Schybehübel und Steimet

  20.07.2020 Obermumpf

Zwei BirdLife-Reservate in Obermumpf

Im Schybehübel wurden 134 verschiedene Pflanzenarten gezählt; im Steimet sogar 145 Arten. Als besonders wertvoll erwies sich die magere Bärmfelsematte.

Adolf Fäs/ BirdLife Aargau

Die beiden Reservate unterscheiden sich stark. Der Schybehübel besteht aus einer von Mischwald umgebenen und nach Westen geneigten Magerwiese (hiess zuvor Brämfelsmatte) im Tafeljura. Das Naturschutzgebiet von kantonaler Bedeutung hat eine Fläche von 41,36 Aren, zusammengesetzt aus ungefähr einem Drittel Wiese und zwei Dritteln lichtem Wald.

Das Reservat Steimet umfasst einen etwa 350 Meter langen, schmalen Streifen am linken Ufer des Talbaches, des Fischingerbaches, etwa einen Kilometer südöstlich des Dorfkernes von Obermumpf. Es wird dominiert von der Uferbestockung des Baches und einem daran anschliessenden Hochstaudenried. Ungefähr in der Mitte des Streifens findet sich eine kleine Quelle. Im etwas breiteren oberen Teil, der im Grundbuch unter dem Namen «Im Vogel» eingetragen ist, finden sich drei Weiher von unterschiedlicher Grösse und Form, teils abgedichtet mit Folien und zum Teil auch mit Lehm. Als Begrenzung zum dort vorbeiführenden Fahrradweg hat der Naturschutzverein vor ein paar Jahren eine Hecke gepflanzt. Zudem hat er aus Abbruchsteinen von einem alten Haus Haufen für Reptilien und Amphibien aufgeschichtet und ein Wildbienenhotel erstellt. Das Reservat Steimet hat eine Fläche von 32,8 Aren und ist ein Naturschutzgebiet von regionaler Bedeutung.

Buntspecht, Spechtmeise, Sperber und Goldammer
Da die beiden Reservate klein sind, erstaunt es nicht, dass die Zahl der darin festgestellten Vogelarten ziemlich bescheiden ist: 14 Arten im Schybehübel und 18 Arten im Steimet. Es handelt sich dabei um häufige und typische Waldarten wie Buntspecht, Kleiber, Misteldrossel, Rotkehlchen, Zaunkönig und Zilpzalp sowie um Arten, die man in oder an einem Bach antreffen kann wie Bachstelze, Goldammer, Graureiher, Mönchsgrasmücke und Stockente.

Besondere Erwähnung verdienen immerhin vier Greifvogelarten: Mäusebussard, Schwarzmilan, Sperber und Turmfalke. Ein weiterer grosser Vogel, den der Schreibende Adolf Fäs mehrmals rufen hörte, war der Kolkrabe. Zudem konnte er einen Grauschnäpper beobachten, der in letzter Zeit wohl wegen Futtermangels als Folge des Insektensterbens recht selten geworden ist. «Arten der Roten Liste und andere seltene Arten fehlen leider gänzlich», hält Fäs fest.

Elsässer Sommerwurz, Glockenblumen und Orchideen, Schuppenwurz
«Was ich von den Vögeln geschrieben habe, gilt nicht für die Pflanzen», betont er. In den kleinen Reservaten fanden er und seine Begleiter eine erfreuliche Vielfalt mit einigen Raritäten. Im Schybehübel zählten sie 134 verschiedene Pflanzenarten und im Steimet sogar 145 Arten. Als besonders wertvoll erwies sich die magere Bärmfelsematte. Als grosse Überraschung fanden Fäs und seine Begleiter dort die bis anhin im Aargau als verschollen gegoltene Elsässische Sommerwurz, die als blattgrünlose Pf lanze auf dem Hirschwurz parasitiert. Sie heisst auch Würger, weil sie als Vollschmarotzer der Wirtspflanze Saft mit Nährstoffen entzieht und diese so würgt beziehungsweise schädigt. Sie produziert mehrere Tausend sehr leichte Samen, die der Wind weit verbreitet und die im Boden mehrere Jahre keimungsfähig bleiben.

Auf der gleichen Wiese blühten sechs verschiedene Orchideenarten: Bienen-Ragwurz, Grosses Zweiblatt, Langblättriges Waldvögelein, Langspornige Handwurz, Männliches Knabenkraut und Nestwurz. Noch mehr fallen dem Laien die vier blauen Glockenblumenarten auf: Nessel-, Pfirsich- und Rundblättrige sowie Acker-Glockenblume. In grosser Zahl blühen auch die Astlose Graslilie und der gelbe Weiden-Alant. Erwähnung verdienen zudem Edel-Gamander, Maiglöckchen oder Meieriesli, Grosser Ehrenpreis und Lampen-Königskerze.

Beeindruckende, vielfarbige Blumenpracht
Selbstverständlich sind die auf den intensiv bewirtschafteten Wiesen des Mittellandes verschwundenen Wiesen-Margerite, Wiesen-Salbei, Wiesen-Flockenblume mit zwei Unterarten, Acker-Witwenblume und Wegwarte hier gut vertreten. Zusammenfassend kann man zur gegebenen Zeit auf dem Schybehübel eine sehr beeindruckende, vielfarbige Blumenpracht erleben.

