Mit Unsicherheiten leben lernen

  25.02.2021 Fricktal

Seit genau einem Jahr wissen wir, was Corona heisst. Und in diesen zwölf Monaten haben wir gelernt, was Covid-19 für uns alle bedeutet. Wir haben viel gelernt über das Virus und wie wir uns im Kampf dagegen verhalten sollten. Wir haben aber auch erfahren, wie viel wir nicht wissen. In unserer hochentwickelten Welt, gerade in der fortschrittlichen Schweiz, sind wir an Grenzen gestossen. Grenzen, die uns aufgezeigt haben, dass auch wir und unsere Gesellschaft verwundbar sind.

Ein plötzlich auftauchendes Virus bringt alles durcheinander. Keine Versicherungspolice und keine Krankenversicherung können uns dabei umfassend helfen. Wie war es vor einem Jahr? Wir hatten keine Desinfektionsmittel, keine Masken, wir durften uns nicht mehr treffen, keine Hände schütteln, geschweige denn umarmen. Home-Office und Home-Schooling waren plötzlich angesagt und die wenigsten digital gut genug vorbereitet. Eine Pandemie, eine wahrhafte Krise hatte uns überraschend erreicht. Uns, die Schweiz, wo doch alles immer so gut funktionierte. Genau und pünktlich, wie die Schweizer Uhren und die Züge.

Seit über 75 Jahren, seit dem Zweiten Weltkrieg, haben wir Schweizer keine wirklich grosse Krise mehr erleben müssen – zum Glück. Kein Wunder also, dass wir alle überfordert waren. Denn wir hatten verlernt, wie wir mit einer Krise umgehen müssen, wie wenig überhaupt noch steuerbar ist und in wie vielen Bereichen man einfach mitgerissen wird.

In einer Krise ist auf längere Frist wenig planbar. Schnelles Handeln, Schritt für Schritt, ist wichtiger und zielführender, als langes Abwarten und Planen. Handeln, welches sich im Moment als richtig erweist, kann sich jedoch im späteren Verlauf, wenn sich Dinge überraschend wieder ändern, auch als halbrichtig oder falsch herausstellen. Entscheidend ist dabei, dass man das Ziel nie aus den Augen verliert und Entscheidungen schnell korrigiert, sobald man mehr weiss. Wichtig ist jedoch auch zu akzeptieren, dass man in einer Krise vieles gar noch nicht wissen kann und daher zuweilen auch überfordert ist.

Heute hört man viele Menschen lamentieren: Warum hatte der Bund keine Desinfektionsmittel und Masken an Lager? Warum waren die Spitäler überlastet? Warum gab es nicht genügend Beatmungsgeräte? Warum sind die Läden immer noch geschlossen, warum die Restaurants? Warum gibt es nicht genug Impfstoffe? Warum wollen sich einige nicht impfen lassen? Warum gibt es zu wenig finanzielle Unterstützung? Warum soll der Staat wirklich so viel Geld ausgeben? Warum entscheidet der Bundesrat so selbstherrlich und allein? Oder umgekehrt, warum entscheidet der Bundesrat nicht und lässt die Kantone einfach machen? Schwierige Entscheidungen – Fragen über Fragen – Besserwisser und Unzufriedenheit überall.

Doch im Grunde genommen zeigt uns dies alles eines ganz deutlich: Wir müssen das Ungewisse einer Krise, unser Nicht- oder (Noch-) Nichtwissen akzeptieren. Wir müssen wieder lernen, damit umzugehen und uns auf Unsicherheiten einstellen. Am besten rechnen wir weiterhin mit dem Unerwarteten, handeln aber mit Vernunft und einer gewissen Gelassenheit, um wenigstens das positiv zu beeinf lussen, was wir tatsächlich auch können.

Aus wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Perspektive ist es ein grosser Glücksfall, dass Impf-Spezialisten auf der ganzen Welt in so kurzer Zeit gut funktionierende Impfstoffe entwickelt haben, welche in absehbarer Zeit auch in ausreichendem Masse für alle zur Verfügung stehen werden. Haben wir also grosses Verständnis für die besonderen Umstände, haben wir noch etwas Geduld und freuen wir uns dafür schon jetzt und umso mehr auf die Nach-Corona-Zeit!


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