«Diesen Wunsch tragen doch die meisten in sich»

  05.06.2021 Frick, Gesundheit

Dank betreutem Wohnen daheimbleiben

Ambulant vor stationär – die Devise gilt heute nicht mehr nur im Spital. Auch ältere Menschen sollen so lang wie möglich in ihrem Zuhause bleiben. Das Pilotprojekt «Betreutes Wohnen in der Gemeinde» verfolgt dieses Ziel. Zentraler Punkt: der 24-Stunden-Pikettdienst der Spitex Regio Frick.

Simone Rufli

Noch fristet «Betreutes Wohnen in der Gemeinde» (BWG) ein Schattendasein. «Ungewollt», wie Projektleiterin Roberta Samero betont. Die NFZ traf sie und Jeannette Zumsteg, Leiterin Betreutes Wohnen und stellvertretende Geschäftsführerin im Verein für Altersbetreuung im oberen Fricktal (VAOF), um über die Erfahrungen aus bald einem Jahr Pilot-Projekt BWG zu sprechen. «Corona hat bisher verhindert, dass wir das Projekt im persönlichen Gespräch bekannter machen konnten.» So hätten zum Beispiel die Sozialdienste der Spitäler erst auf dem Schriftweg und entsprechend rudimentär Kenntnis von den neuen Möglichkeiten erhalten. «Jetzt, wo die Corona-Massnahmen gelockert werden, werden wir alles daransetzen, den Bekanntheitsgrad von BWG im persönlichen Kontakt zu steigern.»

Zeit gewinnen
Tatsächlich werde das Angebot bisher vorwiegend von Menschen genutzt, die bereits vor Projektbeginn im Juli 2020 auf die Dienste der Spitex angewiesen waren. «Die meisten Klienten sind nicht mehr so fit. Bei vielen braucht es eine schnelle Antwort auf die Frage, mit welcher Unterstützung sie weiter zu Hause bleiben können und nicht selten stellen wir fest, dass Angehörige von der Situation überfordert sind.» Mit individuellen Unterstützungsmassnahmen könnten viele ganz zu Hause wohnen bleiben. «Und auch in Fällen, wo sich ein Heimeintritt nicht vermeiden lässt, können wir wertvolle Zeit gewinnen, damit sich die Klienten an die neue Situation gewöhnen können.»

Sind Einsatzleitstelle und Spitex erst einmal im Besitz von Medikamentenlisten, Patientenverfügungen und anderen persönlichen Daten, können bei einem Notfall ohne Verzögerung die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Alle Klientinnen und Klienten, die am Pilot-Projekt mitwirken, erhalten auf Wunsch ein Hilferufgerät. «Beim Erstgespräch stellen wir oft fest, dass die Leute Angst haben vor dem Gerät», so Samero. «Darum erklären wir die Funktionsweise und leisten auch später jederzeit technischen Support. Dazu üben wir zusammen, den Notruf auszulösen.» Ist dieser ausgelöst, stellt die Notrufzentrale via Hilferufgerät eine Sprachverbindung zum Hilfesuchenden her. Je nach Beurteilung durch die Fachleute in der Zentrale rückt die Spitex aus oder gleich die Sanität. «Innerhalb von wenigen Minuten ist professionelle Hilfe vor Ort», versichert Roberta Samero. Auf Wunsch würden zusätzlich auch die Angehörigen umgehend informiert.

Gefühl von Sicherheit
Ob vorübergehend nach einem Spitalaufenthalt, als Sicherheit während der Nacht oder im Sinne einer langfristigen Betreuung – für Jeannette Zumsteg ist das Ziel, das mit BWG verfolgt wird, immer dasselbe: «Die Leute sollen länger daheimbleiben können. Diesen Wunsch tragen doch die meisten von uns in sich. Zudem soll durch den Ausbau der ambulanten integrierten Versorgung dazu beigetragen werden, die Gesundheitskosten zu stabilisieren.» Was es braucht, damit eine Person daheimbleiben kann, das wird von der fallführenden Institution abgeklärt. Reichen die baulichen Gegebenheiten am Haus? Geht es um finanzielle Fragen oder darum, ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln? «Die Rund-um-die-Uhr-Sicherheit ist ganz wichtig. Viele haben die Angehörigen nicht mehr in der Nähe. Und selbst wenn diese schnell erreicht werden können, ersetzt ihre Anwesenheit in der Regel nicht das Urteil von Fachleuten, um eine Notlage richtig einzuschätzen und entsprechend handeln zu können», stellt Roberta Samero fest.

Während die Spitex pflegerische Leistungen verrichtet und die Pro Senectute Beratung und Hilfe bei der Bewältigung alltäglicher Verrichtungen leistet, unterstützt der VAOF das Projekt im Bereich Hilferufsystem, Koordination und Organisation. Den Blick von aussen übernehmen Professorin Romy Mahrer Imhof und Professor Lorenz Imhof von der Nursing Science & Care GmbH. Ihre Aufgabe ist es, das Projekt wissenschaftlich zu begleiten, zu analysieren und auszuwerten. Dazu werden sie BWG-Kunden und ihre Angehörigen befragen und sich mit den involvierten Gemeinden und Institutionen (Spitex Regio Frick, Pro Senectute Aargau und VAOF) austauschen. «Die Zusammenarbeit ist toll, das Wohlwollen aller Stellen spürbar», stellen Samero und Zumsteg erfreut fest.

Die Spitex im Zentrum
Das Projekt BWG ist im letzten Juli mit fünf Gemeinden (Frick, Gipf-Oberfrick, Oeschgen, Oberhof, Wölflinswil) gestartet. Wittnau gesellte sich wenig später dazu. Wobei der Kreis der Gemeinden nicht zufällig ist. Es sind Gemeinden, die mit der Spitex Regio Frick eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen haben. Der Spitex kommt denn auch die zentrale Bedeutung zu. «So wertvoll die Angebote der Pro Senectue bezüglich der Alltagsstrukturen und gesellschaftlichen Aktivitäten sind, ohne 24-Stunden-Pikett der Spitex liessen sich Heimeintritte nicht hinausschieben», hält Jeannette Zumsteg fest. «Der 24-Stunden-Pikettdienst der Spitex Regio Frick macht dieses Projekt einzigartig.» Das Projekt ist auf drei Jahre ausgelegt. «Im Idealfall liegt bis in zwei Jahren ein pfannenfertiges Konzept vor, das weitergegeben werden kann», so Jeannette Zumsteg.

Kontakt und weitere Informationen zum BWG gibt es bei jeder der involvierten Stellen.


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