«Eine Katastrophe für das Reisegeschäft»

  04.08.2020 Fricktal

Interview mit einem Fricktaler Reisefachmann

Die Corona-Krise trifft die Reisebranche und die Reisebüros hart. Armin Leuppi aus Kaiseraugst ist Vorstandsmitglied des Reisebüro-Verbandes TPA «Travel Professional Association». Im Interview erklärt er, wie die Zukunft des Reisens aussehen könnte.

Valentin Zumsteg

NFZ: Herr Leuppi, wie geht es der Reisebranche?
Armin Leuppi:
Miserabel. Es ist eine Katastrophe für das internationale Reisegeschäft. Das Worst-Case-Szenario ist eingetreten. Die Corona-Pandemie ist das Schlimmste, was passieren konnte. Innerhalb von wenigen Tagen ist der Reiseverkehr weltweit lahmgelegt worden. Im März hatten wir keine einzige Buchung, aber viel Arbeit mit Kunden, die wir zurückholen mussten. Im April, Mai und Juni ist praktisch niemand geflogen. Jetzt kann man wieder reisen, aber viele wollen nicht ins Ausland. Insgesamt haben die Reisebüros viel Arbeit, aber kaum Einnahmen. Es muss sogar Geld zurückerstattet werden.

Wie viele Reisebüros werden die aktuelle Krise überleben?
Vielleicht die Hälfte. Eine solche Krise hat es noch nie gegeben.

Können Sie derzeit noch Reisen verkaufen?
Ja, es kommen noch Kunden, aber sehr wenige. Im Juli hatten wir in unserem Reisebüro sechs Buchungen, normalerweise sind es ein Vielfaches davon.

Welche Reisen empfehlen Sie Ihren Kunden, wenn jetzt jemand seine Herbstferien buchen will?
Dann empfehle ich Reisen in der Nähe. Vielleicht nach Mallorca oder auf die griechischen Inseln. Da sind die Flüge kurz. Kunden von uns waren kürzlich in Mallorca und konnten die Ferien dort absolut geniessen; einfach abseits vom «Ballermann»

Wie wird das grenzüberschreitende Reisen künftig aussehen?
Der Tourismus kommt wieder zum Laufen. Der Mensch will auch weiterhin reisen und frei sein. Wir Reisebüro-Leute sind unverbesserliche Optimisten. Aus dieser Einstellung ziehen wir die Motivation, um Krisen zu überstehen. Es wird in Zukunft aber vielleicht bewusster gereist. Es hat in vergangenen Jahren sicher Übertreibungen gegeben: Bald jede Schulklasse ist auf ihrer Abschlussreise ins Ausland gef logen; teilweise ist gedankenlos gereist worden. Ich denke, in Europa könnte sich das ändern. Das heisst aber nicht, dass dies weltweit so kommt.

Wie sieht die Zukunft Ihres Reisebüros aus?
Ich werde mein Reisebüro «Raurica Travel» in der Liebrüti in Kaiseraugst schliessen. Dies hat aber weniger mit Corona zu tun, sondern mit der aktuellen Situation in der Liebrüti. Als wir vor 14 Jahren hier eröffnet haben, hiess es, dass die Liebrüti erneuert wird. Das ist nicht passiert. Wir haben immer gesagt, wenn die Migros das Einkaufszentrum verlässt, dann gehen wir auch. Die Migros ist nicht mehr hier, wir gehen Ende Sommer. Unsere physischen Aktivitäten lagern wir vorübergehend in das befreundete Reisebüro Arrow Tours in Balsthal aus, dort habe ich die Geschäftsführung übernommen.

Zum Schluss: Wo sehen Sie die Chancen in der Zukunft?
Das Reisebüro-Geschäft geht strukturell zurück. Früher buchten fast alle Leute ihre Auslandferien im Reisebüro, heute kommen nur noch Leute, die komplexere Wünsche haben oder Beratung schätzen. Die anderen buchen selbst im Internet. Auf der anderen Seite gibt es aber auch eine Rückbesinnung: Leute, die wegen der aktuellen Krise verunsichert sind und vielleicht schlechte Erfahrungen mit dem Selber-Buchen gemacht haben, kommen wieder zurück. Der Service und die fundierte Beratung werden für ein gewisses Kundensegment weiterhin eine Bedeutung haben. Hier sehe ich die Chancen.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote