Vernetzung ist das Gebot der Stunde

  10.12.2020 Kaisten, Schule

Fricktaler Schulen kommen weg vom Einzelkämpfertum

Der Schulkreis Regio Laufenburg führte am Montag den ersten gemeinsamen ICT- (Information and Communication Technology) Weiterbildungstag für Lehrpersonen durch. Dezentral und online wurde auf die Integration von Medien und Informatik auf allen Schulstufen hingearbeitet.

Simone Rufli

Mit dem neuen Aargauer Lehrplan Volksschule (Lehrplan 21) finden die Anwendungskompetenzen Medien und Informatik nun offiziell in allen Fächern und auf allen Stufen Eingang in den Schulalltag. In diesem Zusammenhang haben die Schulen im Schulkreis Regio Laufenburg (Kaisten, Sulz, Laufenburg, Sisseln, Gansingen und Mettauertal) ein grosses, gemeinsames ICT-Projekt aufgegleist.

Ende Oktober, Anfang November sind über 500 iPads an die Lehrpersonen und Schulkinder verteilt worden. Klassen-iPads für die unteren Stufen, persönliche Leih-Geräte für die 5. und 6. Klassen. Mit den Geräten allein ist es aber noch nicht getan. Jetzt geht es um die pädagogischen Themen; darum, den Nutzen für den Unterricht herauszufinden.

Mit der Organisation eines Weiterbildungstags wollte der Kaister Schulleiter Olivier Inhelder Anregungen liefern und die Hemmschwelle für den Einsatz der iPads herabsetzen. Denn Inhelder ist sich bewusst: «Dort, wo Lehrpersonen die Affinität nicht haben, hat der Einsatz der Geräte bisher gefehlt.» Die Haltung gegenüber dem Einsatz digitaler Geräte habe sich aber seit Mitte März spürbar verändert. «Als die Schulen auf dem Höhepunkt der ersten Welle der Corona-Pandemie ganz plötzlich geschlossen wurden, mussten sich alle dreinschicken.»

Wertvoll und herausfordernd
Dass dieses Dreinschicken auch eine Chance sein kann, versuchte Andreas Hofmann in seinem Zoom-Vortrag zu vermitteln. Der Norddeutsche begleitet seit acht Jahren als medienpädagogischer Berater Schulen und Bildungseinrichtungen auf dem Weg der Digitalisierung. Trotz des wachsenden Drucks, unter anderem von Seiten der Wirtschaft, rief Hofmann die Fricktaler Lehrpersonen auf, sich Zeit zu nehmen und den Digitalisierungsprozess aktiv zu gestalten. Gelegenheit, aktiv mitzugestalten, bot sich den Lehrpersonen am Montag jede Menge. Olivier Inhelder hatte 32 Workshops auf die Beine gestellt – offline und online. Verteilt auf die Schulen im Schulkreis und betreut von einem Team um Tom Rittmann, einer Fachperson für den Einsatz von Apple Produkten im Schulbereich, lernten die Lehrpersonen von Book Creator bis Augmented Reality unterschiedlichste Apps einzusetzen. Die Online-Umfrage am Ende des Tages zeigte: die Inputs wurden als wertvoll, hilfreich und spannend, aber auch als sehr herausfordernd empfunden.

Dass Corona beschleunigend wirke, sei eine Tatsache, so Inhelder: «Die Pandemie hat uns zwei bis drei Jahre vorwärts katapultiert.» Und weil die Herausforderungen für alle gross seien und die Schulen zum Teil klein, habe sich eine weitere Überzeugung durchgesetzt: «Wir müssen weg vom Einzelkämpfertum hin zur Vernetzung.» Das sei auch deshalb der richtige Weg, weil viele Herausforderungen, die der Kanton den Schulen übertrage, von kleinen Schulen gar nicht im Alleingang bewältigt werden könnten. «Es ist unmöglich, dass jeder Schulstandort alles selber machen kann», so Inhelder. Das Ziel sei, dass jeder Standort sich nach Kompetenzen und Neigungen einbringe.


Inmitten des verrückten schulischen Wandels

Erfolgreiche ICT-Tagung im Schulkreis Laufenburg

Lehrpersonen müssen die Lebenswelt der Kinder verstehen und darauf reagieren, das forderte am Montag ein Gastreferent am ICT-Weiterbildungstag des Schulkreises Regio Laufenburg. Organisiert wurde die Tagung vom Kaister Schulleiter Olivier Inhelder.

Simone Rufli

«Der digitale Wandel ist weit mehr als eine Digitalisierung. Er durchdringt alle Bereiche», erklärte Andreas Hofmann. Der medienpädagogische Berater aus dem norddeutschen Oldenburg rief von der Leinwand in der Aula der Schule Kaisten herab in Erinnerung, dass Kinder heute bereits vor Schuleintritt zahlreichen Medien begegneten und diese auch nutzten. «Wir müssen die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler kennen und verstehen.» Ein Beispiel, wo wir das nicht tun würden, sei die E-Mail. «Schüler würden nie von sich aus, die Form der E-Mail wählen. Für die sind E-Mails gar nicht mehr existent. Wir müssen das nicht gut finden, aber wir müssen es verstehen», so Hofmann.

Der Blick auf die Schule sei oft rückwärts gerichtet auf das Bewahren von Traditionen, das Festigen der Kultur, bemängelte auch der Organisator des Tages und Schulleiter in Kaisten, Olivier Inhelder, in seiner Begrüssung. «Der Blick nach vorne ist wichtig. Die Schule zukunftsgerichtet zu gestalten, bedeutet aber auch ein gewisses Risiko», so Inhelder. Er betonte, auch die Schulleitung und die Lehrpersonen müssten lernen, nicht nur die Schüler. Ziel sei nicht eine Nullfehler-Kultur, «denn die verhindert, dass Neues entsteht», nahm Inhelder Druck von den Lehrpersonen. Hofmann ging noch einen Schritt weiter: «Wir brauchen den Mut, gegen die Wand zu fahren.» Warten bis alles zu 100 Prozent klappe, funktioniere nicht. «Worauf warten?» Die Rahmenbedingungen würden nicht besser und Stillstand werde es nicht mehr geben, so Hofmann. «Wir befinden uns im zehnten Monat der Pandemie inmitten des verrückten schulischen Wandels.» Nach der Schockstarre im März und April sei etwas passiert in den Schulen, «man wusste aber noch nicht recht was». Hofmann sprach von «Toolisierung» und methodischem Aktionismus. «Doch die Kinder finden nicht einfach alles toll, was online ist. Sie fragen auch, wozu etwas gut sein soll.» In dieser Phase der Ernüchterung hätten in Deutschland viele Politiker zu einer Gegenbewegung angesetzt. «Machen wir es wie früher, da hat ja alles geklappt.» Das funktioniere aber nicht mehr, nicht in Deutschland und nicht anderswo. «Es wurden Schleusen geöffnet, die wir nicht mehr schliessen können. Jetzt geht es darum, dass die Schulen den Prozess aktiv steuern, sonst überrollt uns das.» Dazu brauche es Ausbildung, kontinuierliche Fortbildung im laufenden Betrieb, Beratung und Prozessbegleitung, Zeit und Raum und vor allem Neugierde und Mut. «Wichtig ist, dass sich Lehrpersonen vernetzen. Und was auch immer getan wird, es geht darum, die Kompetenzen des 21. Jahrhunderts bei den Kindern zu fördern: Kreativität, Kollaboration, Kommunikation und kritisches Denken.»

Lückentexte haben ausgedient
In die gleiche Kerbe hieb Tom Rittmann. Der ehemalige Lehrer, der sich seit zehn Jahren der iPad-Anwendung in Schulen widmet und am Montag auch Workshops leitete, meinte: «Die Zeit des Lückentext-Ausfüllens ist vorbei. Wir wissen, dass das keinen nachhaltigen Lernerfolg bringt.» Es sei auch nicht damit getan, einfach Arbeitsblätter im iPad zur Verfügung zu stellen. «Nutzen wir das iPad, um Dinge zu verbinden. Kurze Filme, Fotos, vorgelesene Texte, Geräusche – alles Sachen, die schon Erstklässler machen können und die sie mit Freude zum Lernen bringen.»

Fachgruppe Medien und Informatik
Nicht nur Olivier Inhelder und Tom Rittmann zogen am Ende des Tages ein positives Fazit von diesem ersten gemeinsamen ICT-Weiterbildungstag. Die Lehrpersonen beurteilten die Anregungen und Tipps in den 32 Workshops als hilfreich, wertvoll und als Anregung, sie im Unterricht einzubauen. Die Umfrage erfolgte – wie könnte es anderes sein – online. Und auch das ICT-Projektteam des Schulkreises konnte wertvolle Erkenntnisse gewinnen für die weitere Arbeit. Im Verlauf des nächsten Jahres werde das Projektteam in eine Fachgruppe Medien und Informatik überführt, erklärte Inhelder. Sehr viele Lehrpersonen besuchten am Montag ausschliesslich die Online-Kurse, auch diese Erkenntnis gelte es für weitere Anlässe mitzunehmen. Zudem wünschten immer mehr Eltern, dass gewisse Lerninhalte unabhängig von der Pandemie weiterhin im Netz angeboten würden. Der nächste gemeinsame Weiterbildungstag wurde für den 31. Januar 2022 angesetzt.


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