«Vieles braucht mehr Zeit»

  26.10.2020 Frick

Familie Levson ist vor drei Jahren von Frick nach Afrika ausgewandert

Aufgewachsen in Frick, zieht es Nadja Levson früh in die Ferne. In Afrika verliebt sie sich in Land und Leute. Mit der Vision für eine gute und bezahlbare Schulbildung hat sie mit ihrem Mann ein Hilfswerk gegründet und unterstützt die Bevölkerung vor Ort.

Karin Pfister

«Ich wusste schon früh, dass ich nicht immer in der Schweiz leben möchte», sagt Nadja Levson, die in Frick aufwuchs. Sie ist die Enkelin von Franz Binkert vom Spielwarenhaus Binkert. Noch während ihrer Ausbildung an der Universität Freiburg entschied sie sich für einen mehrmonatigen Auslandaufenthalt. Sie war für eine christliche Organisation in Malawi, einem Binnenstaat in Südostafrika, tätig. «Dort lernte ich meinen Mann Decent kennen. Er stammt aus ärmlichen Verhältnissen und wir hatten dieselbe Vision: gute und bezahlbare Schulbildung für afrikanische Kinder.»

Vor drei Jahren ganz nach Malawi gezogen
Nadja und Decent Levson entschieden sich schnell für eine ernsthafte Beziehung. «Ich reiste für ein Jahr zurück in die Schweiz, um mein Studium als Lehrerin abzuschliessen. Das war auch ein Prüfstein für die Beziehung, danach haben wir geheiratet und unser Hilfswerk gegründet», erzählt Nadja Levson in der Stube ihrer Eltern in Frick, wo die Familie momentan wohnt. Was 2007 mit dem Kennenlernen von Nadja und Decent anfing, ist längst gelebte Realität. Seit drei Jahren wohnt das Ehepaar Levson zu 100 Prozent in Malawi und arbeitet von dort aus für ihre Organisation «Extending Hope», welche sie 2011 gegründet haben. Jedes Jahr kommen sie für ein paar Wochen in die Schweiz. «Dieses Jahr bleiben wir länger hier.» Grund dafür ist Corona, auch in Malawi gab es einen Lockdown, die Schulen waren für längere Zeit geschlossen. Die beiden grossen Kinder, die neunjährige Grace und der siebenjährige Josiah besuchen während drei Monaten die Primarschule in Frick. «Es gefällt uns gut und wir haben bereits Freunde gefunden, aber wir freuen uns auch auf unsere Freunde Zuhause in Malawi», erzählen die Kinder, welche dreisprachig (schweizerdeutsch, englisch, Landessprache Chichewa) aufwachsen. Zur Familie gehört auch die dreijährige Tiffany.

Vom geplanten Schulhaus zum Spital
Nadja und Decent Levson starteten ihre Entwicklungsarbeit vor zehn Jahren mit Schulungen zum Thema «Micro Business». Die Idee war, den Menschen zu lehren, dass man auch mit wenig Ressourcen eine Existenz aufbauen kann. Danach wollten die beiden im Heimatdorf von Decent eine Schule gründen. «Die Menschen kamen auf uns zu und sagten uns, dass sie viel lieber ein Spital hätten. Das sei notwendiger. Mein Mann erinnerte sich, wie ihn seine Mutter als Kind zwei Stunden auf dem Rücken zu Fuss zum nächsten Spital getragen hatte und fand, dass die Menschen Recht haben.» So wurde aus dem geplanten Schulhaus ein kleines Spital, in der Grösse einer Arztpraxis. Auch landwirtschaftliche Projekte wurden in Agabu realisiert.

«Unser Hauptziel ist eine gute Schulbildung», so Nadja Levson. Es gäbe in Malawi zwar öffentliche Schulen, aber das Niveau sei sehr tief, da die Lehrer schlecht ausgebildet seien und die Klassen aus 100 und mehr Schülerinnen und Schülern bestehen. Privatschulen seien für die normale Bevölkerung nicht bezahlbar. Wir bieten gute Bildung zu einem bezahlbaren Preis an und bilden die Lehrerinnen und Lehrer auch selber aus», so Nadja Levson, welche über einen Masterabschluss verfügt. Die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer sei berufsbegleitend. Sie stünden von Anfang an im Schulzimmer, da die meisten eine Familie zu ernähren haben und Geld verdienen müssen. Gestartet wurde «Extending Hope» mit 30 Schülerinnen und Schülern, inzwischen sind es über 150.

Entweder kommt Strom aus der Steckdose oder dann halt nicht
Nadja Levson erinnert sich noch gut an ihre ersten Schritte auf dem afrikanischen Kontinent. «Ich stieg aus dem Flugzeug und habe mich gleich wohl gefühlt.» Vieles sei anders als in der Schweiz und erfordere mehr Flexibilität. «Wir wissen nie, ob wir Strom haben oder nicht.» Sie nimmt das gelassen. «Entweder kommt Strom aus der Steckdose oder dann halt nicht.» Man brauche für alles mehr Zeit, die Transportwege seien länger und bei Regen zum Beispiel gehe gar nichts mehr. «Die Hauptstrassen sind geteert, aber die Quartierstrassen nicht. Bei Regen wird alles überflutet. Dann kommen die Kinder nicht in die Schule und ich kann mit dem Auto nirgendwo hin.» Was die Familie sehr geniesst, sind die Marktverkäufer, die bis vors Haus kommen. «Wenn ich frische Sachen brauche, kann ich einfach vor die Haustür, auch am Sonntag.»

Noch bis kurz vor Weihnachten bleibt Familie Levson in der Schweiz, dann fliegt sie heim nach Malawi.


Extending Hope

Die Hilfsorganisation ist in den Bereichen Wasser und Hygiene, nachhaltige Landwirtschaft, Jugend und Sport, Bildung sowie Geschäftsentwicklung und Gesundheitsvorsorge tätig. Weitere Infos unter www.extendinghope.ch. Am Samstag, 7. November, 19 bis 20.30 Uhr, findet in der reformierten Kirche in Frick ein Infoabend statt. Decent und Nadja Levson berichten von ihren aktuellen Projekten zum Thema Landwirtschaft und Schule. Auf youtube (Stichwort extending hope) sind mehrere Filme der Schule in Malawi zu sehen.


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