Gerettet, um dann getötet zu werden

  06.05.2021 Kaisten

Weil es das Schweizer Gesetz so vorschreibt, hatte Frischling Josie keine Chance

Grenzwächter brachten zu Wochenbeginn ein frischgeborenes Wildsäuli auf den Tierlignadenhof in Kaisten. Er war ihnen als Unterbringungsort empfohlen worden. Am Mittwoch holte der zuständige Wildhüter Schweinchen Josie dort mit dem Auftrag ab, es zu töten.

Susanne Hörth

«Drei Grenzwächter haben das Wildsäuli am Montag an einem Waldrand gefunden», erzählt Stefanie Sutter. Der erst wenige Stunden alte Frischling lag in einem Zurzibieter Jagdgebiet unterhalb eines Abhanges. «Die Männer haben sich noch umgeschaut und nach der Bache gesucht. Aber leider vergebens», so Stefanie Sutter, die zusammen mit ihrer Schwester den Tierlignadenhof in Kaisten führt. Behutsam hätten die Grenzwächter dann das Wildschweinbaby in ein Tuch gepackt und es trockengerieben. «Unser Hof wurde ihnen als Unterbringungsort angegeben», sagen die beiden Schwestern. Stefanie Sutter fügt an: «Als sie uns die Kleine brachten, hat es mir fast das Herz zerrissen. Ich musste ihnen doch sagen, dass wir sie nicht nehmen dürfen. Wir würden uns strafbar machen.»

Das Gesetz verbietet nicht nur die Haltung von Wildtieren, sondern verlangt auch die Meldung von aufgefundenen Wildtieren bei den zuständigen Stellen. Die drei Grenzwächter versprachen, es mit dem kantonalen Amt für Jagd und Fischerei zu klären und schnellstens Bescheid zu geben. Noch am gleichen Tag dann ein Aufatmen. Josie, das kleine Säuli, darf vorerst bis Freitag auf dem Tierlignadenhof bleiben. «Bis man eine Lösung für sie gefunden hat.» Stefanies Sutters Stimme wird von einem Schluchzen unterbrochen. «Am Mittwoch stand dann der Jagdaufseher des betroffenen Gebietes vor unserer Türe und sagte, er nehme Josie mit, um sie zu töten.»

Keine Chance
Das putzmuntere, quirlige Schweinchen hatte zu diesem Zeitpunkt die Herzen aller auf dem Tierlignadenhof bereits erobert. Es seinem Schicksal überlassen, was laut geltender Schweizer Gesetzgebung

seinen Abschuss bedeutet, war für alle kaum fassbar. Dass dem jungen Tier keinerlei Chance auf ein Weiterleben gegeben wird, ist für die Zwillingsschwestern Sutter nicht nachvollziehbar. Sie kontaktierten ebenfalls den Anwalt des Tierlignadenhofs. Eine Begründung für die nicht erteilte Bewilligung für den Verbleib von Josie auf dem Tierlignadenhof war laut den Schwestern Sutter, man wolle nicht, dass private Institutionen Wildtiere aufziehen und halten.

«Für uns wäre auch absolut in Ordnung gewesen, wenn Josie an einen anderen Ort gebracht worden wäre, wo man für sie schauen und später wieder auswildern kann», betont Stefanie Sutter. Sie verweist hierbei auch auf Deutschland. Im nur wenige Kilometer von Kaisten entfernt liegenden Nachbarsland werden aufgefundene Wildtiere, die sich nicht selbst helfen können, in entsprechende Auffangstationen gebracht. «Josie hätte es gut bei uns gehabt», ist Stefanie Sutter überzeugt. Die ausgebildete Wildtierpf legerin weiss, wovon sie spricht. Denn auf dem Tierlignadenhof lebt seit 13 Jahren das Wildschwein Joker. «Er hat seinen Stall und wenn er will einen Auslauf von zwei Hektaren Land.»

In den sozialen Medien sorgt der Beitrag des Tierlignadenhof-Teams für sehr viele Emotionen. Gegen 12 Uhr am Mittwoch war der Kurzfilm mit Säuli Josie an die 60 000 Mal angeklickt worden. Für das Schweinchen gab es trotzdem kein Happy End.


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