«Wer ein Dorf spalten will, plane Windräder»

  18.05.2021 Oberhof

Wandern mit Gegnern, Fragen an Befürworter

Die mit 25 Millionen Franken veranschlagte Anlage Windpark Burg mit insgesamt fünf Windrädern von je 150 Meter Höhe – eines in Oberhof, vier im benachbarten solothurnischen Kienberg – teilt die Menschen in der Region seit bald 12 Jahren in zwei Lager. Die NFZ begleitete Gegner auf ihrer Wanderung durch das Gebiet und erkundigte sich bei Befürwortern nach dem Grund für ihr Schweigen.

Simone Rufli

All die Massnahmen zur Waldrandaufwertung, sie würden zunichte gemacht, warnt Werner Habermacher, 40 Jahre lang Förster in Wölflinswil. Seit zwei Jahren ist er im Ruhestand und schon viele Jahre Präsident des Vereins Pro Burg, der sich gegen die Windkraftanlage stemmt. Am letzten Donnerstag führte Habermacher eine Gruppe von 17 Personen – 15 davon Gegner und zwei Unentschlossene – auf einer Wanderung zu den fünf Standorten des geplanten Windparks Burg.

Während die zwei Unentschlossenen lieber Alternativen auf dem Tisch haben möchten, bevor sie Nein sagen, genügt den Gegnern fürs Erste die Liste negativer Auswirkungen. Die Jagdgebiete zahlreicher Tiere würden bedroht durch den Riegel von fünf Windrädern, sagt Habermacher. Dass nur gerade zehn Vögel pro Jahr den Rotorblättern zum Opfer fielen – «das will uns die Vogelwarte Sempach glauben machen. Wir glauben das nicht.» Das alles entscheidende Argument gegen diese Windräder im Gebiet Burg sei aber der Quellschutz. «Niemand kennt die Fliesswege unserer Quelle oben auf der Burgmatte genau. Wir haben hier in Oberhof eine autonome Quelle, wir sind in keinem Wasserverbund. Was machen wir, wenn im Zuge der massiven Terrainveränderungen, die für den Bau der Fundamente und Zufahrtsstrassen nötig sind, unser Trinkwasser verunreinigt wird?»

Wasser und Sonne anstatt Wind
Der Eingriff in ein Naherholungsgebiet von unschätzbarem Wert für eine relativ geringe Energiemenge, die mit der Flatterenergie Windkraft gewonnen werden könnte – «das macht einfach keinen Sinn», sagt Habermacher und Alt-Nationalrat Peter Bircher meint: «Im Aargau gibt es 15 Flusskraftwerke, würde man alle modernisieren, könnte wesentlich mehr Energie aus den bestehenden Anlagen herausgeholt werden.»

Und dann das Potential der ungenutzten Dachf lächen. «Warum treibt man die Solarenergie nicht viel zügiger voran?» Werner Habermacher beantwortet seine Frage mit einer rhetorischen. «Wenn jeder seine eigene Energie produziert, womit wollen dann die Energieunternehmen ihr Geschäft machen?» Eine hohe Einspeisevergütung schaffe falsche Anreize, Geschäftsinteressen stünden alternativen Lösungen im Weg, Zahlen würden gebeugt, Studien geheim gehalten, so die Meinung der Gegner.

Mit den Einsprachen wolle man deshalb auch die Offenlegung von Zahlen und Studien erzwingen. Und nein, der Verein selber sei nicht einspracheberechtigt. «Dafür gibt es uns zu wenig lang.» 163 Vollmachtgeber und viele Geldspenden würden es aber möglich machen, dass mehrere Einsprachen zusammenkommen werden. Ein Einsprecher wird der Wasserverband Oberhof-Wölflinswil sein.

Um das Verfahren wie geplant bis vor Bundesgericht durchziehen zu können, benötigt der Verein nach eigenen Angaben über 100 000 Franken. «Sind die Einsprachen gegen das Baugesuch eingereicht, machen wir uns deshalb umgehend wieder auf Geldsuche, diesmal für den Weiterzug an den Regierungsrat.»

Befürworter warten zu
Während die Gegner des Windparks ihre Überzeugungen aktiv unters Volk zu bringen versuchen, bleiben die Befürworter der Windkraftanlage auffallend still. Von der Vereinigung «Ja zum Windpark Burg» hört man zurzeit nichts. Die NFZ wollte wissen, warum das so ist und fragte nach.

«Für uns besteht zum jetzigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit, aktiv zu werden», erklärt Christian Zurbrügg am Telefon. «Die nächsten Schritte sind mit der nun erfolgten Veröffentlichung des Baugesuchs vorgegeben. Mehrere Einsprachen sind angekündigt. Auf die Abstimmung hin werden wir dann schon noch aktiv werden.»

Zurbrügg geht davon aus, dass sich eine Mehrheit der Bevölkerung bewusst ist, dass auf das im 2017 erfolgte Ja zur Energiestrategie 2050 und zum besiegelten Ausstieg aus der Atomenergie auch entsprechende Taten folgen müssen. «Am Ende geht es nicht darum, ob uns solche Anlagen gefallen oder nicht. Es geht darum, dass wir sämtliche alternativen Möglichkeiten Energie zu gewinnen in Betracht ziehen müssen und auch deren Umsetzung angehen müssen. Unser Bedarf an Strom sinkt nicht, sondern er steigt kontinuierlich.» Dabei komme man als Gesellschaft nicht darum herum, gewisse Sachen in Kauf zu nehmen. «Ob Windräder schön sind oder nicht, darüber kann man diskutieren. Genauso wie über höhere Staumauern. Windräder werden aber nicht aufgestellt, weil sie schön sind, sondern weil sie nötig sind.»

Zurbrügg ist überzeugt, dass die Meinungen zum Projekt Burg weitgehend gemacht sind. «Die Gegner können wir nicht bekehren. Es ist jahrelang diskutiert worden und wenn behauptet wird, dass ein paar Windräder nichts bringen, weil sie nur wenig Strom produzieren, dann halten wir dem entgegen, dass jedes Windrad zur Energie-Wende beiträgt. Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit der Leute sich bewusst ist, dass es ein Zusammenspiel der verschiedensten Energiegewinnungsformen braucht.» Wie hat es Werner Habermacher auf der Wanderung formuliert: «Wer ein Dorf spalten will, plane Windräder.»


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