«Wer wünscht sich keine Schweizer Verhältnisse?»

  07.05.2021 Fricktal

Die Deutschen nehmen die Rückkehr der Einkaufstouristen unterschiedlich auf

Geimpfte Schweizer dürfen wieder in Deutschland einkaufen. Den deutschen Detailhandel freuts – die deutschen Kunden nicht unbedingt.

Boris Burkhardt

Jürg Steppacher (68) aus Füllinsdorf ist am 22. April zum zweiten Mal geimpft worden; am 28. April war er erstmals seit dem 20. Dezember wieder in Deutschland einkaufen. «Schön, dass wir wieder rüberkommen können. Wir haben es vermisst», sagt er und räumt die Einkäufe auf den Discounter-Parkplätzen in der Güterstrasse in Badisch Rheinfelden ein, während seine Frau im Auto wartet. Seit dem 19. April ist es Schweizern, die vollständig geimpft sind, wieder erlaubt, auch ohne triftige Gründe nach Deutschland zu kommen und einzukaufen.

Freilich gilt das nur für jene Läden, die nach den sich ständig ändernden Corona-Regeln in Deutschland offen haben: In Badisch Rheinfelden und Bad Säckingen ist das derzeit nur der «systemrelevante» Einzelhandel. Das wusste Steppacher nicht; aber Drogerie und Apotheke, wo er einkaufen wollte, haben zum Glück offen: «Wie sehr wir darauf angewiesen sind, merken wir erst, wenn wir keinen Zugang mehr haben.»

Eine 30-jährige Mutter zweier Kinder aus Wehr findet es nicht in Ordnung, dass die Schweizer Einkaufstouristen schon wieder kommen dürfen. Sie habe deren Hamsterkäufe und lautstarkes Verhalten in den Läden nicht vermisst. Darauf angesprochen, dass der deutsche Einzelhandel aufgrund der fehlenden Schweizer Kundschaft schon bis zu 50 Prozent weniger Waren ordert, gibt sie allerdings zu, dass das Sortiment bei Aldi und Lidl im Non-Food-Bereich tatsächlich stark abgenommen habe. Und neidisch ist sie auf die Schweizer wohl auch etwas: Jedenfalls kann sie den andauernden Lockdown in Deutschland nicht mehr unterstützen. Vor allem den Kindern schade die kontaktarme Eintönigkeit zu Hause.

Auch Pedro (37) aus Badisch Rheinfelden hätte lieber Schweizer Zustände in Deutschland. Er ist allerdings skeptisch, dass Schweizer wieder zum Einkaufen kommen dürfen, weil er nicht glaubt, dass die Impfungen eine Ansteckung hundertprozentig verhindern. Eine junge deutsche Dame bringt ihren Ärger über den deutschen Lockdown deutlich zum Ausdruck und fragt rhetorisch, wer sich keine Schweizer Verhältnisse wünsche. Der 59-jährigen Cornelia Schocke aus Badisch Rheinfelden hingegen gehen die deutschen Massnahmen nicht weit genug: Sie habe noch keine Chance gehabt, sich impfen zu lassen, und frage sich, wer kontrolliere, ob tatsächlich nur die geimpften Schweizer kommen. Der Einkauf sei wesentlich angenehmer ohne Schweizer Kunden, sagt sie; als Verwaltungsangestellte einer Metzgerei wisse sie andererseits selbst, wie sehr der Einzelhandel unter dem Ausbleiben derselbigen leide.

Eine 42-jährige Mutter dreier Kinder aus Badisch Rheinfelden hat prinzipiell Verständnis für die strengeren Massnahmen in Deutschland, findet es aber gut, wenn die Staaten verschiedene Wege ausprobieren: «Die Zukunft wird zeigen, welcher Weg erfolgreicher war.» Sie hat sich ausführlich mit den Regelungen zum Grenzübertritt beschäftigt, denn ihr Mann und ihre Kinder wohnen im Schweizer Rheinfelden. Auch die Kinder dürften sich maximal drei Tage am Stück in Deutschland aufhalten, wenn sie zum Beispiel ihre Grosseltern am Bodensee besuchten. Auf der Suche nach Auskünften zu den geltenden Regeln sei sie zwischen Bundespolizei, Gesundheitsamt und Ordnungsamt hin- und her verwiesen worden.

Tatsächlich ist es Aufgabe der deutschen Bundespolizei und der kommunalen Ordnungsämter, den legalen Aufenthalt der Schweizer in Deutschland zu überprüfen. In Schmidts Markt in Bad Säckingen kontrolliert das Ordnungsamt auch regelmässig, wie die Stellvertretende Marktleiterin Julia Hierholzer der NFZ bestätigt. Seit etwa einer Woche kämen vermehrt Schweizer Kunden, eher im Alter ab 60: «Überrannt werden wir aber noch nicht.» Schmidts Märkte habe in den Sozialen Medien auf die neuen Regeln für geimpfte Schweizer Kunden hingewiesen.


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