Als «Haffenklopfen, Mummereyen und das Überlouffen verbotten» waren

  12.02.2021 Laufenburg, Tradition

Die Laufenburger Fasnacht trotzte manchem Verbot

Ein Blick ins Archiv der Narro-Alt-Fischerzunft 1386 Laufenburg zeigt, schon manchen Generationen vor uns wurden die Fasnachtsfreuden vorenthalten. Mal wegen Krankheiten, mal wegen kriegerischen Auseinandersetzungen und auch schon aus Mangel an Interesse.

Felix Klingele, Ehrenzunftmeister

«Nichts Neues in der Welt!» – Fast ist man versucht achselzuckend das Zitat von Harry S. Truman zur Kenntnis zu nehmen und zurück zur (eingeschränkten) Tagesordnung zu gehen. Es ist nämlich nicht das erste Mal, dass in Laufenburg die Fasnacht ausgefallen ist. Lange vor Corona gaben gesundheitliche Krisen und kriegerische Ereignisse Anlass zur Verhängung von Fasnachtsverboten. Im Spätmittelalter die Pest, vor hundert Jahren die Spanische Grippe, heute die Covid-19 Pandemie.

In diesem Jahr ist die Fasnacht zwar nicht gänzlich verboten, aber es können keine Veranstaltungen organisiert und abgehalten werden. Die Wirtschaften sind geschlossen, keine Schnitzelbänke, kein Guggen-Open-Air, kein Häxefüür mit Nachtumzug, kein Umzug am Fasnachtssonntag, kein Kinderball, kein Narrolaufen, keine Böögg-Verbrennung. Keine Tschättermusik? Doch, die gab es trotzdem. Nach dem Motto, wir lassen uns die Fasnacht nicht wegnehmen, machten schon an den ersten beiden «Faissen» einige Unverzagte eine morgendliche und eine abendliche Tschättermusik. Zwar nur eine Handvoll und unter Einhaltung der Corona-Schutzmassnahmen, aber immerhin.

Das Edikt aus dem Jahr 1588
In den Tiefen des Archivs der Narro-Alt-Fischerzunft 1386 Laufenburg finden sich zahlreiche Einträge zu früheren Fasnachtsverboten. Ein Edikt aus dem Jahre 1588 von Erzherzog Ferdinand II. von Österreich besagte, dass die Fasnacht im ganzen österreichischen Gebiet verboten werden soll. Was natürlich auch für unser, damals vorderösterreiches, Gebiet galt. In diesem Edikt ist die Rede von untersagtem «…Fasnachtsspil ... Mummereyen, Vermaschgern, Tanzen, Geygen, Pfeiffen und andere Instrumenta sambt dem Nächtlichen umblauffen und Gassengeschrey…». Ob dieses Verbot in Laufenburg befolgt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis.

Das Verbot von 1611
Das älteste Dokument zur Laufenburger Fasnacht, jenes von 1611, bezeugt ein Verbot der Fasnacht weil zu dieser Zeit in unserer Gegend die Pest grassierte. Dem Ratsprotokoll der Stadt Laufenburg von 1611 ist folgendes zu entnehmen: «Die nechst kommende fassnacht ist alles haffenklopfen unnd ungebeurliche mummereyen genhlichen abgeschafft unnd fernners das überlouffen mitt dem kuechlin holen an beyden fassnachten sowohl der herren als allten fassnacht von den jungen kindern umbeziehendt verbotten worden; es sollen auch hierüber leüth verordnet werden, die auff die Ungehorsammen achtung geben.»

1914 als der Salm verschwand
Nach dem Kraftwerkbau 1914, dem damit einhergehenden Verschwinden des berühmten Laufenburger Salms und der damit verbundenen Auf lösung der Fischerzunft, fand sich niemand mehr so richtig verantwortlich, die Fasnacht zu organisieren. Zudem begann bald der Erste Weltkrieg (1914-1918). Da kam das Fasnachtsgeschehen vor allem in Kleinlaufenburg vollkommen zum Erliegen. Die darauffolgende Grippe-Epidemie, die sich ab 1918 in Europa ausbreitete, legte fast sämtliche Vereinstätigkeiten lahm. Erst danach fanden sich traditionsbewusste Männer, die sich bemühten, das alte Brauchtum wiederaufzufrischen. Es bestand aber keine geschlossene Gruppe, wie es zuvor die Fischerzunft war. Es trafen sich lediglich alteingesessene Bürger aus beiden Städten zur Fasnachtszeit, um die Tschättermusik und das Narrolaufen gemeinsam durchzuführen. Aber es ist auch bekannt, dass im Jahre 1920, trotz ministeriellen Verbots, in Kleinlaufenburg etwa 200 Personen an einer Tschättermusik teilnahmen und deswegen eine Strafverfügung über 50 Mark erhielten.