Die erwähnenswerteste Pflanze im Steimet ist ebenfalls ein blattgrünfreier Parasit, die Schuppenwurz. Sie parasitiert auf den Wurzeln meist holziger Wirtspf lanzen wie Buchen, Erlen oder Haselstrauch. Der Hauptteil der Schuppenwurz, ein bis zwei Meter langer und weit verzweigter Erdspross (Rhizom), befindet sich unter dem Boden. Er kann bis fünf Kilogramm schwer werden und ist mit Schuppen bedeckt. Die Wurzeln der Wirtspflanze werden durch Saugwurzeln (Haustorien) angezapft. Die Schuppenwurz beginnt erst mit zehn Jahren zu blühen. Ihre Blüten sind weisslich blass mit einem Hauch rosa, ein wenig an eine Orchidee erinnernd. Am Stängel hat sie Drüsen, die aktiv Wasser ausscheiden können und so via Haustorien einen Sog auf die Wirtspflanze ausüben.

In einem Wassergraben wurde der Kleine Merk, auch Wassersellerie genannt, in einem ansehnlichen Bestand gefunden. Trotz seines zweiten Namens ist er mit dem Garten-Sellerie nicht näher verwandt. Seine jungen Blätter sollen schmackhaft sein und können deshalb zum Beispiel dem Salat beigemischt werden.

Mehrere schöne Wasserpf lanzen wie Grosser Sumpf-Hahnenfuss, Fieberklee, Tannenwedel und Gelbe Schwertlilie haben sich wohl nicht spontan angesiedelt, sondern sind gepflanzt worden.

Erwähnung verdienen zudem Zweiblättriger Blaustern, Märzenglöckchen, Gef lügelte Braunwurz und fünf verschiedene Ehrenpreisarten (Feld-, Bachbungen-, Gamander-, Efeublättriger- und Persischer Ehrenpreis).

Der Blut-Weiderich setzt schöne rote Farbtupfer. Er heisst je nach Gegend auch Gemeiner Weiderich, Stolzer Heinrich, Bluetchruut und Bluetströpfli. Der Name Weiderich stammt von der weidenartigen Gestalt der Blätter, und das Blut weist nicht nur auf die rote Blütenfarbe hin, sondern auch auf die frühere Verwendung der Pflanze zur Blutstillung wegen ihres Gehaltes an Gerbstoffen. Europäische Auswanderer nahmen den Blut-Weiderich mit nach Amerika, wo er sich im Verlaufe der Zeit zum invasiven Neophyten entwickelt hat. Er hat fast die ganzen USA erobert und dominiert die dortigen Feuchtgebiete. Seine Bekämpfung soll 45 Millionen Dollar pro Jahr kosten. «Neophyten haben wir in den Obermumpfer Reservaten fast keine gefunden, wohl als Folge der guten Pflege», freut sich Fäs.

Übrige Tiere
Die übrigen Tierarten wurden nicht systematisch gesucht und erfasst. Es wurde einfach aufgeschrieben, was bei der Exkursion über den Weg kroch oder f log. Namentlich zu erwähnen sind die Schmetterlinge Aurorafalter, Brauner Waldvogel, Kaisermantel, Kleiner Fuchs und Schachbrettfalter. Im Steimet wurden unter anderem die Blauflügelige Prachtlibelle sowie Wasserund Grasfrosch nebst dem Bergmolch gefunden. Die vollständige Liste der Pf lanzen und Vögel und die Liste der übrigen Tierarten stellt Fäs Interessierten jederzeit gerne zur Verfügung.

Pflege, Ausblick
Einmal im Jahr mäht der Naturschutzverein Obermumpf mit vereinseigenen Maschinen alle Reservate im Gemeindegebiet (nicht nur diejenigen von BirdLife Aargau). «Es ist höchst erfreulich und bewundernswürdig, dass sich im kleinen Dorf Obermumpf auch heute noch genügend Leute finden lassen, die bereit sind, in Fronarbeit eine Reservatsf läche von insgesamt drei Hektaren zu pflegen», betont Fäs. Laut Lehrer Egloff, der im Jahr 1968 die treibende Kraft hinter der Gründung des Naturschutzvereines Obermumpf gewesen war, sollen vor 50 Jahren in der Gegend auch das Schwärzliche Knabenkraut sowie Kreuzblättriger- und Gefranster Enzian vorgekommen sein. Es ist zu hoffen, dass bei weiterhin guter Pflege der Bärmfelsematte diese seltenen Arten eines Tages wieder auftauchen. Erst vor kurzem hat man den Wald um die Matte massiv ausgelichtet, was das Blumenwachstum fördern dürfte. Gelegentlich sollten die zugewachsenen Steinhaufen von den Pflanzen befreit werden, damit Zauneidechse und Blindschleiche sich wieder vermehren können.

Bei den Bestandeserhebungen durfte der Hobbyornithologe Adolf Fäs auf die wertvolle Hilfe der beiden Botaniker Hans Althaus und Martin Bolliger zählen. Zudem erhielt er wichtige Informationen von Michael Siegrist, dem engagierten Präsidenten des Naturschutzvereines Obermumpf.


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