«Ich gehe ganz offen auf die Leute zu…»

  07.07.2021 Möhlin, Persönlich

Godwin Ukatu wird neuer leitender Priester im Pastoralraum Möhlinbach

Fünf Jahre war er römischkatholischer Priester in seiner Heimat Nigeria, dann führte ihn seine Doktorarbeit nach Rom. 2019 kam Godwin Ukatu schliesslich als Priester in die Schweiz, wo er ab August nun den Pastoralraum Möhlinbach seelsorgerisch betreuen wird.

Birke Luu

Früher fuhren Missionare von Europa nach Afrika, um der dortigen Bevölkerung den christlichen Glauben näherzubringen. Heute hingegen herrscht bei uns akuter Priestermangel, so dass viele Schweizer Kirchgemeinden froh sind, wenn sie offene Stellen mit einem Geistlichen aus Afrika, Asien oder Lateinamerika besetzen können. «Es ist Realität, dass Schweizer Priester Mangelware sind und so in Zusammenarbeit mit dem Bischof auch passende Personen aus dem Ausland gesucht werden», erklärt Matthias Burkhardt, Präsident Vorstand Zweckverband Pastoralraum Möhlinbach. Und so kommt es, dass nun der nigerianische Priester Godwin Ukatu Nachfolger des scheidenden Andreas Gschwind wird. «Wir haben Godwin als sehr offen erlebt; das ganze Team freut sich auf ihn», strahlt Matthias Burkhardt und ergänzt: «Er hat neben Theologie auch Philosophie studiert und bei seiner früheren Arbeit sogar mit Finanzen zu tun gehabt. Solch breite Ausrichtung und Vielfalt sind eine starke Basis und super für uns.»

Gott gewinnt
Godwin Ukatu wurde vor 49 Jahren in Nigeria geboren. Unter den neun Geschwistern war er der älteste Junge und erhielt, um innerhalb der Familie einmal die Stelle seines Vaters einzunehmen, auch dessen Namen «Godwin», was «Gott gewinnt» bedeutet. «Ukatu» hingegen ist der Name seines Grossvaters und heisst so viel wie «die schlechten Pläne anderer werden dir nicht schaden». In Nigeria besitzen alle Namen eine Bedeutung und werden innerhalb der Familie weitergegeben.

Während sich seine Geschwister für andere Fächer entschieden, studierte Godwin Ukatu, passend zu seinem Vornamen, Theologie und Philosophie. Fünf Jahre lang arbeitete er als Priester im christlichen Süden von Nigeria. «In Nigeria ist man nicht gläubiger als in der Schweiz, aber man lebt den Glauben traditioneller. Der Glauben ist im Alltag wichtiger und es gehen mehr Menschen in die Kirche», versucht der zukünftige leitende Priester des Wegenstettertals einen der zahlreichen kulturellen Unterschiede zu erklären. Aufgrund des Kinderreichtums in seiner Heimat herrsche dort auch kein Priestermangel: «Während hier nur ein oder zwei Priester gleichzeitig geweiht werden, waren wir 33 in meiner Klasse!», lacht er. Dass nun viele afrikanische Priester in Europa arbeiten, sieht er ganz pragmatisch: «Wir helfen an genau dem Ort, wo dies gerade gebraucht wird.» Und mit Helfen kennt er sich gut aus, schliesslich hat er schon in Deutschland und den USA verschiedentlich als Priester in katholischen Gemeinden temporär ausgeholfen.

