«Wottsch wüsse, wär i bii»

  08.12.2020 Frick, Musik

Poetisch-musikalische Antworten auf existentielle Fragen im Fricker Kornhauskeller

Den Abschluss der dreijährigen Tour «Wottsch wüsse, wär i bii» mit dem Dichter und Schauspieler Hanspeter Müller-Drossaart sowie Sven und Sabine Bachmann-Frey als Duo «cabriolas» (Klarinette/ Akkordeon) bildete der Auftritt im Fricker Kornhauskeller.

Clara Rohr-Willers

Die Beschränkung auf wenige Worte wird oft mit etwas typisch Schweizerisch-Ländlichem in Zusammenhang gebracht. Genau hier, nämlich zuerst in Obwalden und anschliessend im Kanton Uri, ist Hanspeter Müller-Drossaart aufgewachsen. Dem schweizweit bekannten Schauspieler gelingt es in seinen Gedichtbänden, der Schweizer Wortkargheit eine Poesie zu entlocken, die berührt. Während 2015 der obwaldnerische Gedichtband «zittrigi fäkke» herauskam und 2018 der urnerdeutsche Band «gredi üüfe», erscheint nun im Verlag Wolfbach der Band «steile flügel», in welchem der Innerschweizer Künstler seine Gedichte ins «A lemannische», übersetzt. Am Samstagabend stellte er es dem Fricker Publikum vor, musikalisch untermalt von Schweizer Volksweisen des Duos «cabriolas», der Akkordeonistin Sabine Bachmann-Frey und dem Klarinettisten Sven Bachmann-Frey.

Eine «Tour de Suisse»
Im ersten Teil des Samstagabends nahm Hanspeter Müller-Drossaart das Publikum mit auf eine poetische «Tour de Suisse». Während der Basler Blasius den Inhalt eines durch verschiedenen Krimskrams gefüllten Buben-Hosensacks, «e Sagg voll Seeligkeit», bildlich zur Sprache bringt, ist es beim Berner Ernst Eggimann, dem so genannt «ersten Spoken-Word-Dichter», die sich verflüchtigende Liebe. Auf fortwährende Fragen von Person A mit «Hesch mi no gärn?» oder «Gisch mr es Müntschi?» antwortet Person B immer nur mit dem kürzesten aller Schweizer Sätze, «He?» (zu Deutsch, «Wie bitte?», Anmerkung der Redaktion). Quintessenz am Schluss: «Isch er devo».

Beim bekannten «Guggisberg-Lied» über die traurige Liebesgeschichte von Vreneli und Simes Hansjoggeli kam das harmonische Zusammenspiel von Sabine und Sven Bachmann-Frey besonders zum Tragen. Die vielen Schattierungen, die das Akkordeon als Begleit-, und Melodieinstrument innehat, wurden von Sabine Bachmann-Frey gekonnt zum Ausdruck gebracht.

Den Menschen hierzulande, die sich gewohnt sind, neben dem eigenen Dialekt auch im Hochdeutschen, Englischen und weiteren Sprachen zu kommunizieren, stelle sich irgendwann die Frage nach dem Zugang zur eigenen Mundart, schilderte Müller-Drossaart. Paradoxerweise wird die Mundartliteratur auch in der Schweiz mit dem Anglizismus «Spoken Word» benannt, ein Begriff, über den sich Hanspeter Müller-Drossaart mehrmals am Samstagabend amüsierte. Dass er das Englische dennoch in seine Lyrik zu integrieren weiss, bewies der Künstler mit dem Gedicht «Home Office». Darin bezeichnet er die Coronabedingte Hausarbeit als «Home, ou, fies!» und führt Corona auf einen Lapsus Gottes, als er die Himmelswerkstatt aufräumte, zurück. Der 65-Jährige gibt zudem Spreitenbacher Gewerbeschülerinnen und -schülern Lyrikkurse, deren Schweizerdeutsch er kurzum als «neu-helvetisch» bezeichnet.

Urner Mantras
Mit der inoffiziellen Hymne des Kantons Uri «Zoogä-n-am Boogä» und «Urner Chräpfli» führte das Duo «cabriolas» das Publikum in die Heimat Müller-Drossaarts. Es gebe im Kanton Uri zwei Mantras, mit denen sich gut auf jegliche unerwartete, unangenehme Überraschung reagieren lasse: nichts dergleichen tun oder sagen, der Föhn gehe. Auf versteckt subtile Weise und zwischen den Zeilen thematisierte der Dichter existenzielle Fragen des Lebens. «bechunnsch – zviel – verchunnsch», zum Beispiel. Versöhnliche Worte für das mehrheitlich ältere Publikum fand Hanspeter Müller-Drossaart am Schluss. Im Gedicht zum Krippenspiel erfüllt er seinem Protagonisten im hohen Alter und Heim endlich den Kinderwunsch: einmal im Leben das Jesuskind spielen zu dürfen. Seine Träume nie aufgeben, lohnt sich, sagt uns Hanspeter Müller-Drossaart durch seine Lyrik. Den Durst nach Kultur und Seelennahrung bewies manch spontane Begeisterungserklärung aus dem Publikum.


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