«Der Papierkrieg ist immer grösser geworden»

  09.06.2021 Persönlich, Wegenstetten

Seit 33 Jahren unterrichtet Christian Lang an der Sekundarschule in Wegenstetten

Damals, als Christian Lang 1988 als junger Oberstufenlehrer nach Wegenstetten kam, war noch vieles anders. Eine grosse Veränderung steht auch direkt bevor, nämlich der Wechsel nach Möhlin.

Janine Tschopp

«Ich hatte Glück, dass ich hier gelandet bin», sagt Christian Lang. Mit «hier» meint er die Schule in Wegenstetten, wo wir uns auch für das Gespräch treffen. Damals nach der Lehrerausbildung bewarb er sich an vier Orten. Von Wegenstetten erhielt er zuerst den Zuschlag. «Ich wusste nicht einmal, wo Wegenstetten liegt», lacht Christian Lang, der in Aarau aufgewachsen ist. Er erinnert sich gut daran, als er zum ersten Mal in das Fricktaler 1000-Seelen-Dorf «am Ende der Welt» fuhr. «Als ich in Schupfart angekommen war, dachte ich ‹Hier ist es›. Dann realisierte ich, dass ich bis Wegenstetten noch weiterfahren muss.»

Damals, als Christian Lang 1988 als Oberstufenlehrer in Wegenstetten anfing, gab es 35 Schülerinnen und Schüler aus Hellikon und Wegenstetten an der Sekundarschule. «Später kamen die Schülerinnen und Schüler von Zeiningen und Zuzgen dazu, und zu einem noch späteren Zeitpunkt diejenigen von Möhlin», beschreibt Lang.

Von der Kantonsschule Aarau, der Höheren Pädagogischen Lehranstalt in Zofingen und der Universität in Neuenburg war Christian Lang bis zum damaligen Zeitpunkt das Leben in Städten gewohnt. Als er direkt von seinem Sprachaufenthalt in Neuenburg nach Wegenstetten zog, hatte er dennoch keine Mühe. «Mir gefiel das Ländliche, weil ich es vorher nicht gekannt habe.»

Interessiert an Sprachen und Kulturen
«Ich schäme mich, dass ich die geläufigen Sprachen nicht alle kann», sagt Christian Lang. Damit stapelt der Lehrer sehr tief. Mit «geläufig» meint er Sprachen wie zum Beispiel Englisch, Spanisch oder Italienisch. Englisch war doch Teil der Maturprüfung, die er damals im Typus B abschloss? «Ja, das habe ich knapp überlebt», schmunzelt er, «aber ich spreche nach wie vor nicht gerne Englisch.» In seinem Repertoire hat er Sprachen wie Französisch, Russisch, Ungarisch und Latein. «Es sind nicht nur die Sprachen, die mich interessieren, sondern auch alles, was dahintersteckt.» Auch hier ist es das Fremde, was ihn reizt. So lernte er beispielsweise Russisch an der Kantonsschule, da die Absolventen dieses Freifachkurses eine Abschlussreise nach St. Petersburg machen durften. «Und Ungarisch lernte ich damals, als ich eine Freundin mit ungarischen Wurzeln hatte.»

Neben Deutsch und Französisch unterrichtet er in Wegenstetten derzeit Physik, Geschichte, Geografie und Zeichnen. Nach den Sommerferien wird er in Möhlin anstelle von Geschichte und Geografie die Fächer Biologie und Chemie unterrichten. «Ich mag die Abwechslung», antwortet er auf die Frage nach seinem Lieblingsfach. Er überlegt. «Mathematik gebe ich sehr gerne, obschon ich selber nicht der beste Mathematik-Schüler war.» Als er selber Schüler war, gehörte Geschichte zu seinen Lieblingsfächern.

«Wir können uns nichts vorwerfen»
Da Wegenstetten den Oberstufenstandort verloren hat (die NFZ berichtete), wird Christian Lang, so wie einige seiner Kolleginnen und Kollegen, nach den Sommerferien in Möhlin unterrichten. «Wir können uns nicht vorwerfen, dass wir nicht alles probiert hätten», sagt er zu dieser Thematik. Erfreulich sei, dass alle Lehrpersonen, die aktuell in Wegenstetten unterrichten, eine neue Stelle gefunden haben. «Jetzt ist es so wie es ist. Es ist unnötig, jetzt noch Energie aufzuwenden für etwas, das nicht mehr zu ändern ist. Es ist viel besser, wenn wir unsere Kräfte für anderes einsetzen.» Er habe jetzt die Chance, etwas Neues kennenzulernen. Der 57-Jährige schaut positiv in die Zukunft und sagt, dass die neue Situation sicher auch Gutes bringe. «Auf eine Art freue ich mich», sagt er. Am Unterrichten an sich verändere sich aufgrund des Wechsels nichts. Neu sei die Grösse. Es werde sicher interessant, sich in diesem grossen Kollegium von zirka 60 Lehrpersonen zu organisieren. In der Oberstufe in Wegenstetten unterrichten derzeit zehn Lehrerinnen und Lehrer.

Immer mehr «Papierkrieg»
Dass er sich damals für den Lehrerberuf entschieden hatte, habe er nie bereut. Es habe ihm immer sehr gut gefallen, in Wegenstetten zu unterrichten. Interessant sei, wie sich die Schüler und Schülerinnen in den drei Jahren, in welchen er sie als Lehrer in der Oberstufe begleiten durfte, entwickelten. Beim Unterrichten an sich spürte er in den letzten drei Jahrzehnten keine grosse Veränderung. Eine Veränderung, die ihm aber auffällt: «Der ‹Papierkrieg› ist im Laufe der Zeit immer grösser geworden.» Das stört ihn. «Heutzutage muss man aufpassen, dass man seine Ressourcen fürs Unterrichten und nicht für den ‹Papierkrieg› einsetzt.»

Es ist ihm bewusst, dass man als Lehrer nicht nur eine Rolle bei den Schülerinnen und Schülern spielt, sondern bei der ganzen Bevölkerung. «Man ist eine Person des öffentlichen Interesses.» Man exponiere sich als Lehrer. Das sei vielen Menschen, die frisch in den Lehrerberuf einsteigen, zuerst nicht bewusst. Wichtig findet er, dass man als Lehrer Interesse zeige. «Das kann man zum Beispiel tun, indem man sich bei Anlässen rund um die Schule engagiert.» Was dem Lehrer auch sehr Spass macht ist, mit den Kindern Theater zu spielen.

Für Christian Lang, der von 1988 bis 1995 in Wegenstetten wohnte und seither in Möhlin lebt, war es auch immer selbstverständlich, in seiner Freizeit Interesse für die Gesellschaft und die Region zu zeigen. So engagierte er sich zum Beispiel im Vorstand des STV Wegenstetten, im OK «Sommernachtsfest» und als Leiter in der Jugi Wegenstetten. Weitere Hobbys sind Orientierungslauf, Theater, Film und Literatur.

Was die nahe Zukunft anbelangt, geniesst der Oberstufenlehrer noch die letzten vier Wochen an der Schule in Wegenstetten und schaut gespannt auf einen neuen Abschnitt.


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