Niemand ist Gott
Godwin Ukatu kam erst vor zwei Jahren in die Schweiz, spricht und versteht aber schon sehr gut Deutsch, auch Mundart, was in seinem Beruf sehr wichtig ist. Der sprachlich Begabte spricht f liessend Englisch, da dies nigerianische Amtssprache ist, lernte im Studium Altgriechisch und Latein, des Weiterem während seiner Doktorarbeit in Rom Italienisch und Französisch. Von Rom aus machte er einen Ferien-Sprachaufenthalt in Deutschland, was ihm nun das Arbeiten in der Schweiz ermöglicht. Seine Muttersprache ist jedoch Igbo und auf Igbo ist auch sein zweiter Vorname Mmaduabuchi, der übersetzt «Niemand ist Gott» bedeutet. Godwin Ukatu nimmt diesen Namen, beziehungsweise dessen Ermahnung ernst. In Nigeria ist das vielleicht auch noch wichtiger als in der Schweiz, da in seiner Heimat der Priester alles in der Kirchgemeinde selbst leitet. «In der Schweiz hingegen gibt es einen Gemeindeleiter, die Kirchenpf lege und das Pastoralraum-Team, mit denen man zusammenarbeiten muss. Die Schweizer Kirche ist, genau wie die Schweizer Gesellschaft, demokratischer als in Nigeria.»

Eine harmonische Zusammenarbeit im Team ist dem Priester sehr wichtig, ja zentrales Anliegen. Er sei umgänglich und offen, möchte mit allen respektvoll zusammenarbeiten. Dazu gehöre hier auch das gemeinsame Arbeiten mit der Ökumene, die in Nigeria noch in den Kinderschuhen stecke, sowie natürlich mit den Gemeindegliedern. «Ich habe eine grosse Freude an den Menschen. Ich möchte ihnen die Möglichkeit geben, Gott zu treffen – in der Messe oder bei anderen Gelegenheiten, denn die Menschen leben ihren Glauben ganz unterschiedlich.» Godwin Ukatu ist sich der grossen kulturellen Unterschiede bewusst, nur Einzelnes könne man von Nigaria auf die Schweiz übertragen wie beispielsweise die starken familiären Bindungen: «Bei uns zu Hause waren wir mit Eltern und Geschwistern insgesamt elf Personen. Alle vertraten verschiedenen Einstellungen und Meinungen, aber letztendlich fanden wir immer eine gute Lösung, halfen und beschützen uns. Dies würde ich für meine Arbeit in der Pfarrei gerne als Vorbild nehmen.»

Die Pläne anderer werden dir nicht schaden
Wenn man römisch-katholischer Priester ist, spielt der zuständige Bischof eine grosse Rolle im Arbeitsleben, denn mit ihm wird geplant, in welche Pfarrei man als nächstes und für wie lange entsandt wird. In Nigeria damals schlug der Bischof Godwin Ukatu vor, in Rom Liturgie oder in den USA Wirtschaft zu studieren. Der Priester entschied sich für Rom, promovierte dort im Bereich «Liturgie».

Auch das Sammeln von Arbeitserfahrung in Europa sei mit seinem Bischof, diesmal in Rom, vereinbart worden. Eigentlich hätte er nach Deutschland gehen sollen, wo er auch schon aushilfsweise gearbeitet hatte, doch es kam anders: «Meine Mitbrüder in der Schweiz haben mich überzeugt, zu ihnen zu kommen», lacht Dr. Ukatu. Seine erste Zeit verbrachte er im Pastoralraum Region Brugg-Windisch, danach arbeitete er im Pastoralraum Pfaffnerntal-Rottal-Wiggertal. An beiden Orten habe er sehr gute Erfahrungen gemacht. «Die Leute waren am Anfang zwar zurückhaltend, sind mit der Zeit jedoch aufgetaut», resümiert er. Dies sei generell in Europa so, zunächst schaue man und lerne sich kennen, dann erst nähere man sich an. Dementsprechend lautet sein eigener Plan für den Beginn im Pastoralraum Möhlinbach: «Ich gehe ganz offen auf die Leute zu und warte ab, was sie brauchen und möchten!» Gelegenheit dazu bekommt er ab August. Am 22. August wird dann sein Begrüssungsgottesdienst für den ganzen Pastoralraum im Blockhaus Zeiningen stattfinden. Wie lange er in der Schweiz bleiben wird, bevor er dann wieder in seine Heimat zurückkehrt, weiss der Priester noch nicht. Er lacht. Schliesslich habe da ja noch sein Bischof ein Wörtchen mitzureden.


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