tierisch mitgehört(h)

  20.07.2021 Kolumne

Kleine Ursache

Susanne Hörth

Die Hochwasser-Situation der vergangenen Tage erinnerte mich an ein Ereignis Mitte der 1990er-Jahre. Vielmehr waren der nach einem Unwetter mit Wasser gefüllte Keller und Teile des Erdgeschosses im Haus meiner Mutter Auslöser für eine spätere Schmunzelgeschichte. Nach kräftezehrenden Aufräumarbeiten und wochenlangem Geräusch der Trocknungsgeräte kehrte endlich wieder Normalität ein. Den nächsten Besuch in meinem Elternhaus nutzte ich deshalb ganz entspannt, um mich wieder einmal an das alte Klavier zu setzen. Wie oft hatte ich mir als Kind gewünscht, die Tasten würden ihren Geist aufgeben und mir damit die perfekte Ausrede für meinen Klavierlehrer liefern. Wer kann schon üben, wenn das Klavier die Kommunikation verweigert?

Beim Hinunterdrücken der ersten Taste klang, etwas verstimmt zwar, aber doch gut erkennbar ein C, dann ein D. Doch dann tat sich weder beim E noch beim folgenden F etwas. Eine Oktave höher fehlte das fis, das G und das A. Hat sich mein Kindheitswunsch doch noch erfüllt, wenn auch viel zu spät? «Weisst Du», begann meine Mutter, als ich sie auf die stummen Tasten ansprach. «Seit dem Wasser im Keller öffne ich ständig alle Türen nach draussen, damit der modrige Geruch schneller verfliegt.» So weit war noch alles klar. Was aber hat das mit dem Klavier zu tun?

«Wahrscheinlich ist sie durch eine der offenen Türen reingekommen und hat es sich dann im Klavier gemütlich gemacht. Ich habe sie gefangen und anschliessend oben beim Wald wieder rausgelassen.» Nach einem tiefen Seufzer fügte meine Mutter dann an: «Für eine so kleine Ursache wird die Reparatur wohl ziemlich teuer.» Noch heute hoffe ich, dass sich die Maus an den Bändern und Filzen aus dem Instrumentenbauch nicht den Magen verdorben hat.


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote