«Ich will beim Schreiben Bilder im Kopf erzeugen»

  12.06.2021 Möhlin

Sofia Chautems gewinnt Basler Schreibwettbewerb für junge Talente

Ende Mai fand die Preisverleihung des alljährlichen Basler Schreibwettbewerbs für Jugendliche vom Verein Basler Eule statt. Gewinnerin in der Jahrgangskategorie 2000 bis 2004: die 18-jährige Sofia Chautems aus Möhlin.

Birke Luu

«Beim Schreiben tauche ich gerne in neue Welten ein, bei denen man sich nie ganz sicher ist, ob sie nicht vielleicht doch real sind. Mich hat schon immer interessiert, welche Wirkung das geschriebene Wort auf Menschen hat.» Sofia Chautems ist 18 Jahre alt, in Möhlin aufgewachsen und geht auf ein Gymnasium in Basel. Sie spielt Geige, tanzt Hip-Hop, fotografiert und liest viel – sehr viel. Zudem hat sie ein Faible fürs Schreiben. Und dies schon seit sie als Kind in der Primarschule zusammenhängende Sätze zu Papier bringen konnte. «Geschichten erfinden ist für mich wie Velofahren, das geht ganz automatisch», lächelt sie. Als sie als Kind Bücher wie «Hanni und Nanni» oder «Die drei Ausrufezeichen» las und es ihr zwischen den Bänden zu lange ging, bis dann ein Nachfolgeband erhältlich war, hat sie sich kurzum selber überlegt, wie die Geschichte weitergehen könnte und das nächste Werk «noch vor der Autorin fertiggestellt». Hinzu kamen zu besonderen Anlässen Gedichte für ihre Mutter, Grossmutter und Gotti. «Sie handelten oft von Alltagsereignissen aus unserer Familie, sind mit spitzer Feder geschrieben und äusserst treffend», wie Sofias Mutter beeindruckt anmerkt. Sie erinnert sich noch an die ersten, fantasievollen und dennoch in sich logisch verknüpften Geschichten ihrer Tochter, die diese schon im Kleinkindalter erfunden habe. So zum Beispiel die Geschichte mit den Einhörnern: «Mama, weisst du warum es keine Einhörner mehr gibt? Weil Noah damals im Stress versehentlich zwei männliche Einhörner auf die Arche gebracht hat. Daher sind sie jetzt ausgestorben.»

Als Teenager ist Sofia Chautems inzwischen solcher Thematik entwachsen, sprich ihre Interessen sind mit ihr erwachsen geworden. «Wir Kinder vom Bahnhof Zoo», «Die Welle» oder «Der Schwarm» stehen ihr thematisch nun näher als geflügelte Fabelwesen. Dennoch: «Ich habe einen Hang zum nicht ganz Realen, verknüpft mit Alltagsgeschichten, die zum Teil etwas gruselig erscheinen können», versucht Sofia Chautems ihre heutigen Inhalte zu beschreiben – und spielt damit auch auf ihren Gewinnertext an.

Erster Wettbewerb, erster Preis
Vom Schreibwettbewerb für Jugendliche hatte sie letzten Frühsommer durch eine Rundmail ihrer Schule erfahren. Der Verein «Basler Eule» führt diesen alljährlich durch, um junge Leute zum Schreiben von Geschichten, aber auch Theaterstücken, Gedichten oder Reportagen zu animieren und ist der einzige seiner Art im Raum Basel. Bis dahin hatte die damals 17-Jährige noch nie an einem Schreibwettbewerb teilgenommen, hatte zunächst auch nur Zeit für ihre anstehenden Gymi-Prüfungen. Doch die Ausschreibung und der Titel des Wettbewerbs, zu dem passende Geschichten gesucht wurden, blieb irgendwie in ihrem Kopf verankert: «Die verschwundene Stadt» klang mysteriös und verlockend. In den Sommerferien schliesslich wagte sie sich an die neue Herausforderung, denn: «Eine Geschichte von Anfang bis Ende selbst und komplett neu zu schreiben – und diese auch noch einem breiten Publikum vorbringen zu dürfen, das habe ich so zum ersten Mal gemacht», strahlt sie. Sie klappte ihren Laptop auf und tippte los. Zweimal kam sie beim Schreibstart ins Stocken und verwarf alles. Beim dritten Mal geriet sie in einen Flow und spürte: «Das ist es, diese Geschichte reiche ich ein!»

