Zwei Herzen schlagen in einer Brust

  15.08.2020 Laufenburg, Persönlich

Laufenburgs Stadtführer ist stolz auf seine deutschen und Schweizer Wurzeln

Pattric Grzybek ist Stadtführer in Laufenburg. Seit einem Jahr nimmt er die Gäste im Auftrag des Fördervereins Tourismus Laufenburg mit zu spannenden Touren durch die Schweizer Altstadt. Und das tut der 35-jährige derart humorvoll, dass er einfach jeden für sich einnimmt.

Hildegard Siebold

Pattric Grzybek lacht gerne. Und er erzählt gerne. Sein Interesse an Geschichten und seine Freude, diese weiter zu vermitteln, gaben den Ausschlag, sich als Stadtführer in Laufenburg zu bewerben. So betrat er eines Tages ziemlich spontan das Tourismusbüro und fragte einfach mal nach, ob Stadtführer gesucht werden. Was für eine Frage. Flugs war er engagiert. «Du muesch schwätze chönne», erklärt er lachend. Zwei Stunden lang erzählt er seinem Gegenüber inmitten der Altstadt von Laufenburg aus seinem Leben, davon was ihn umtreibt und was ihm wichtig ist. Aber der Reihe nach. Natürlich brauche es als Stadtführer fundiertes Wissen über die Geschichte der Stadt. Dieses hat er sich in Kursen und mit Hilfe eines mehr als hundertseitigen Skripts angeeignet. Aber das Wichtigste sei der Austausch mit den erfahrenen Stadtführern.

«Bei den Stammtischgesprächen geht es richtig ab, da werden Emotionen frei», schildert er die spannenden Begegnungen. An einem Sonntag im Juli 2019 hatte er seine Premiere als Stadtführer. Eine Damengruppe aus Deutschland. «Die hatten ein Privileg, denn ich war echt nervös», verrät er. Aber er hat seine erste Tour souverän gemeistert und seit Herbst betreut er neben den klassischen Stadtführungen auch Altstadtnachtführungen, die in der Vorbereitung sehr viel aufwändiger und inhaltlich ganz anders seien. «Sagen und Legenden stehen im Mittelpunkt, das ist sehr mystisch», erklärt Pattric Grzybek, in dessen Brust zwei Herzen schlagen. Das eine für das Schweizer Städtchen Laufenburg, wo er seit 2016 lebt und das andere für das badische Murg-Oberhof, wo er aufgewachsen ist. «Mein Schweizer Herz pumpt Blut ins deutsche Hirn», sagt er gerne. Da seine Mutter Schweizer Bürgerin von Pfaffnau / Luzern und sein Vater gebürtiger Rheinfelder waren, besitzt er von Geburt an die doppelte Staatsbürgerschaft. Aber nicht nur das: «Die Schweiz war in unserem Elternhaus immer präsent», erzählt er. Gewisse Schweizer Traditionen seien immer gelebt worden. So sind ihm grenzüberschreitende Bande, wie sie in Laufenburg gelebt werden, seit jeher wichtig. Ebenso gilt sein Interesse von Kindheit an der Geschichte. Etwa der seiner Grossmutter väterlicherseits, die aus Schlesien stammt und der er seinen schier unaussprechlichen Nachnamen verdankt. Ihre Erzählungen aus der einstigen Heimat haben ihn so gefesselt, dass er sich eines Tages aufmachte nach Kopice, ein kleines Dörfchen im Landkreis Grodków mit einem riesengrossen Schloss. Nach einem Brand 1956 verfiel Schloss Koppitz. «Aber noch heute kann man sehen, welch bombastisches Märchenschloss das einmal gewesen sein muss», schwärmt Pattric Grzybek.

«Die Geschichte ist immer ein Teil des Neuen»
All das hielt er mit der Kamera fest und schenkte Oma Marianne, die aus gesundheitlichen Gründen selbst nicht mehr in die alte Heimat reisen konnte, ein Fotobuch. Sie hatte eine wahnsinnige Freude. «Ich war ihre Augen und habe meine Herkunft kennengelernt», sagt er. Aus der Geschichte lernen, ist ihm wichtig. «Die Geschichte ist immer ein Teil des Neuen, man muss sie kennen und respektieren», erklärt er. Sonst gäbe es nicht so ein Miteinander, wie etwa hier im grenzüberschreitenden Laufenburg. Auch wenn Pattric Grzybek erst 35 Lenze zählt, kann er auf einige Stationen in seinem jungen Leben zurückschauen. Nach der Schule machte er eine Lehre als Maler und Lackierer. Später ging er zur heutigen GST Safety Textiles und arbeitete sich hoch bis zum stellvertretenden Abteilungsleiter. Heute ist er Teamleiter bei der Sozialhilfe Basel-Stadt im Bereich Service-Center und Empfang. Der Job macht ihm viel Spass und war Anlass für ihn, in die Schweiz zu ziehen.

Vielseitig engagiert
Dass er Laufenburg wählte, begründet sich in seinem sozialen Engagement. Bereits als Schüler und Klassensprecher erhielt er eine Belobigung für sein soziales Engagement. Später trat er der Jugendfeuerwehr Murg bei, bis heute ist er Abteilungskommandant der Feuerwehrabteilung Oberhof und Leiter der Kreisfeuerwehrjugend Waldshut. Auch im Kreisjugendring und in der Landjugend Oberhof engagierte er sich in vorderster Reihe. Kommunalpolitisch gehört er der SPD Murg an. «Mit Ideen geize ich nicht und ich bin mir nicht zu schade, Hand anzulegen», bringt er sein vielseitiges Engagement auf einen Nenner. Bleibt da noch Zeit für Privates? «Ich bin noch ledig», sagt Pattric Grzybek mit einem tiefen Schmunzeln und fügt hinzu: «Ich lass mich finden.» Und wenn nicht, sei er genauso glücklich und zufrieden. Wichtig sei, Spass zu haben an den Dingen, die man tue, dann spiele die investierte Zeit auch keine Rolle. Dabei ist er immer einer Devise treu geblieben: «Fragen kostet nichts, sonst werde ich es nie erfahren.»

Laufenbrücke neu beflaggt
Das dürfte auch der Grund sein, warum die Laufenbrücke das Auge der Besucher heute ganz neu beflaggt besticht. Denn eine grenzüberschreitende Brücke ohne Landesfahnen, das ging für den Laufenburger Stadtführer überhaupt nicht. Also intervenierte er gemeinsam mit Mirko Purgato, dem Präsidenten des Fördervereins Tourismus. Binnen kürzester Zeit sei die Schweizer Fahne gehisst worden, auf der badischen Seite brauchte es einige Hebel mehr, die in Bewegung gesetzt werden mussten. Aber Ende gut alles gut: Seit dem 31. Juli 2020 wehen die deutsche Fahne und die Europafahne im Wind der Laufenbrücke auf badischer Seite und vereinen zwei Länder und eine Stadt. «Ich darf doch auch stolz darauf sein, ein Deutscher zu sein und kann mich dafür einsetzen, dass die dunkle deutsche Geschichte niemals eine Wiederholung erfährt», findet er.


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