«Wir hätten gerne davon abgesehen»

  24.11.2020 Brennpunkt, Möhlin

Wegen eines Corona-Falls in der Möhliner Asylunterkunft sind die Menschen dort unter Quarantäne. Dass ihnen deswegen ein Absperrzaun vor die Nase gesetzt wird, sorgt teilweise für Unverständnis. Die Gemeinde Möhlin begründet die Massnahmen.

Ronny Wittenwiler

Nachdem vergangene Woche in einer Möhliner Unterkunft für Asylsuchende ein Bewohner positiv auf Corona getestet worden war, ging es schnell: Der Betroffene kam in die vom Kanton betriebene Corona-Isolierstation für erkrankte Asylsuchende nach Frick. Die anderen zweiundzwanzig Bewohner blieben in der Möhliner Unterkunft, über sie wurde die Quarantäne verhängt. Diese wird strikte durchgesetzt: Ein Bauzaun riegelt das gesamte Gebäude mit Vorplatz ab und ein Sicherheitsdienst sorgt zusätzlich dafür, dass die Asylsuchenden den abgesperrten Bereich nicht verlassen.

Empörte Bewohner
Die Vorstellung von Menschen hinter Gittern provozierte bald erste Reaktionen in sozialen Medien: «22 Menschen eingesperrt in einem Kabäuschen. Da haben es Tiere besser.» Eine andere Person fragt rhetorisch, ob man auch so vorginge, müssten Personen aus einem «Bonzen-Quartier» in Quarantäne. Und eine Leserbriefschreiberin in der NFZ findet: «Neben den hohen Kosten, die diese Aktion verursacht, ist sie einfach nur menschlich verwerflich und arrogant.» Selbstverständlich hätte man gerne von solch aufwändigen und teuren Massnahmen wie einer Einzäunung und einer 24-Stunden-Überwachung abgesehen, sagt jetzt Möhlins Gemeindeschreiber Marius Fricker. Nachdem der kantonsärztliche Dienst die Quarantäne für die Betroffenen verfügt hatte, war es die Gemeinde Möhlin, die mit der für die Betreuung der Asylsuchenden zuständigen Firma ORS die Massnahmen veranlasste. Fricker erklärt: Selbst jetzt, zu Corona-Zeiten, finde zwischen den verschiedenen Asyl-Unterkünften im Fricktal und in der Region Basel ein reger Austausch statt. «In Normalzeiten sind Besuche absolut in Ordnung, aber die Covid-Ansteckungsgefahr muss möglichst minimiert werden.» Bei den getroffenen Massnahmen gehe es nicht nur darum, die Männer in der Unterkunft festzuhalten, sondern sie auch von Ausseneinflüssen zu schützen und nicht weitere Personen einem allfälligen Risiko auszusetzen. Zudem sei ein Verlassen der Quarantäne strafbar. Die Antworten lassen den Schluss zu, dass aus Behördensicht die Eigenverantwortung nicht bei allen Bewohnern der Asylunterkunft gegeben war. Auch für die erhöhte Wachsamkeit generell scheint es Erklärungen zu geben: Kurz nachdem vor einer Woche die Bewohnenden über die Quarantäne informiert worden waren, musste die Polizei ausrücken – die anderen Bewohner hätten den positiv Getesteten zur Rechenschaft ziehen wollen.

«So angenehm wie möglich»
«Wir nehmen die Corona-Situation absolut ernst», sagt Gemeindeschreiber Marius Fricker und bezeichnet unter all diesen Aspekten die getroffenen Massnahmen als «leider vollkommen zweck- und verhältnismässig». Man sei aber auch bemüht, den Personen die Quarantänezeit den Umständen entsprechend angenehm zu gestalten. «Dies zeigt sich beispielsweise im abgesperrten Aussenraum zum Verschnaufen, den Essenslieferungen, den stundenlangen Gesprächen mit den Bewohnern durch die Betreuer der Firma ORS. Zudem wurde ein gespendeter ‹Töggelikasten› zum Zeitvertreib eingerichtet.» Übermorgen Donnerstag wird die Quarantäne wieder aufgehoben. Und der Zaun kommt weg. Die Corona-Massnahmen kosten rund 35 000 Franken.


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