«Männer haben Angst, beim Tanzen blöd auszusehen»

  19.09.2020 Kaiseraugst, Persönlich

Sabine (46) und Däni (46) Anderhub organisieren «Fricktal tanzt»

Sabine und Däni Anderhub aus Kaiseraugst organisieren seit drei Jahren mit viel Aufwand und Engagement Tanzabende für die Region. Dabei fing alles an wie in nicht wenigen Beziehungen: Sie tanzte bereits seit der Kindheit; er konnte sich nicht dazu überwinden.

Boris Burkhardt

«Heute sage ich: Ich habe 20 Jahre zu lange gewartet.» Wie Däni Anderhub (46) einst geht es vielen Männern: Zum Tanzen können sie sich selbst ihrer langjährigen Lebenspartnerin zuliebe nicht überwinden. Anderhub schaffte es jedoch, einmal über seinen Schatten zu springen: Er schenkte seiner Frau Sabine (46) zu ihrem 20. Jahrestag einen Tanzkurs. Das war 2015. Seit 2017 organisiert das Ehepaar mit seinem Verein «Fricktal tanzt» nunmehr monatliche Tanzabende, zunächst in der Liebrüti in Kaiseraugst, seit 2019 im Bahnhofssaal in Rheinfelden.

Es musste eine Frau sein
«Ich stellte jedoch eine Bedingung», erzählt Däni Anderhub vom Beginn seiner Tanzkarriere: «Der Tanzlehrer musste eine Frau sein.» Der Grund war nicht etwa Eifersucht, wie Anderhub erklärt, sondern Scham: «Männer genieren sich beim Tanzen; sie haben Angst, neben einem anderen Mann, der gut tanzen kann, blöd auszusehen.» Auch er habe zwei Jahrzehnte so gedacht: «Wenn wir an einem Anlass mit Tanz waren, habe ich geschaut, welche Männer ich dort kenne, und habe ihnen ein Bier bezahlt, dass sie mit meiner Frau tanzen.» Anderhubs Rechnung in Bezug auf die Tanzlehrerin einer Gelterkinder Tanzschule ging auf: «Sie nahm mir die Hemmungen vor dem Tanzen.»

Für Sabine Anderhub ist das Tanzen hingegen Teil ihres Lebens, seit sie denken kann. Sie war lange in einer Tanzschule im Jazztanz aktiv, bis sie Anfang der Neunziger ihren zukünftigen Mann kennenlernte. «Schon als Kind tanzte mein Vater mit mir, zu Hause, auf jedem Fest mit Musik und Bühne», sagt sie und wird nachdenklich: Tanzbühnen auf Festen gebe es heute fast nirgends mehr. «Wir finden, das ist ein Stück Kultur, das verloren geht», bestätigt ihr Mann. Anderhubs Vorschlag, bei der Feier zum 1. August in Rheinfelden eine Tanzf läche aufzubauen, sei bei der Stadt auf Interesse gestossen – wenn heuer nicht Corona dazwischengekommen wäre.

Doch 2015, mit dem Geschenk zum 20-jährigen Bestehen ihrer Liebe, fingen Anderhubs erst einmal klein an: Drei Kurse Discofox besuchten sie hintereinander; dann traute sich Däni Anderhub erstmals auf eine öffentliche Tanzfläche im Prattler Freizeitzentrum Sprisse. «Wir tanzten zu den Liedern, auf die man Discofox tanzen kann, und blieben ansonsten sitzen», erinnert er sich: «Das war langweilig.» Doch den Mann, der sich bis dahin jahrelang im Extremhindernislauf und Kampfsport engagiert hatte, hatte das Tanzfieber gepackt; und er wollte mehr. Das Ehepaar hatte abgemacht, das jeder im Wechsel den Tanzstil für den nächsten Kurs festlegen dürfe: So folgte Jive auf Salsa, Boogie-Woogie auf Bachata.

«Nur fröhliche Gesichter»
«Es war der richtige Zeitpunkt für uns», sagt Däni Anderhub: «Die Kinder waren nun älter; und wir hatten wieder mehr Zeit für uns.» Sabine Anderhub merkt an, wie das Tanzen ihre Beziehung gestärkt habe: «Jeder Tanzstil hat seine eigene Emotion: Discofox macht vor allem Spass, während Salsa und Bachata erotisch und sinnlich sind.» Die Emotionen beim Tanzen bekommen Anderhubs auch bei ihren 300 Gästen bei «Fricktal tanzt» jedes Mal aufs Neue bewiesen: «Wir sehen dort nur fröhliche Gesichter.»

Die Idee, selbst Tanzveranstaltungen zu organisieren, kam Anderhubs 2017, als sie feststellen mussten, dass es im Fricktal und der Region Basel kaum Tanz-Möglichkeiten gibt. Die Idee setzten sie zunächst in Kaiseraugst um, wo sie seit zwölf Jahren leben. Eine erste Anfrage nach weiterem Interesse in der Facebook-Gruppe «Kaiseraugst lebt» wurde laut Anderhubs sehr positiv beantwortet: «Die Leute fanden es eine coole Idee.» Mit Oliver Jucker erklärte sich auch schnell jemand bereit mitzumachen, der sich um die Ton- und Lichttechnik kümmern konnte.

Für die erste Veranstaltung im Liebrüti-Saal im September 2017 rechneten Anderhubs mit 30 bis 40 Gästen. Tatsächlich kamen am ersten Abend bereits 150 Personen und das Paar musste schnellstens die zweite Hälfte des Saals öffnen und herrichten. «Wir hatten eine steile Lernkurve», lacht Sabine Anderhub. Die Veranstaltung und der Verein hiessen zunächst «Kaiseraugst tanzt». Nach einem Umzug in den grösseren Bahnhofssaal in Rheinfelden wurde der Name geographisch auf das Fricktal erweitert, um für mögliche weitere Umzüge gewappnet zu sein.

Der Aufbau für die Paartanzveranstaltung «Fricktal tanzt» an einem Samstag im Monat und die «Ü-Party» für Singletänzer am Freitag zuvor ist laut Anderhubs ein enormer Aufwand, der ohne engagierte Helfer nicht zu stemmen wäre. Fünf Tonnen Material für Technik, Tische und Bar müssen jedes Mal bewegt werden. Traum der beiden wäre deshalb ein eigenes Lokal. «Eigentlich hatten wir das alles gemacht, damit wir selbst tanzen können», lacht Sabine Anderhub: «Jetzt kommen wir vielleicht gegen elf Uhr mal dazu, wenn wir dann noch mögen.» Aber die vielen glücklichen Gesichter auf der Tanzfläche seien es ihnen wert, sagen sie. Denn Tanzen ist Emotionen.


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