Plädoyer für eine Entlastungssteuer

  03.07.2020 Leserbriefe

Im Nachgang der Corona-Krise juckt es die SP unter den Fingernägeln, das Projekt einer nationalen Erbschaftssteuer neu aufzulegen. Wie bei der vor fünf Jahren per Volksabstimmung verworfenen Vorlage besteht bei einem Projekt aus sozialdemokratischer Feder jedoch das Risiko, wiederum nicht mehrheitsfähig zu sein.

In ihrem Forderungskatalog vermischt die SP denn auch Steuern auf Erbschaften mit zusätzlichen Steuern auf grössere Einkommen. Entscheidend ist jedoch die Unterscheidung zwischen Vermögen, die auf Arbeit und erfolgreicher unternehmerischer Tätigkeit von KMU beruhen einerseits, und leistungslosen Einkommen – Kapitalerträgen auf Grossvermögen, die oftmals über Generationen weitervererbt werden – andererseits. Eine Unterscheidung, die man bei der SP vergebens sucht.

Man sollte daher die Erbschaftssteuer nicht der SP überlassen. In der Geschichte des Liberalismus finden sich viele eminente Denker, die sich für eine Besteuerung grosser Erbschaften ausgesprochen hatten.

Vor fünf Jahren hatte ich die Gruppe «Liberale für die Erbschaftssteuer» gebildet – sie wäre eine ge eignete Ausgangsbasis für Unterstützer einer mehrheitsfähigen Vorlage. Passend für ein solches Gesetzesprojekt wäre der Name «Entlastungsinitiative», denn diejenigen, die mit Arbeit und Kleinunternehmertum zum Erfolg unserer Wirtschaft beitragen, sollen von Steuern und Lohnnebenkosten entlastet werden.

Damit eine Entlastungsinitiative erfolgreich sein kann, muss sie folgende Elemente enthalten: 1. Eine neue Steuer auf grosse Erbschaften muss aufkommensneutral sein, das heisst die Belastung für die Gesamtheit der Steuerzahlenden darf sich nicht erhöhen, und die Staatsquote darf nicht grösser werden. 2. Dies bedeutet, dass den zusätzlichen Einnahmen aus den Erbschaftssteuern eine Senkung der Einkommenssteuern für die arbeitende Bevölkerung und der Gewinnsteuern für Kleinunternehmen gegenüberstehen soll. 3. Der Steuersatz für Grosserbschaften sollte in einem moderaten Rahmen von zum Beispiel sieben Prozent liegen. 4. Der Freibetrag muss so hoch sein, dass über 99,5 Prozent der Bevölkerung sich auch im Traum keine Chancen ausrechnen, in ihrem Leben einmal zu einer Erbschaft in dieser Höhe zu gelangen. Ich sähe den Freibetrag daher zum Beispiel bei zwölf Millionen Franken Nettovermögen. 5. Klare Sonderregelungen müssen für selbst geführte, grössere Familienunternehmen bestehen, mit Sondersätzen und einem grösseren Freibetrag von zum Beispiel 70 Millionen Franken. 6. Schliesslich sollte für die Grosskapitaleigentümer die Möglichkeit bestehen, gemeinwohlorientierten Stiftungen steuerbefreite Schenkungen oder Erbschaften zu entrichten.

Um Missbrauch zu vermeiden, muss die Gemeinwohlorientierung solcher Institutionen eng definiert und durch die Behörden anhand strikter Kriterien kontrolliert werden.

Es sind die Kleinunternehmen, die nicht nur in der Corona-Krise am stärksten gelitten, sondern auch in den wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre oftmals den Kürzeren gezogen haben – daher sollen sie entlastet werden. Aus einer solchen Lastenverschiebung wird eine Dynamisierung unserer Volkswirtschaft resultieren, und das Prinzip «Leistung soll sich lohnen» kann wieder mehr Geltung erlangen. Sofern sich genügend interessierte Mitstreiter finden, könnte ich mir die Lancierung einer eidgenössischen Volksinitiative vorstellen.

MICHAEL DERRER, UNTERNEHMER UND HOCHSCHULDOZENT FÜR WIRTSCHAFT, RHEINFELDEN


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