Vom Geflüchteten zum Top-Metallbauer

  31.07.2021 Laufenburg

Ofran Hossain schloss seine Ausbildung mit einer 5,0 ab

Als Minderjähriger flüchtete Ofran Hossain aus Afghanistan. Jetzt hat er seine Lehre erfolgreich gemeistert; er schloss sie als Zweitbester im Kanton Aargau ab. Bis dahin mussten er und sein Lehrmeister die eine oder andere Extrameile gehen.

Regula Laux

«Ofran ist mein erster Lehrling und ich bin extrem stolz, dass er so gut – mit einer Note von 5,0 als einer der zwei besten Metallbauer im Aargau – abgeschlossen hat», erklärt Raimondo Sabatella von der Sabatella GmbH in Laufenburg. Doch bis hierhin war es für alle Beteiligten, allen voran für den aus Afghanistan stammenden Ofran Hossain, ein weiter Weg. «Wir beide, also ich als Ausbildner und Ofran als Lehrling, mussten sicher die eine oder andere Extrameile gehen», blickt Sabatella zurück. Doch der Aufwand habe sich absolut gelohnt. Nachdem sein Lehrling im August unbezahlte Ferien nehme, fange er ab September als Metallbauer bei ihm im Betrieb an.

Zweiter Lehrling aus Afghanistan
Die guten Erfahrungen mit dem ersten Auszubildenden gaben Sabatella den Schwung zum Weitermachen: Der in Kaisten wohnende Ahmadi Lee, auch aus Afghanistan, hat bereits die einjährige Vorlehre bei der Sabatella GmbH absolviert, nun tritt er in die Fussstapfen von Ofran Hossain und beginnt die Lehre als Metallbauer EBA. «Lee kann sicher sehr von Ofrans Erfahrungsschatz profitieren», ist Sabatella überzeugt. Und auch bei etwaigen Sprachproblemen sei es gut, dass die beiden sich in ihrer Muttersprache austauschen können.

Vermittlung durch Trinamo
Doch wie haben sich Raimondo Sabatella und Ofran Hossain gefunden? «Ich ging 2018 zum Arbeitsvermittlungszentrum RAV und schrieb die Stelle aus», blickt Sabatella zurück. «Die Dame vom RAV machte mich auf die Sozialfirma Trinamo aufmerksam, die mir Ofran zum Schnuppern vermittelte. Tja und dann blieb er nahtlos bei uns und absolvierte die Lehre.» Doch das klinge jetzt rückblickend so einfach, man könne sich aber kaum vorstellen, wie zeit- und nervenaufreibend die Formalitäten und Behördengänge gewesen seien. «Da musste ich schon das eine oder andere Mal auf den Tisch hauen», erklärt der sympathische Hüne. So auch, als es darum ging, Ofran aus einer «absolut unzumutbaren Unterbringung in Möhlin» rauszuholen. Heute lebt Ofran Hossain in einer Unterkunft in Windisch. Die Abläufe stimmen hier und er ist zufrieden. «Trotzdem ist es mein grösster Wunsch, aus der Asylunterkunft in eine eigene Wohnung zu ziehen», so Ofran Hossain.

Flucht als 17-jähriger
Ein Problem sei, dass er bisher nur eine F-Bewilligung, also eine Bewilligung für vorläufig Aufgenommene, habe. «Ich kann es kaum erwarten, die B-Bewilligung zu erhalten, reisen zu dürfen, endlich meine Eltern und Familie wiederzusehen», ereifert er sich. Bereits als 17-Jähriger begab er sich auf die Flucht. Seit fünf Jahren und acht Monaten sei er nun in der Schweiz.

Sein Weg führte den Minderjährigen über Österreich und Italien, unvorstellbare Fluchterlebnisse prägen seine Geschichte. Doch der offene und fröhlich wirkende Metallbauer kann unbefangen darüber reden – wahrscheinlich ein Charakterzug, der ihm hilft. Ihm, dem ehemaligen Analphabeten, der in Afghanistan mit acht Jahren die Schule verliess und sich lieber als Lastwagenmechaniker übte. Er, der heute im Deutschen grammatikalische Formen braucht, bei denen manch ein Schweizer ins Schwitzen kommt…

Edelstahl als Königsdisziplin
Eigentlich hätte Ofran lieber eine Ausbildung als Lastwagenmechaniker gemacht, konnte aber keine passende Stelle finden. Doch heute sieht er das ähnlich wie sein Chef: «Wir arbeiten mit Edelstahl, das ist die Königsdisziplin. Und wir erarbeiten die Dinge selber. Automechaniker ist heute eher ein Montagejob, bei dem man Teile ein- und ausbaut.» Die Sabatella AG hat sich im Edelstahlbereich vor allem auf die Erstellung von Gartenduschen und Sichtschutzwänden spezialisiert, da sei neben dem handwerklichen durchaus auch der kreative Einsatz gefragt. Jeder Auftrag wird nach Kundenwunsch gefertigt. Da kann man nichts aus der Schublade ziehen.

Und wie reagiert Ausbildner Raimondo Sabatella auf Anmerkungen, dass er doch lieber Schweizer Jugendliche ausbilden solle? «Sehen Sie, ich habe meine Ausbildung als Feinmechaniker bei der Jakob Müller AG in Frick gemacht. Da wurde ich so richtig rangenommen, was mich für den ganzen Lebensweg positiv geprägt hat.» Was dies mit seinen Lehrlingen zu tun hat, fügt er an: «Ich arbeite gern mit Leuten zusammen, die eine ähnliche Grundhaltung haben, willig sind, exakt arbeiten, neues Lernen wollen. Da habe ich bei Ofran und auch bei Lee ein sehr gutes Gefühl.» Es sei Zufall gewesen, dass sich kein Schweizer Jugendlicher auf diese Lehrstelle gemeldet habe. Und gef lüchteten Menschen eine gleiche Chance zu geben, sei nur fair.


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