Mit Raubvögeln Krähen vertreiben

  18.09.2020 Nordwestschweiz

Schutz der Felder nach der Mais-Aussaat

Wenn Landwirte aus der Region Basel-Land sich bei Krähenfrass auf ihren Maisfeldern an den Kanton wenden, ist die Chance gross, dass schon bald Benjamin Gregor-Smith mit seiner Raubvogel-Armada für Ruhe sorgt.

Ann Schärer – Landwirtschaftlicher Informationsdienst

Nur den Bruchteil einer Sekunde ist Simone Cilluffo nicht voll konzentriert, schon nützt Scirocco dies voll aus. Von hinten f liegt er im Sturzf lug an das rote Tuch in Cilluffos Hand heran und packt es. Der Falke erinnert bei seinem wagemutigen Angriff an einen Torero in der Manege. Stolz behält der Vogel seine Beute in den scharfen Krallen. Als Belohnung gibt es einen Happen Taubenf leisch. «Das war zwar nicht so gedacht, aber er hat dieses Spiel klar gewonnen», erklärt der italienische Falkner lachend. Sciroccos Auftrag war klar: er soll sich diese «Beute beizen», also erlegen – und das hat er mit seiner Intelligenz im Handumdrehen erledigt. Cilluffo stiess erst vor Kurzem zu Benjamin Gregor-Smiths Raubvogel-Projekt hinzu. Neun Raubvögel hat Gregor-Smith mittlerweile in seiner Obhut – sieben davon im Elsass, zwei in der Region Basel.

Doch ist Benjamin Gregor-Smith nicht einfach ein Vogelhalter, vielmehr steht er mit seinen Vögeln regelmässig als Falkner im Einsatz. Seine Hauptaufgabe besteht dabei vor allem darin, die Landwirte dabei zu unterstützen, dass Krähen ihnen nach der Mais-Aussaat nicht die Felder leerfressen. Je nach Parzelle kann es durch Krähenfrass zu Ernteeinbussen von 80 bis 100 Prozent kommen.

Im März, April und Juni dieses Jahres stand Benjamin Gregor-Smith mit seinen Raubvögeln täglich 10 bis 12 Stunden im Einsatz, um mehrere Mais-Parzellen im Kanton Basel-Land mit einer Gesamtf läche von 26 Hektaren vor Krähenfrass zu schützen. Betroffene Landwirte können sich dort an den Kanton wenden, welcher den Einsatz finanziell unterstützt und ihnen den Falkner vermittelt. Dieser vergrämt dann während der Saatsaison mehrmals täglich auf den einzelnen Parzellen unter Einsatz verschiedener Raubvogelarten die Krähen. Und das sehr erfolgreich. «Ich konnte dieses Jahr die Felder, die mir zugeteilt worden waren zu 95 Prozent vor Krähenfrass bewahren», sagt der Falkner.

Nur wenige aktive Falknereien
Krähen mit Raubvögeln zu vergrämen, klingt einfach. Doch steckt hinter dieser Falknerei, auch Beizjagd genannt, eine wahre Wissenschaft mit einer langen Tradition. In der Schweiz gibt es insgesamt etwa 130 Falknereien, sagt Gregor-Smith, der als Engländer aus der Hochburg der Falknerei kommt. 30 dieser Schweizer Falknereien sind aktiv. Dass es so wenige sind, liegt auch am aufwändigen Einholen unzähliger Bewilligungen. In der Schweiz braucht man zur Haltung von Raubvögeln ein FBA, eine fachspezifische berufsunabhängige Ausbildung für die Betreuung von Greifvögeln. Nebst einem FBA braucht ein Falkner in der Schweiz zudem eine Jagdbewilligung, denn Raubvögel werden als Waffen eingestuft.

Noch etwas träge sitzt am Mittag die drei Kilogramm schwere sibirische Uhu-Dame Ella auf Cilluffos Arm.

«Sie ist der gefährlichste meiner Vögel, auch wenn sie auf den ersten Blick harmlos wirkt», sagt Gregor-Smith. «Mit Ella zu arbeiten, bedeutet viel Verantwortung, sie kann locker grössere Tiere wie Katzen oder Kaninchen töten», sagt der Falkner mit Blick auf Ella, die ruhig auf seinem Arm sitzt.

So hat jede Raubvogelart ihre Besonderheit. In Kombination gebracht, können diese bei der Vergrämung von Krähen für mehr Nachhaltigkeit sorgen. «Krähen sind sehr intelligente Vögel. Deshalb setze ich zum Beispiel zuerst die Wüstenbussarde ein, dann die Sakerfalken und am Schluss noch den Uhu», sagt Gregor-Smith. Diese gestaffelte Delegation an unterschiedlichen Vogelarten, die fast schon an eine Symphonie erinnert, hat den grössten Effekt auf Krähen. So, dass sie am Schluss doch noch klein begeben und dem Feld lieber fernbleiben. Denn wer weiss, ob da nicht wieder eine hungrige Uhudame auf sie wartet.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote