Es fehlt eine kräftige Stimme

  11.12.2020 Gipf-Oberfrick

Fricktaler Chorleiter befürchtet Langzeitschäden

Die Gesangsvereine haben es bis jetzt in der Corona-Krise nicht geschafft, ihren Interessen eine Stimme zu geben. Für Markus Hasler, Chorleiter aus Gipf-Oberfrick, geht der Gesang schweren Zeiten entgegen – mit weniger Vereinen.

Simone Rufli

«Wir haben immer alle Massnahmen umgesetzt. Wir haben Schutzkonzepte erstellt und sind für deren Einhaltung eingetreten. Bis auf einen Vorfall in der Innerschweiz ist mir kein Event bekannt, wo Sänger sich haufenweise mit dem Coronavirus angsteckt hätten. Und dann wurde das Singen aufs Mal ganz verboten.» Marcel Hasler, Leiter des Jugendchors Gipf-Oberfrick und der Friday Night Singers, macht keinen Hehl aus seinem Unverständnis für die Entscheide der Politiker.

Und so erstaunt es nicht, dass er auch jetzt, wo eine Petition zuhanden von Parlament, Bundesrat und Bundesamt für Gesundheit, Erleichterungen für die Gesangsvereine fordert, keine Hoffnung daran knüpft. «Ich erwarte gar nichts, Und selbst wenn die Petition wider Erwarten etwas bewirken sollte, dauert mir das zu lange. Wir müssen jetzt handeln, wenn wir für Weihnachten noch etwas erreichen wollen.» Hasler ist nicht bereit, untätig abzuwarten. Am Dienstag machte er den ganzen Tag über Tonaufnahmen. «Ich nehme die Stimmen der Kinder einzeln auf und mische sie dann zusammen. So haben wir an der Krippenfeier in Gipf-Oberfrick trotz allem eine Chorbegleitung, wenn auch nicht live.»

Stand heute kann die Krippenfeier an Heiligabend mit 50 Personen durchgeführt werden. «Das ist genau das Problem in diesem Jahr. Diese ständigen Änderungen», sagt Hasler mit Blick auf die bereits angekündigten verschärften Massnahmen. Zudem fehle dem Gesangswesen eine starke Stimme. Dies, obwohl die Schweizerische Chorvereinigung eine stattliche Anzahl Mitglieder zählt und rund 1480 Chöre umfasst. Und obwohl mehr als eine Studie die positive Wirkung des Singens auf Immunsystem und Psyche belegt. «Wenigstens für Heiligabend hätte die Gesangslobby erreichen müssen, dass wir in vernünftigem Rahmen zusammen hätten singen können», so Hasler.

Anders als während des Lockdowns im März hat er nach dem erneuten Gesangsverbot im November mit den Kindern keine Online-Proben mehr durchgeführt. Er beliess es dabei, den Kontakt zu halten und sie über DropBox mit Noten und Hörbeispielen zu versorgen, so dass sie die Lieder daheim für sich üben konnten. «Sieben-, Achtjährige kann man nicht über Monate mit Online-Proben begeistern, nachdem sie schon eine lange Zeit Homeschooling machen mussten.» Anders bei den Erwachsenen. Mit ihnen singt Hasler die Adventslieder online. «Das ist besser als nichts und man hat die Gelegenheit, sich auszutauschen.»

Weniger Chöre
Die Chöre zusammenhalten sei jetzt besonders wichtig. Gelingen werde es nicht überall. «Diverse Vereine werden nach Corona nicht mehr singen», ist Hasler überzeugt. «Es gibt viele überalterte Chöre – auch im Fricktal. Diese Leute wieder zu motivieren, wird schwierig.» Die andere Gefahr sei die Gewohnheit. «In manchen Köpfen wird sich die Entschleunigung so festsetzen, dass kein Verlangen mehr besteht, Gesangsproben zu besuchen.»

Eine ähnliche Entwicklung zeichne sich bereits bei der Anmeldung zum Aargauer Chorfestival in Brugg ab, das von diesem Jahr auf den September 2021 verschoben wurde, «Chöre sagen ab, weil sie nicht proben können. Das ist schade, denn wir sind für alle Eventualitäten gerüstet. Die Hauptsache ist doch, endlich wieder zusammen singen zu können», erklärt Hasler, der im Aargauischen Kantonal-Gesangsverein, dem Dachverband von 100 Aargauer Chören und 2500 Sängerinnen und Sängern, das Servicecenter betreut.


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