«Ich habe Kerosin im Blut»

  13.07.2020 Zeiningen

Gabriella Huber ist seit 1989 Flight Attendant

Schon als junge Frau hat ihr das Reisen gefallen. So beschloss Gabriella Huber, sich als Flight Attendant ausbilden zu lassen. Auf diesem Beruf wollte sie nur zwei bis drei Jahre bleiben, nun sind es bereits 31.

Janine Tschopp

Dass ihr das Fliegen gefällt und sie sich mit ihrem Beruf stark identifiziert, wird während des Besuchs bei ihr Zuhause ganz offensichtlich. Hier ein Trolley, der mittlerweile als Bar umfunktioniert wurde. Auf der Bar unzählige kleine Flugzeug-Modelle. Dort zwei Sitze, die ursprünglich in einem Flugzeug im Einsatz waren sowie viele kleine Dekorationsartikel, die ans Fliegen erinnern. «Es ist wie eine Sucht. In meinem Blut ist Kerosin», bestätigt Gabriella Huber das Bild, das sich der Besucher macht.

In England und Amerika das Reisen entdeckt
Gabriella Huber lernte ursprünglich Zahnarztgehilfin und Dentalhygienikerin. In jungen Jahren reiste sie nach England und Amerika, um die Sprache zu lernen und wurde dort vom Reisefieber gepackt. Durch ihren Onkel, der Captain bei der Swissair war, hatte sie schon früh eine Verbindung zur Fliegerei. Erfahrungen in der Luft sammelte sie schon als Zehnjährige. «Mein Götti wohnte in Paris, und ich durfte ihn als Kind ab und zu mit dem Flugzeug besuchen. Ganz alleine, ohne Begleitung meiner Eltern.» Sie meint, dass dies für ihren späteren Weg vielleicht prägend war.

Nachdem sie während zwei Jahren auf ihrem ursprünglichen Beruf arbeitete, liess sie sich als Flight Attendant ausbilden und begann 1989 für die Swissair zu fliegen. «So zwei, drei Jahre war der Plan.» Es habe ihr sofort den «Ärmel reingezogen». Es sei unbezahlbar, was man in ihrem Beruf erleben dürfe. Noch immer ist sie fasziniert, Menschen, Länder und Kulturen kennenzulernen. Zudem gefällt ihr die Abwechslung. Routine gebe es nicht. «Kein Flug ist wie der andere. Jedes Mal wechseln Besatzung und Gäste, und jedes Mal ist es einfach gut.» Sie liebt die Zusammenarbeit im Team.

Als ein Highlight beschreibt sie einen Sonderflug nach Seattle. «Einige von uns wurden ausgewählt und durften als Passagiere mitf liegen, um die zehnte Boeing 777-Maschine aus den Boeing Werken abzuholen. Das war eine grosse Ehre.» Sie zeigt Bilder, als sie zusammen mit ihren Kollegen die Fabrikhalle in Seattle besichtigte. «Es ist heute noch ein besonderes Gefühl, wenn ich mit der HB-JNJ fliege», sagt sie mit strahlenden Augen.

Die Begeisterung für die Fliegerei scheint Gabriella Huber in all den Jahren nicht verloren zu haben. Auch wenn für viele Passagiere das Fliegen inzwischen zur Normalität wurde. Das habe sicher auch damit zu tun, dass die Flüge früher viel teurer waren.

Eine Entwicklung, welche die erfahrene Flight Attendant miterlebt hat, ist: «Früher gab es weniger Direktflüge und weniger Verbindungen. Die Aufenthalte in den verschiedenen Destinationen waren viel länger. Ich genoss es damals sehr, für mehrere Tage in den einzelnen Ländern zu bleiben.» Diese Veränderung habe auch dazu beigetragen, dass ihr Job im Laufe der Zeit körperlich noch anstrengender wurde.

Neustart nach Corona-Stillstand
Aufgrund der Corona-Pandemie hatte Gabriella Huber in den letzten Monaten eine beruf liche Zwangspause, respektive Kurzarbeit. «Während der Corona-Krise flogen zirka drei bis fünf Prozent der Flüge, inklusive Fracht», schildert sie. Derzeit werde der Flugbetrieb wieder hochgefahren. Ihren letzten Flug vor einer dreimonatigen Pause hatte sie am 8. April. «Es war ein Frachtflug. Wir flogen nach Shanghai, um medizinisches Schutzmaterial zu holen.» Erstmals wieder mit Passagieren flog sie letzte Woche. Sie freut sich, dass die Flüge jetzt langsam wieder hochgefahren werden. Sie hat den Eindruck, dass es einige Leute gibt, die jetzt wieder Lust auf Reisen haben. Was ist Gabriella Hubers Lieblingsdestination? «Hongkong. Diese Kultur fasziniert mich. In Hongkong gehe ich gerne wandern. Ich habe dort schon sechsstündige Wanderungen unternommen. Mutterseelenallein. Ich bin gerne im asiatischen Raum. Ich verbrachte auch schon zwei Monate in Japan und habe das Reisen mit einem Sprachkurs verbunden. Es ist schön, dass man dort als Frau problemlos alleine reisen kann. Eine weitere Lieblingsdestination ist Johannesburg, auch wegen den Safaris.»

Sport und Kochen
Wenn Gabriella Huber nicht für die Swiss unterwegs ist, verbringt sie ihre Freizeit gerne mit Sport im Freien, wie zum Beispiel Golfspielen oder Radfahren. Sie kocht und backt auch gerne oder geniesst ein gutes Essen und einen feinen Wein.

Vor 15 Jahren ist die Solothurnerin, damals wegen der Liebe, nach Zeiningen gekommen. Hier fühlt sie sich sehr wohl und schätzt ihren Bekannten- und Freundeskreis im Fricktal. Freie Zeit wird sie in dreieinhalb Jahren noch mehr haben, denn dann wird die 56-Jährige pensioniert. Einerseits freut sie sich darauf, andererseits wird sie auch vieles vermissen. «Am meisten fehlen wird mir wahrscheinlich der Zusammenhalt in der Crew. Wir sind wie eine grosse Familie.»

Ob sie in einem nächsten Leben wieder mehr als drei Jahrzehnte als Flight Attendant arbeiten würde, weiss sie nicht. Insbesondere, weil die Arbeit im Laufe der Jahre körperlich immer anstrengender wurde. Was sie aber sicher weiss: «Es ist die beste Lebensschule.»


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