In ihrer Kurzgeschichte geht es um den Kontrast zwischen dem oberirdischen und dem unterirdischen Leben in New York. Die junge Protagonistin Olivia ist mit der Subway unterwegs und erfährt während der Fahrt durch einen Unbekannten von einer neuen Zivilisation, die im Untergrund in den unzähligen Subway-Gängen lebt. Diese «Tunnelmenschen» hätten der oberirdischen Gesellschaft etwas voraus, eine Art Gespür für nahendes Unheil. Das Ende der Geschichte ist offen, lässt aber Gruseliges erahnen.

An der Preisverleihung, die online stattfinden musste, wurde Sofia Chautems in der Laudatio dafür gelobt, wie sie die Spannung durch den gesamten Text hindurch gekonnt aufrecht erhält. Kontrastreiche Beschreibungen, die Unsicherheit, inwieweit der Inhalt real sein könnte, und das offene Ende würden dazu führen, dass sich der Leser dem Text nicht entziehen könne.

Das passende Wort
«Ich habe aus Spass mitgemacht und wollte wissen, wie das so ist. Ich hatte nicht erwartet zu gewinnen», freut sich die Möhlinerin. Ihre Mutter betont: «Sofia hat das aus eigener Kraft geschafft, da kann sie wirklich stolz darauf sein.» Insgesamt beteiligten sich über 250 junge Autorinnen und Autoren zwischen 10 und 20 Jahren am Wettbewerb. Die besten Texte wurden wie üblich als Buch zusammengefasst und sind bereits im Handel erhältlich.

Mit einer Mischung aus Verlegenheit und Freude erzählt Sofia Chautems, dass aus ihrem Umfeld schon einige dieses Buch mit persönlicher Widmung haben wollten – denn ob es je ein Nachfolgewerk geben wird, steht noch in den Sternen geschrieben. «Ich will das Gymnasium in zwei Jahren beenden. Danach kann ich mir so etwas wie Germanistik vorstellen oder Filmschauspiel oder etwas ähnlich Kreatives.» Die genaue Ausrichtung sucht sie noch, doch sie weiss genau, das geschriebene Wort wird eine Rolle spielen. «Ich will Wörter leben, sie bewusst einsetzen!» Dabei merke sie genau, wenn ein Wort nicht passe, achte exakt auf solche Feinheiten. Ihre Mutter freuts und macht sich dieses Geschick gern zunutze. «Wenn mir mal ein treffendes Wort fehlt, frage ich meine Tochter, wie cool ist das denn!» Auch ein leicht schwarzer Humor gehört zum Schreibstil von Sofia, wobei sie diesen allerdings lieber für deskriptive Erzählungen einsetzt. «Ich beschreibe gerne Situationen äusserst detailliert, damit der Leser möglichst einfach in meine kreierte Welt eintauchen kann – genau wie im Film, wo durch das Heranzoomen einer Szene zuerst einmal im Vollbild die Dramaturgie der Geschichte gezeigt wird.» Solche Drehbücher und Regieanweisungen für Filme zu verfassen oder gar ein eigenes Buch, alles erscheint der Gymnasiastin möglich. Auch eine erneute Teilnahme am Basler Schreibwettbewerb. Momentan ist Sofia Chautems aber mal wieder im Prüfungsstress, das gehe vor. Bleibt also abzuwarten, ob ihr das diesjährige Wettbewerbsthema bis zu den Sommerferien im Kopf bleiben und sie zur neuerlichen Suche nach den passenden Wörtern inspirieren wird.


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