

Gerdi Oeschger ersetzte das Rauchen vor sechs Jahren durch Sport, viel Sport. Sie macht ihn vorzugsweise alleine; als Wanderführerin des Schwarzwaldvereins Laufenburg ist die Etzgerin aber auch für viele Menschen verantwortlich.

Boris Burkhardt

Am 25. Juni, dem Sonntag nach der von ihr organisierten 24-Stunden-Wanderung (die NFZ berichtete), verzichtete Gerdi Oeschger für einmal auf die Velotour. Die 53-jährige Etzgerin ist nämlich sonst regelmässig jeden Samstag wandern, meist alleine oder mit einer Freundin, und jeden Sonntag mit ihrem Schatz mountainbiken. Joggen, Schwimmen und Turnen im TV Laufenburg, das bringt sie unter der Woche unter. Extremsportlerin ist Oeschger nicht im Sinne von extremen, gefährlichen Sportarten, aber «extrem» doch sicher in der Menge ihrer sportlichen Aktivitäten. Das hätte sie selbst vor sieben Jahren nicht von sich gedacht: «Ich habe eine Sucht gegen die andere getauscht», sagt die Ex-Raucherin, die mit der endgültigen Abstinenz mit etwas Sport der erwarteten Gewichtszunahme vorbeugen wollte.

Besonders Wandern sei für sie früher unvorstellbar gewesen: «Ich war als Kind nie mit meinen Eltern wandern. Das war eine Horrorvorstellung für mich.» 2002 habe sie sich einmal mit ihrer Freundin Gisela Müller und zwei Kolleginnen zum Gipfel des Säntis aufgemacht: «Danach habe ich mir geschworen: Nie wieder!» Dass die gebürtige Badnerin aus dem Murger Ortsteil Oberhof nun seit fünf Jahren sogar regelmässig Wanderungen für die Laufenburger Ortsgruppe des Schwarzwaldvereins plant und leitet, verdankt sie laut eigener Aussage vor allem Franz Butz, dem «ganz tollen Wanderführer» des dortigen Ortsvereins. Dorthin wagte sich Oeschger, motiviert von Gisela Müller, erstmals 2014. Und es war auch Butz, der die beiden Frauen zwei Jahre später fragte, ob sie nicht Wanderführerinnen werden wollten.

Unverhofft…
Unverhofft schreibt das Leben die schönsten Geschichten; und so organisierte Oeschger nach fünfwöchiger Wochenendausbildung in Laufenburg-Hochsal im Mai 2016 ihre erste eigene Wanderung, entlang des zwölf Kilometer langen Schinkenwegs in Höchenschwand. «Obwohl der Weg ausgeschildert ist, lief ich ihn viermal vor und verlief mich zweimal dabei», erzählt Oeschger lachend von ihrer Nervosität vor dem «ersten Mal»: «Nein, ich war um Gottes Willen nicht bereit.» Wenigstens bekamen das nur wenige Gäste mit: Zwölf Leute nahmen an jener Wanderung bei schlechtem Wetter teil. Heute käme es für Oeschger nicht mehr in Frage, ihre fünf bis sechs Wanderungen im Jahr auf bestehenden Rundwegen zu planen. Ihr Richtwert liegt heute bei sechs Stunden und selten unter 20 Kilometer.

Die Ausbildung als Wanderführer war ein Crashkurs in Geschichte, Geologie, Meteorologie und Biologie: «Wir lernten, Wegstrecken anhand von Karten zu berechnen, und den Kompass zu benutzen.» Mit Strategien für Teambildung und Gruppenzusammenhalt gehörte ausserdem Psychologie zum Lernstoff – etwas, was sie besonders für die 24-Stunden-Wanderung gebrauchen konnte, um den Kopf über die Füsse siegen zu lassen. «Ich hatte mir die Ausbildung nicht so umfassend vorgestellt», gibt Oeschger zu: «Aber ich habe viel gelernt.» Im kommenden Jahr will sie die Fortbildung zum Bergwanderführer absolvieren: Privat wandert sie bereits oft alpin; in der Verantwortung als Wanderführerin will sie sich aber «sicherfühlen».

Brienzer Rothorn, Rigi und Säntis in den Schweizer Alpen, Füssen, Obersdorf und Oberstaufen im Allgäu heissen ihre alpinen Lieblingsziele. In der Region haben es ihr vor allem die Wasserfallen und der deutsche Belchen angetan; im Fricktal findet sie «alles schön», besonders aber den Geissberg und den Bürensteig. Ein langfristiges Ziel ist der Jakobsweg der Schweiz, auf dem sie in drei Jahren bisher etappenweise von Kreuzlingen nach Thun vorankam. 2020 wanderte Oeschger auf 79 Wanderungen insgesamt 1500 Kilometer.

Obwohl ihr Lebenspartner «fitter als sie» sei, begleite er sie zum Wandern nur in die Südtiroler Berge: «Da sind sie ihm hoch genug. Im Schwarzwald gibt es für ihn keine Berge», erklärt sie lachend. Die gemeinsamen Velotouren mit dem Mountainbike starten die beiden stets von daheim nach Klingnau, auf den Bürensteig, nach Waldshut oder Bad Säckingen. Als Mittlerin zwischen Wanderern und Mountainbikern sieht sich Oeschger aber nicht: Die Ortsgruppe Laufenburg hat eine eigene Mountainbike-Gruppe. Um mit dem Rauchen aufzuhören, resümiert Oeschger ihre Erfahrungen nach sechs Jahren, müsse es «im Kopf Klick machen». Auch sie habe mehrere Anläufe gebraucht: «Beim letzten Versuch habe ich es keinem erzählt; und es fiel meinem Umfeld erst nach einigen Wochen auf.» Das Frühaufstehen hingegen ist Oeschger schon lange gewöhnt: Sie arbeitet als Büroangestellte in der Bäckerei Maier im Schweizer Laufenburg. Auch für die Kollegen organisiert sie zweimal im Jahr kleine Wanderungen. Seit 15 Jahren lebt sie mit ihrem deutschen Lebenspartner in der Schweiz, vor Etzgen in Laufenburg und Kaisten: «Wir haben beide schon immer in der Schweiz gearbeitet und sind einfach irgendwann mal rübergezogen.»

Kaputt sei auch sie gewesen, berichtet Oeschger von jenem 25. Juni: «Ich bin ja keine Maschine. Aber Muskelkater hatte ich keinen.» Die nächste 24-Stunden-Wanderung im kommenden Jahr steht bereits fest; acht Teilnehmer haben sich schon angemeldet. Nur die passende Strecke muss Oeschger noch finden: Gesucht werden rund 80 Kilometer, die im Vollmondschein besonders schön aussehen…


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