Von der OASE zur Schwarzen Liste

  06.05.2021 Aargau

Bericht aus dem Grossen Rat

Eine vielfältige Traktandenliste erwartete die Grossrätinnen und Grossräte, welche nach über einem Monat endlich wieder in Spreitenbach tagten.

Wissbegierig stellten sie viele Fragen: über fehlende Arbeitsinspektoren und -inspektorinnen, die Gefahren des politischen Islams, die Konsequenzen aus der Home-Office-Praxis, Gewässerschutzprogramme, Hauskatzen, schu lärztl iche Vorsorgeu ntersuchungen, Quarantäneregeln im Kanton Aargau und vieles mehr. Spannende Themen und spannende Antworten, zu denen die Fragenstellenden mal mehr und mal weniger entspannt reagierten.

Daneben wurden auch andere Geschäfte behandelt, welche die Debattierlust des Gremiums weckten: Den zusätzlichen Finanzhilfen für die Wirtschaft, welche wegen der Corona-Pandemie nötig sind, wurde kommentarlos zugestimmt. Immerhin in diesem Punkt herrschte Einigkeit.

Mehr zu diskutieren gab anschliessend das Grossprojekt OASE (Regionales Gesamtverkehrskonzept Ostaargau). Die Notwendigkeit der Zentrenentlastung von Brugg und Baden war überfraktionell unbestritten. Auch über die Priorisierung des öffentlichen und des Langsamverkehrs war man sich einig. Hingegen schieden sich die Geister an der Festsetzung der Planung Brugg-Windisch im Richtplan. Die Sorge ist gross, dass mit dem OASE-Projekt Mehrverkehr generiert würde. Die Region Siggenthal befürchtet, dass wohl die Stadt entlastet, sie dafür aber mehrbelastet würde. Schliesslich erlangten die Anpassungen an den Richtplan eine Mehrheit. Das Gesamtverkehrskonzept OASE hat somit eine weitere Hürde genommen.

Wenig Oasen der Stille hatte und hat seit über einem Jahr das Gesundheitspersonal. Ein Postulat, welches die Prüfung eines Gesamtarbeitsvertrags für das Gesundheitswesen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen verlangt hätte, also nichts weiter als ein Prüfungsauftrag, wurde abgelehnt, obwohl der Regierungsrat dieses Anliegen hätte entgegennehmen wollen. Die Feststellung, dass an vielen Orten gute Arbeitsbedingungen herrschten, ist bestimmt richtig, aber wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten. Und damit wären wir bei der sogenannten Schwarzen Liste, welche ebenfalls eine längere Debatte in Gang setzte. Die Motion wollte, dass säumige Versicherte von der Liste gestrichen würden. Dies käme der Behebung eines sozialen Missstandes gleich und hätte eine Halbierung dieser Liste zur Folge. Die Linke, welche letztere ganz abgeschafft haben wollte, wurde sodann lauthals gescholten, sie verhindere die Optimierung der «Schwarzen Liste». Niemand aber fragte indes auf der anderen Ratsseite nach, weshalb denn nicht gegen die Überweisung und das Aufweichen der «Schwarzen Liste» eingetreten worden sei. Die Erklärung gab Regierungsrat Jean-Pierre Gallati selbst: Das Gesetzgebungsverfahren dauere noch zwei bis fünf Jahre; zudem sei die Umsetzung der von den Motionärinnen und Motionären geforderten Unterscheidung zwischen zahlungsunwillig und zahlungsunfähig gesetzestechnisch schwierig umzusetzen. Fazit: Die «Schwarze Liste» gehört 2022 abgeschafft. Der Bund wird dies nun wohl für uns erledigen müssen.


KOMMENTAR

Atemlos

Die Corona-Pandemie hält uns in Atem und raubt ihn uns auch bisweilen. Heute war dies der Fall, heute, als ein Postulat, also ein Prüfauftrag, zum Erstellen eines Gesamtarbeitsvertrages (GAV) für alle Angestellten im Gesundheitswesen hätte überwiesen werden sollen. Eine Harmonisierung hätte es werden sollen, in erster Linie nur eine Prüfung, ob ein solches Ansinnen umsetzbar wäre. Der Regierungsrat hätte das Postulat mit Erklärung entgegengenommen, was die Gemüter ganz offensichtlich dermassen erregte, dass das Geschäft versenkt wurde. Danach blieb mir der Atem weg. Zweifelsohne gibt das Pflegepersonal seit über einem Jahr sein Bestes, arbeitet schier pausenlos – im Dienste der Allgemeinheit – für uns. Viel wurde geklatscht und gelobt. Das soll nun offensichtlich genügen.

Jawohl, es gibt GAVs in Kantonsspitälern, aber es gibt sie nicht überall. Dass unser Parlament nicht einmal bereit ist, eine Vereinheitlichung zu prüfen, welche die Arbeitsbedingungen für «systemrelevantes» Personal verbessern könnte, macht mich sprach- und atemlos.

COLETTE BASLER, ZEIHEN


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