Zwei Magdener mit Benzin im Blut

  18.12.2020 Magden

Vom Rennsport zum eigenen Motorradgeschäft

Erika und Jörg Hugentobler-Lützelschwab sind leidenschaftliche Motorradfahrer. Nach der Gründung ihres Motorradgeschäfts 1988 in Zeiningen zogen sie vier Jahre später nach Magden, wo sie als HLR (Hugentobler-Lützelschwab-Racing) 2-Rad-Sport seit fast 30 Jahren japanische Motorräder verkaufen und reparieren.

Clara Rohr-Willers

Sie repräsentieren die «Töff-Jugend» der späten 1960erund 1970er-Jahre: Erika und Jörg Hugentobler-Lützelschwab, die in Magden seit fast 30 Jahren ein Motorradgeschäft führen. Während sich heute immer weniger junge Menschen für motorisierte Zweiräder interessieren (sei es aus Bequemlichkeit oder wegen den vielen Vorschriften), verkörperte das Motorrad für die Babyboomer-Generation Freiheit und Unabhängigkeit.

«Innerorts 60 Stundenkilometer und ausserorts freie Fahrt»
«Schon als Kind half ich meinem Vater lieber beim Reparieren von Auto oder Töff, als mit Puppen zu spielen», erinnert sich Erika Hugentobler und ihre Augen funkeln beinahe so wie der Weihnachtsmann auf dem Motorrad im Schaufenster. Von ferne hört man Ehemann Jörg, der gerade an seiner Rennstreckenmaschine herumwerkelt. Anfangs Achtzigerjahre fuhr der gebürtige Basler in der Schweizermeisterschaft bei den 250ern erfolgreich mit.

Die alten, von Jörg Hugentobler restaurierten Maschinen, die im Schauraum in Reih und Glied stehen, versetzen einen zurück in «Easy-Rider-Zeiten». Während viele das Motorradfahren ohne Geschwindigkeitsbegrenzung und Helm so, wie es Peter Fonda und Dennis Hopper 1969 in «Easy Rider» vorleben, nur vom Film oder Youtube-Video kennen, haben Hugentoblers diese Zeit selber erlebt. Mitte der Siebzigerjahre kauften sie sich ihre ersten grossen Motorräder, Kawasakis Z1900. Erst 1981 wurde das Helmtragen obligatorisch. «In jener Zeit galten innerorts 60 Stundenkilometer und ausserorts freie Fahrt», erinnern sich die beiden Motorradbegeisterten. Mit einer Einwohnerzahl von 47983 im vergangenen Jahr im Bezirk Rheinfelden, verglichen zu 29506 Einwohnern im Jahr 1980 (Quelle: Departement Finanzen und Ressourcen des Kantons Aargau) und einer enorm erhöhten Mobilität, wären solche Regeln heute kaum mehr vorstellbar.

Traumberufe: Trapezkünstlerin oder Motorradmechanikerin
Wie die meisten Magdener der 1950er-Jahre besass die Familie Lützelschwab-Hodel Agrarland, bei dessen Bewirtschaftung die Kinder mithalfen. «Ich lernte alles über die Landwirtschaft kennen und durfte sehr früh Traktor fahren», schildert Erika Hugentobler. Auch Mauern, Betonieren, Dachdecken, Holzen, Gärtnern im grossen «Pflanzblätz» der Mutter und Kochen gehörten dazu. Die Freizeit verbrachte sie mit den vielen Nachbarskindern oder mit Turnen an einer grossen «Wöschhänki» vor dem Haus. «So wie ich es im Zirkus gesehen hatte, hängte ich mich mit den Füssen oder einem Bein an die Stange und drehte mich, bis mir schwindlig wurde», beschreibt sie. Kein Wunder, waren Trapezkünstlerin und Motorradmechanikerin später, als es in der Bezirkschule darum ging, einen Beruf zu suchen, hoch im Kurs. Während ersteres damals «kein Beruf» gewesen ist, kam letzteres für Frauen nicht in Frage, und sie entschied sich für eine Lehre bei der Post in Gelterkinden und Basel.

Nach der Töffprüfung im Jahr 1976 sass sie täglich und manchmal auch nachts auf ihrem Motorrad. Ihre Stammbeizen waren die Pony-Ranch im solothurnischen Seewen und das Isebähnli in Trimbach, wo man sich sonntags jeweils zu gemeinsamen Ausfahrten traf. «Damals wohnte ich in Basel und kreuzte fast täglich denselben Töfffahrer mit seiner Kawasaki», sagt sie und schaut schmunzelnd zu ihrem Mann. 1978 trafen sich die beiden zum ersten Mal auf der Pony-Ranch: Zwei Menschen mit Benzin im Blut haben sich gefunden.

Erfolgreich in der Schweizermeisterschaft
Der moralischen und finanziellen Unterstützung durch die Eltern sicher, hätte Erika Hugentobler gerne selber eine Motorrad-Beiz geführt und absolvierte 1980 den Wirte-Kurs. Leider war kein geeignetes Restaurant ausgeschrieben oder die Pacht so hoch, dass man nur schwer je hätte schwarze Zahlen schreiben können. Doch selbst diese Erfahrung münzt die Magdenerin ins Positive um. «Dank dem Wirte-Kurs fand ich bei der Coop Schweiz eine gute Anstellung als Sachbearbeiterin in der Abteilung Restaurant, wo ich sieben Jahre blieb.»

1980 kauften die beiden für Jörg Hugentobler eine Rennmaschine und der damals 24-Jährige fuhr während zwei Jahren erfolgreich in der Schweizermeisterschaft bei den 250ern mit. Die Rennen fanden auf abgesperrten Schweizer Bergstrassen oder auf Rundstrecken im Ausland statt. Im neuenburgischen Lignières war die einzige Rundstrecke der Schweiz. «Nach einem Schweizermeisterschaftsrennen fragte ich einen Fahrer der Seitenwagenklasse, ob ich ein paar Runden mitfahren dürfe», erinnert sich die heute 67-Jährige. «Da war es um mich geschehen.» Zusammen mischte das Paar während fünf Jahren die Konkurrenz beim Gespannrennsport auf Rund- und Bergrennen auf.

Per Zufall las Erika Hugentobler von der Suche nach der Übernahme eines Motorradgeschäfts in Zeiningen und gründete schliesslich 1988 mit ihrem Mann ein eigenes Motorradgeschäft mit dem Namen HLR (Hugentobler-Lützelschwab-Racing) 2-Rad-Sport. Um etwas «Richtiges» aufzubauen, schrieb sie alle Importeure für eine Vertretung an, denen die Räumlichkeiten und Lage in Zeiningen jedoch nicht zusagten. Mit Glück fanden sie ein leeres und umbaufähiges Ladenlokal in Magden und Honda erteilte ihnen eine Exklusiv-Vertretung der Motorrad-Marke. Jörg Hugentobler, gelernter Bauspengler und Lastwagenchauffeur, schloss die vierjährige Mechanikerausbildung erfolgreich innert zwei Jahren ab.

Als Honda-Vertreter führten Erika und Jörg Hugentobler ihr Motorradgeschäft bis 2018. In der Motorrad- sowie auch der Autobranche verlangen Importeure, die Geschäfte immer wieder einmal nach der «Identity», der Identität der Marke, umzubauen und somit viel Geld zu investieren. Vor zwei Jahren verzichtete das Magdener Paar auf solch eine Investition und widmet sich seither dem Service und der Wiederherstellung von älteren japanischen Motorrädern. Als ehemalige Mitgründer eines Motorradclubs und Funktionäre im aargauischen 2-Rad-Verband kennt man die beiden weit über die fricktaler Grenzen hinaus. Heute geniessen sie es, mehr Zeit für weitere Hobbys wie den Theaterverein und die Musik zu haben.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote