Das Gemüse verfault trotz Sonnenschein

  27.07.2021 Laufenburg, Natur

Was der Regen auf den Feldern angerichtet hat

In diesem Jahr wird es kaum mehr Gemüse aus dem Fricktal in den Läden zu kaufen geben. Zu gross ist der Schaden, den die immensen Wassermassen im Kulturland angerichtet haben. Die NFZ schaute sich die Situation auf den Feldern von Gemüseproduzent Baur in Laufenburg an.

Simone Rufli

Die Sonne scheint, die Temperatur bewegt sich in Richtung 30 Grad. Hochsommer im Fricktal. Bilderbuch-Wetter. Auf den Feldern erntereifes Gemüse, das aus der Ferne betrachtet eigentlich recht gesund aussieht. Doch der Schein trügt. Für Matthias Baur, Betriebsleiter von Baur Gemüse an der Baslerstrasse in Laufenburg, ist der Sommer gelaufen. Für den Gemüseproduzenten gehört der Juli 2021 nicht ins Bilderbuch, sondern ins Geschichtsbuch: als Sommer mit dem grossen Ernteausfall. «Davon bin nicht nur ich betroffen. Es betrifft alle Gemüseproduzenten von hier bis ins Seeland. Und auch den Landwirten geht es nicht besser.»

Nasse Böden
Draussen auf dem Feld mit den Kopfsalaten zeigt Matthias Baur, was die heftigen Regenfälle von neulich mit seinen Kulturen gemacht haben. Er geht wahllos von einem Kopf zum anderen und hebt die Blätter an. Erst jetzt wird der Schaden sichtbar. «Die Böden sind so nass, dass die Feuchte von unten heraufsteigt und die Blätter verfaulen lässt. Die Graufäule, die sogenannte Botrytis, hat leichtes Spiel. Und das selbst jetzt, wo die Sonne richtig aufheizt. Wir können nur zuschauen, wie alles kaputt geht.» Anstatt zu ernten und den Lohn einzufahren für die wochenbis monatelange Hege und Pflege der verschiedenen Gemüse, sind die Erntehelfer damit beschäftigt, das Gelände nach einzelnen, noch verkaufbaren Gemüsen abzusuchen. In mühsamer Kleinarbeit und unter Zuhilfenahme von Kisten muss das Gemüse aus dem Feld getragen werden – «wir können wegen der Nässe noch nicht mit Traktoren auf die Felder fahren, weil wir den Boden sonst leicht bis in eine Tiefe von zwanzig Zentimeter verdichten». «Beim Lattich habe ich noch etwas Hoffnung, dass er die Nässe verkraftet und beim Eisbergsalat, weil dort nur der innere Kern in den Verkauf gelangt. Alles andere blättrige Gemüse ist verloren.» Nicht viel besser ergehe es den Tomaten im Gewächshaus. «Das eine Gebäude ist alt und weist einige Tropfstellen auf», erklärt Baur. Was in einem normalen Jahr nicht schlimm sei, erweise sich jetzt als Problem. Nester voller Wasser würden die ohnehin schon extreme Luftfeuchtigkeit noch verstärken. Emotional am schlimmsten sei der Schaden durch Hagelkörner, erklärt Baur. «Monatelange Pflege ist innert Minuten zunichte gemacht. Denn wenn Hagelkörner Schränze in die Blätter reissen, wird die Pflanze für Krankheiten anfällig, vergleichbar mit verletzter Haut beim Menschen.» Blumenkohl, Fenchel oder Zucchetti seien etwas weniger anfällig, «durch die Nässe sind aber auch sie nicht mehr lang haltbar und kommen deshalb nicht mehr für den Laden-Verkauf in Frage.» Selbst den Radiesli sei das Wasser zu viel. «Würden sie im Freien wachsen, würden sie jetzt platzen.»

Und darum wird auf den Feldern derzeit kaum geerntet. Dafür wird – sobald der Boden die Fahrzeuge wieder verkraftet – das verfaulte Gemüse zerstückelt und unter die Erde gebracht. Können wenigstens Neuanpflanzungen den Ausfall im Herbst etwas kompensieren? «Nein», wehrt Baur ab. «Es wird sicher eine Woche gehen, bis die Böden in einem Zustand sind, der Neuanpf lanzungen zulässt. Bereits jetzt ist es zu spät für so manches Lagergemüse. Ich baue keine Lagerwaren an, sondern nur Frischgemüse. Und zudem: Wer weiss schon, was das Wetter in dieser Zeit noch alles bringt?» Trotz des f lächendeckenden Ausfalls und der Tatsache, dass nur Hagelschäden und Schäden, verursacht durch Überschwemmungen infolge überlaufender Bäche oder Flüsse, versicherbar sind, will Matthias Baur nicht klagen. «Das ist unser Berufsrisiko», sagt er zum Abschied und macht sich wieder an die Arbeit.


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