Rheinfelden medical

  25.06.2021 Gesundheit

Gesundheit: das Paradies auf Erden?

Dr. med. Hanspeter Flury, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, Chefarzt und Klinikdirektor

Für kranke Menschen gibt es keinen Zweifel: Weniger an der Krankheit zu leiden, geheilt zu werden, wieder gesund zu sein – das wäre für sie das Paradies auf Erden. Gesunde Menschen dagegen empfinden es nicht als paradiesisch, «einfach» gesund zu sein, sondern als selbstverständlich.

Zu «Paradies» fällt uns zuerst die biblische Geschichte von Adam und Eva ein. Im Paradies, im Garten Eden, dem Ort der Verwöhnung pur, wollten sie mehr als nur verwöhnt werden. Sie liessen sich von Verbotenem locken, assen entgegen dem göttlichen Verbot einen Apfel vom Baum der Erkenntnis und mussten dies mit der Vertreibung aus dem Paradies büssen.

Als paradiesisch bezeichnen wir in der Alltagssprache kurze wunderschöne, harmonische, friedliche Momente, die die Menschen erfüllen, manchmal aber auch Vorstellungen über eine bessere Zukunft, sei es im Leben, sei es nach dem Tod. Derartige Erfahrungen und Vorstellungen vermitteln uns Trost, Hoffnung und Zuversicht. Wir Menschen sind Hoffnungswesen, denen die Aussicht auf Besseres Kraft gibt, Schwieriges durchzustehen und uns für Besseres einzusetzen.

Für Kranke ist Hoffnung besonders wichtig. Doch manche psychische Krankheiten mindern Hoffnung ganz direkt, Hoffnung, die doch dann so nötig wäre: Depressionen rauben den betroffenen Menschen nicht nur Energie und engen den Blick auf Negatives ein; sie vermitteln auch quälende Gefühle von Hoffnungs- und Ausweglosigkeit und können so zu Verzweiflung und Suizid führen. Angstkrankheiten lassen Betroffenen vieles unüberwindbar schwierig erscheinen und blockieren im zielgerichteten, hoffnungsvollen Handeln. Suchtmittel vermögen kurzfristig unangenehme Gefühle bei Schwierigkeiten zu lindern, führen aber bei übermässigem Gebrauch zu Vermeidungen und zusätzlichem Leiden und mindern so die Möglichkeiten für hoffnungsvolle Veränderungen. Anderen psychischen Krankheiten liegen traumatische Erfahrungen zugrunde, die das Vertrauen Betroffener in andere und in ihrer Hoffnung auf ein gutes Leben tief erschüttert haben. Wieder andere psychische Krankheiten gaukeln Menschen irreale Hoffnungsversprechen vor, wie wenn sie das Paradies auf Erden zu schaffen wüssten: Überhöhte Ideale von Perfektionisten von sich selber und anderen führen zu Zwangskrankheiten, Essstörungen, Selbsthass, Beziehungsproblemen und Fanatismus.

Behandlung psychisch Kranker umfasst psychotherapeutische Gespräche mit ihnen und oft auch ihren Angehörigen, Medikamente und Unterstützung in der Bewältigung schwieriger Lebenssituationen. Dies hilft, Symptome zu lindern, Leiden zu verstehen und Veränderung und Entwicklung zu ermöglichen. Am Anfang jeder Behandlung steht es im Vordergrund, die Betroffenen in ihrer schwierigen Leidenszeit zu begleiten, Vertrauen aufzubauen und ihnen Hoffnung zu vermitteln. Psychische Krankheiten haben heute in der Regel eine gute Prognose und sollten darum frühzeitig und intensiv genug behandelt werden. Nicht um blinde Hoffnung also geht es in psychiatrischpsychotherapeutischer Behandlung, nicht um ein Paradiesversprechen – aber um Begleitung und Unterstützung auf dem Weg zu Linderung, Genesung und Entwicklung.

Im Sommer 2021 führen Flying Science und die Klinik Schützen Rheinfelden vier Veranstaltungen zum Thema «Paradies» durch, im Park des Hotels Eden Rheinfelden. Vier Referentinnen und Referenten werden dieses Thema aus verschiedenen Perspektiven fundiert, interessant und einfach verständlich beleuchten.


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