Die allgemeine wirtschaftliche Lage in Europa, veranlasste die Regierung auch noch 1923 jegliche fasnächtliche Aktivität zu verbieten. Aber dennoch wandten sich Laufenburger Bürger an das Bezirksamt, Tschättermusik und Narrolaufen durchführen zu dürfen. Am 11. Februar 1924 wurden für die drei «faisten» Donnerstage die Tschättermusik und das Narrolaufen am Fasnachtsdienstag bewilligt. Noch 1925 wurde nur für abends um 18.30 Uhr eine kleine Tschättermusik bewilligt.

1946 mit dem Segen der Franzosen
1938, vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, fand die letzte gemeinsame Tschättermusik statt. So erlag das fasnächtliche Geschehen auf Badischer Seite gänzlich und auf schweizerischer Seite zum grössten Teil. Erst 1946 fand am 14. Februar wieder eine gemeinsame Fasnacht statt. Jedoch musste von der französischen Militärverwaltung in Säckingen eine Genehmigung zur Durchführung eines grenzüberschreitenden Narrolaufen am 3. März eingeholt werden.

Nicht zu einer Abschaffung der Fasnacht, aber zu einem Beschluss zur Reduzierung der Fasnacht kam es im Jahr 1989. Die Zunftbrüder beschlossen an einem Bott im April, nicht nur wegen eines schwindenden Interesses seitens der Bevölkerung an den fasnächtlichen Anlässen, sondern auch aus Mangel an Beteiligung der Zunftbrüder selber, zukünftig den 1. und 2. Faissen als Teil des offiziellen Fasnachtsprogrammes abzuschaffen. Dies kam einigen jungen Zunftbrüdern in den falschen Hals und sie beschlossen, sich mit einem Aufruf per Flugblatt: «Wir gehen trotzdem» dem Beschluss der Zunft zu widersetzen. Und tatsächlich ging darauf manchem ein Licht auf und man realisierte, dass es ein grosser Verlust wäre, die Fasnacht ratenweise abzuschaffen. Also wurde für das folgende Jahr wieder eine vollständige Fasnacht vorgesehen.

1990 der Golfkrieg
Die kriegerischen Ereignisse in der Golfregion, die von August 1990 bis Februar 1991 dauerten, sind sicher noch manchen in Erinnerung. Angesichts der Unsicherheit, wie sich diese Krise entwickeln wird, wurden an vielen Orten fasnächtliche Veranstaltungen unter grossem öffentlichem und medialem Druck als unpassend angesehen. So war beispielsweise nicht abzusehen, ob Deutschland als Natomitglied bei einer Ausweitung der Kriegshandlungen eventuell noch direkt involviert werden könnte. So hat auch die Vereinigung schwäbisch alemannischer Narrenzünfte VSAN, den Zünften dringend nahegelegt, von sämtlichen Fasnachtsveranstaltungen abzusehen. Dieser Empfehlung wurde auch hier am Hochrhein nachgelebt und die meisten Veranstaltungen wurden deshalb abgesagt. Trotzdem wurde auf Schweizer Seite von einigen Unverwegenen «getschättert». Dies gefiel nicht allen und es wurde die mangelnde Solidarität den Opfern gegenüber beklagt. Dennoch kam man später zur Einsicht, dass die Entscheidung, die Fasnacht abzusagen, vielleicht doch etwas zu überstürzt erfolgt war.

2021 – Fasnacht vom Sofa aus
Heute bedienen sich die Fasnächtler des Mottos von 1989. Sie sagen «wir gehen trotzdem» und machen auch in diesem Jahr Tschättermusik – wenn auch in bescheidenem Rahmen. Es ist nicht eine Zwängerei, nein, es ist ein Zeichen dafür, dass wir uns nicht unterkriegen lassen. Volksbräuche sind ein Teil der Identität der «Volksseele», sie sind ein Stück Heimat. Dies dürfen wir nie vergessen. Aber was bleibt uns dieses Mal? Fasnacht im Home-Office? Geht das? Aber sicher geht das. Man lade dazu die App Fasnachtskultour «Locatify SmartGuide» aufs Smartphone und geniesse die Laufenburger Fasnacht bequem vom Sofa aus. An dieser Stelle einen grossen Dank an die Laufenburger Tambouren, die dies mit grossem Engagement ermöglicht haben. Bei einem Spaziergang durchs Städtchen können auch viele dekorierte Schaufenster bestaunt werden.

Wir werden es überleben und freuen uns auf bessere Zeiten, wo wir uns bei einer richtigen Fasnacht mit alten und neu gewonnenen Freunden treffen und feiern können, denn wir wissen ja: «Es goot degege.»

Infos zur App unter: www.tambouren-laufenburg.ch/fasnachtskultour


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