Kontroverse um ein grosses Stück Land

  31.07.2020 Möhlin

«In den nächsten fünfzehn Jahren brauchen wir das nicht»

 

Andreas Fischer, Präsident der Grünen Möhlin, im Gespräch

Wohn- und Entwicklungsschwerpunkt beim Bahnhof Möhlin: Wollen die Grünen ein Projekt begraben, bevor es überhaupt Fahrt aufnimmt? Der Parteipräsident nimmt Stellung.

Ronny Wittenwiler

Das Gebiet nördlich des Bahnhofs Möhlin, über zwölf Hektaren gross, ist im Richtplan als Entwicklungsschwerpunkt ESP von kantonaler Bedeutung und als Wohnschwerpunkt WSP eingetragen. Die Behörden von Rheinfelden und Möhlin wollen das Gebiet gemeinsam entwickeln. Eine Testplanung soll die Möglichkeiten für den Bau einer Mittelschule und für zusätzlichen Wohnraum aufzeigen. Der Kredit für diese Testplanung in Höhe von 500 000 Franken kommt am 3. September gleichzeitig vor die Gemeindeversammlungen in Möhlin und Rheinfelden. Zuletzt aber durchkreuzten die beiden Grüne-Parteien aus Rheinfelden und Möhlin diese Pläne. In einer gemeinsamen Mitteilung erklärten sie, die Bevölkerung soll darüber befinden können, ob eine Testplanung einzig mit Mittelschule, aber ohne Wohnüberbauung durchgeführt werden soll. Konkret heisst das: Die Grünen sind dem Bau einer Mittelschule an diesem Standort nicht abgeneigt – zeigen sich aber gegenüber weiterem Wohnraum an diesem Ort höchst kritisch. Die NFZ hat bei Andreas Fischer, Präsident der Grünen Möhlin, nachgehakt.

NFZ: Andreas Fischer, eine Testplanung ohne Überbauung: Sie sehen dieses Gebiet nicht geeignet als Wohnschwerpunkt?
Andreas Fischer:
Doch, im Prinzip schon, zumal dieses Gebiet sehr gut an den Öffentlichen Verkehr und einigermassen ans Dorf angebunden wäre. Die Frage ist aber, wieviel wir in diesem Dorf noch überbauen und wieviel Grünflächen und Landwirtschaftsland wir erhalten wollen.

Natur und Boden schützen ist aus grüner Sicht ein plausibles Anliegen. Aber macht deshalb Wachstum nicht gerade dort Sinn, wo bereits eine gewisse Ballung existiert?
Wenn man wachsen muss aus einem Zwang heraus, wäre eine Überbauung hier durchaus sinnvoll. Es liegt aber kein Zwang vor. Unser sehr grosser Flächenverbrauch ist nicht allein durch ein Bevölkerungswachstum getrieben, sondern auch durch unser Bedürfnis nach immer mehr: In den letzten fünfzig Jahren hat die Wohnf läche pro Kopf um rund sieben Quadratmeter zugenommen, das gilt es zu hinterfragen.

Aber die Bevölkerung in Möhlin wächst dennoch.
Sollte es der Wunsch der Bevölkerung sein, tatsächlich noch mehr Leute in Möhlin ansiedeln zu wollen, dann sollten wir uns fragen, ob wir das nicht auch durch innere Verdichtung hinbekommen, ohne neues Grünland angreifen zu müssen. Wir haben relativ viel freie Fläche innerhalb vom Siedlungsgebiet. Ich erinnere an den Bata-Park, wo zuletzt ein grosses Stück eingezont wurde. Auch die Leigrube wird bald überbaut. Es ist nicht so, dass wir in und für Möhlin kein Entwicklungspotenzial mehr hätten, ohne Landwirtschaftsland angreifen zu müssen.

Über ein potenzielles Wachstum kann der Souverän direkt und demokratisch entscheiden – via Einzonungen an Gemeindeversammlungen. Genau das wollen die Grünen jetzt unterbinden, indem sie eine Testplanung ohne Wohnüberbauung erwägen.
Nicht so direkt. Die Partei hat sich noch nicht auf eine definitive Position festgelegt. Die Grünen werden sich nochmals beraten, ob sie das Geld aufwerfen wollen für die Testplanung oder nicht. Einige Mitglieder können sich vorstellen, die Testplanung mit Mittelschule und Wohnüberbauung anzugehen und danach das Projekt auf lange Sicht zu etappieren. Etwa, dass zuerst die Mittelschule gebaut wird, sofern sie hierherkommt, und dass man den Rest vielleicht in zwanzig Jahren mal anschaut.

Angenommen, es würde eine Testplanung ohne Überbauung gutgeheissen, dann haben die Grünen das Projekt Wohnschwerpunkt vorzeitig begraben.
Nein. Wir hätten das Projekt höchstens verzögert. Das Land bleibt ja bestehen und im Richtplan eingetragen. Es verschwindet nicht. Wir hätten dann vielleicht eine Mittelschule im Jahr 2028 und später, 2030 oder 2035, könnte man immer noch die weitere Entwicklung des Gebiets prüfen. Die Gemeinden Rheinfelden und Möhlin erklären doch selbst, dass es ein Projekt ist, das nicht kurzfristig auf die nächsten fünf Jahre, sondern auf fünfzehn, zwanzig Jahre hin angelegt ist. Gerade auch deshalb sind wir der Meinung, dass wir das später noch entscheiden können. Nochmals: Wir stehen nicht unter einem Zwang.

Angenommen, es kommt keine Mittelschule beim Bahnhof zu stehen. Was soll dann mit dem Gebiet passieren?
Für uns wäre es am sinnvollsten, die Fläche vorerst nicht zu überbauen. Wir brauchen Landwirtschaftsland für die Ernährung der Bevölkerung, das zeigt doch gerade auch die aktuelle Krise – wir können uns nicht endlos auf Nahrungsmittelimporte verlassen. Jeder Boden, der nicht überbaut wird, ist eine Chance für die Zukunft. Künftige Generationen sollen dann entscheiden, was dort passieren soll und was höher zu gewichten ist: Ernährungssicherheit oder grössere Wohnungen für jeden einzelnen.

Sie als Grossrat beschäftigen sich auch mit der Mittelschule. Wo im Fricktal soll sie zu stehen kommen?
Unter dem Aspekt, dass man die Mobilität möglichst gering halten soll, halte ich Möhlin wegen der guten ÖV-Anbindung und der kurzen Wege für sehr valabel. Ein Grossteil der Schülerinnen und Schüler würde aus Rheinfelden und Möhlin kommen. Ich bin gespannt auf die Beurteilung der einzelnen Standorte durch die Regierung.

Ihre Gefühlslage ist aber so: lieber bloss eine Mittelschule statt zusätzliche Einwohner?
Ich würde es anders formulieren. Wenn eine Mittelschule in Möhlin stehen soll, dann sehr gerne dort.

Was ist mit zusätzlichen Einwohnern dort?
Ich würde meinen, in den nächsten fünfzehn Jahren brauchen wir das nicht.

 


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