Lachsbrötli à la Josef

  16.01.2021 Laufenburg

Erinnerungen eines Laufenburger Grenzwächters

In seinem Buch «Zoll- und Grenzgeschichten» hat Josef Suter 29 zum Schmunzeln anregende wie auch nachdenklich stimmende Erzählungen aus seiner früheren Grenzwächter-Arbeit niedergeschrieben. Eine diese Geschichten handelt von Laufenburg, wo Josef Suter 1957 als Grenzwächter tätig war.

Ledige junge Grenzwächter seien ein Segen für die Zollverwaltung, pf legte Kommandant Ueli Götz zu sagen, wenn es um spontane Versetzungen von Zöllnern ging. Man könne sie problemlos verschieben wie Schachfiguren und seien schon am nächsten Tag am neuen Dienstort einsatzfähig! Diese Hauruck-Versetzung musste auch der in Riehen stationierte Josef erfahren. «Ihr neuer Dienstort ist Laufenburg! Dienstantritt Montag um 08:00»: las er auf dem Versetzungsbefehl am Freitag-Abend. Befehl ist Befehl sagte sich der junge Zöllner und weil der Posten Laufenburg zu den bevorzugten Dienstorten zählte, war er über den Postenwechsel gar nicht so unglücklich.

Der kleine Grenzwachtposten direkt an der Rheinbrücke am Rande der historischen Altstadt zählte tatsächlich zu den angenehmsten Dienstorten der Nordwestschweiz. Man war dort allein oder höchstens zu zweit im Dienst und hatte neben wenig Schreibarbeiten und ebenso wenig Zolleinnahmen immer Zeit für einen «dienstlichen» Schwatz untereinander oder mit den Bewohnern der kleinen Stadt.

Der Postenchef, Wachtmeister Gloor, stand kurz vor der Pensionierung. Darum legte er die Zollvorschriften nicht mehr so akribisch streng aus und war – vielleicht gerade deswegen – im Städtchen sehr beliebt. Weil er sich gesundheitlich leicht angeschlagen fühlte, verschonte man ihn auf ärztlichen Rat vom Dienst in den tiefen Nachtstunden. Trotzdem liess er es sich nicht nehmen, sein Feierabendbier im mittelalterlich anmutenden Hotel «Solbad» zu geniessen, und wenn es einmal recht gemütlich wurde, dieses auch bis um Mitternacht auszudehnen.

Als sich Josef im neuen Zimmer der Dienstwohnung installiert hatte, folgte die obligate Einweisung des Dienstortes. Der Rundgang begann im Zollbüro und endete nach einer Visite beim Polizei-Postenchef, in der Gaststube vom «Solbad» wo der neue junge Zöllner vorgestellt wurde. Der Wirt zeigt sich überaus freundlich, holte seine Frau an den Stammtisch und man schwatzte so kameradschaftlich miteinander, als ob man sich seit langem kennen würde. Später gesellte sich noch das hübsche Wirtstöchterlein «Vreneli» dazu, etwa 17-jährig, Kochlehrling bei ihrem Vater, blond und ebenso freundlich wie die Eltern! Wenn das kein guter Start ist, freute sich Josef!

Am nächsten Morgen galt es ernst. Nein nicht ganz so ernst wie in Riehen wo sich, besonders in den Morgen- und Abendstunden, immer lange Autoschlangen an der Grenze bildeten. Hier fuhr ab und zu ein Auto über die steinerne Rheinbrücke, oder ein Radfahrer oder ein paar Fussgänger die sich ennet der Grenze etwas gekramt hatten, passierten die Landesgrenze. Viel Lohnenswertes gab es im Ausland ohnehin nicht zu kaufen. Der zweite Weltkrieg ging erst knapp vor einem Dutzend Jahren zu Ende! Viel eher deckten sich die deutschen Grenzbewohner in der Schweiz mit Lebensmitteln ein und mussten sich bei der Rückkehr von deutschen Zöllnern in die Taschen gucken lassen. Vielleicht war das auch einer der Gründe, warum das Ausfüllen von Strafprotokollen bei dieser Amtsstelle eher Seltenheitswert hatte!

Ganz so beschaulich, wie es bis jetzt den Anschein machte, liefen die Zollabfertigungen dann doch nicht immer ab. Dramatischerweise ausgerechnet beim Wirtstöchterlein Vreneli. Eine freundlich vorgetragene Zolldeklaration entwickelte sich unerwartet zu einem Drama! «Guten Tag, ich habe, wie immer, ein Kilogramm Lachs dabei» meldete sie ihr Zollgut mit einem Lächeln an. Josef nahm die blecherne Umhüllung, dreht sie auf alle Seiten und las laut vor, was auf der Blechbüchse aufgedruckt stand: «Seelachs; Lachsersatz gefärbt»! «Vreneli, sie müssen diesen falschen Lachs zurückbringen. Der fürs Färben verwendete Farbstoff ist in der Schweiz verboten! Das tut mir zwar sehr leid, aber so sind halt die Vorschriften, die wir nicht machen, aber umsetzen müssen, erklärte Josef fast entschuldigend, während er etwas hilflos mit den Achseln zuckte. Vreneli wurde kreidebleich ob der verheerenden Nachricht und es fehlte nur wenig und das zarte Geschöpf wäre in Ohnmacht gefallen. «Das kann doch nicht wahr sein. Seit Jahren holen wir diesen Lachs und nie hatte ein Zöllner deswegen Umstände gemacht. Ohne unsere berühmten Lachsbrötli können wir den Laden dichtmachen. Wir haben Kunden aus Zürich, Aarau, Basel ja sogar aus dem Ausland, die extra wegen dieser Spezialität zu uns ins Restaurant kommen. Daher verbrauchen wir etwa jeden zweiten Tag so eine Büchse voll von dieser Fischspezialität! Nein, ich kann das meinem Vater nicht sagen! Der bringt sich um»! Josef war es ja nicht recht wohl mit seinem amtlichen Intervenieren. Daher rang er sich schweren Herzens durch und liess Vreneli für dieses Mal mit dem falschen Lachs laufen, aber wirklich nur einmal und nur ausnahmsweise! Als der Zollbeamte dem Vreneli nachschaute, wusste er, dass er mit diesem Entscheid eben ein schweres Dienstvergehen begangen hatte.

Am nächsten Morgen kam der Postenchef im Stechschritt und gestrecktem Zeigefinger auf Josef zu. Die Wut stand ihm ins Gesicht geschrieben. «Jetzt hör einmal gut zu, junger Mann! Wie Du in Basel Deinen Zolldienst ausführst, ist mir völlig wurscht! Jetzt bist Du in Laufenburg stationiert. Ich bin Dein Chef und für diesen Laden verantwortlich. Du wirst hoffentlich in deinem Zöllner-Leben früher oder später lernen, für welche Vergehen es sich lohnt, Leib und Leben einzusetzen. Bei grossen Straffällen hast Du meinen Segen, aber ich gestatte meinen Leuten nie und nimmer, solche Scheiss-Vorschriften anzuwenden! Vreneli wird auch in Zukunft diesen Lachs über den Zoll bringen, hast Du verstanden?

Natürlich hat das Josef verstanden. Noch am gleichen Nachmittag setzte er sich an einen Tisch im «Solbad» und bestellte das berühmte Laufenburger Lachsbrot. Es schmeckte, trotz giftigem Farbstoff, ausgezeichnet und ist heute noch Josefs Lieblings-Häppchen, allerdings mit richtigem Räucherlachs!

Josef Suter


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