Überschuss im Aargau dank Finanzausgleich

  18.06.2020 Aargau, Möhlin, Politik

Bericht aus dem Grossen Rat

Gleich zu Beginn der Sitzung wurde eine Fraktionserklärung verlesen: Die SVP stützt ihren umstrittenen Parteikollegen Staatsanwalt Simon Burger. Gegen ihn hat der Regierungsrat eine Untersuchung eingeleitet. Die SP beantragt eine Standesinitiative zur Entschädigung von Coronakrise-Betroffenen mit tiefen Löhnen. Die Kurzarbeitsentschädigung soll bei tiefen Löhnen nach 60 Tagen von 80 Prozent auf 100 Prozent erhöht werden. Dies soll die Kaufkraft und Zahlungsfähigkeit der Betroffenen erhalten. Die FDP lehnt dies ab, denn es sei fraglich, was ein tiefer Lohn sei. Zudem schaffe sie neue Ungleichheiten. Wer unter der Lohngrenze sei, werde dann bevorzugt. Die anderen «bürgerlichen» Parteien lehnen ebenfalls ab und damit ist das Schicksal des Vorstosses besiegelt.

Der Jahresbericht mit Jahresrechnung 2019 wurde genehmigt. Der Kanton schliesst zwar mit 228 Millionen Franken Überschuss ab, 460 Millionen bezieht der Aargau aber aus dem interkantonalen Finanzausgleich. Das Geld soll in die Ausgleichsreserve. Die strukturellen Mängel des Kantons bleiben aber bestehen und verhindern eine nachhaltige Entwicklung des Kantons. Sparpakete und Steuersenkungen helfen da auch nicht weiter, denn das führt zu Abbau von Leistungen und geht auf Kosten der Gesundheit, Bildung, Umwelt und vielen weiteren Bereichen. Um die strukturellen Defizite der Aargauer Wirtschaft zu verbessern wird mittels Wirtschaftshilfe das Technologietransferzentrums «Anaxam» finanziert. Es soll die Nutzung von Forschungsanlagen durch die Industrie erleichtern. Fast alle Fraktionen sprechen sich dafür aus. Regierungsrat Urs Hofmann sieht keinen Anlass für Kürzungen bei der Standortförderung, wie dies die SVP gefordert hatte. Unter anderem wird ein Verpflichtungskredit für die Revitalisierung des Furtbach in Würenlos, der ähnliche Defizite aufweist wie der Möhlinbach im unteren Abschnitt, gesprochen.

Die FDP setzt sich für eine Richtplanänderung für einen Golfplatz Gnadenthal in Niederwil ein. Das Ansinnen wird versenkt. Nach der Pause verliest Claudia Rohrer aus Rheinfelden eine Fraktionserklärung der SP zum Jahrtag des Frauenstreiks am 14. Juni. Pflege- und Betreuungsarbeit werden immer noch zu schlecht entlöhnt und Teilzeitarbeit führt für Mann und Frau mit niedrigen Löhnen zu Altersarmut. Die von der SVP verlangte Schuldenbremse bei den Reformvorhaben Immobilien würde unter anderem die Finanzierung der Mittelschule im Fricktal gefährden. Das Postulat der CVP, FDP und SVP betreffend Senkung der Gewinnsteuersätze für juristische Personen (Firmen) wird überwiesen. Es ist zu hoffen, dass dies kein finanzpolitischer Selbstmord wird. Der interkantonale Steuerwettbewerb ist gerade in der aktuellen Krise schlicht unvernünftig und für von der Krise betroffene Unternehmer sogar kontraproduktiv. Denn diese können davon gar nicht profitieren.

Zwei Vorstösse der SP zu hindernisfreien öffentlichen Verkehrsanlagen werden abgelehnt. Ein Vorstoss von Bernhard Scholl aus Möhlin für bessere Anschlüsse von SBB und Postauto im unteren Fricktal wurde beantwortet. Die Anschlüsse seien in Richtung Basel ausgerichtet.

Eine bessere Abstimmung in Richtung Aarau und Zürich ergäbe sich deshalb nur durch einen Ausbau des Angebots. Vielleicht könnte dies mit einem zusätzlichen Postauto-Kursangebot zwischen Wegenstetten und dem Oberstufenzentrum Steinli in Möhlin-Ryburg erreicht werden.


KOMMENTAR

Was läuft sonst noch?

Die Grünen und die Sozialdemokraten haben diese Woche zusammen mit Gewerbeverbänden die Aargauische Klimaschutz-Initiative eingereicht. Im Zentrum der Energiestrategie des Kantons soll die Steigerung der Energieeffizienz und der Ausbau von erneuerbaren Energien mit Schwerpunkt im Gebäudebereich stehen. Das lokale Gewerbe soll davon profitieren, im Einklang mit dem neuen Energiegesetz und dem Geld-Rückfluss aus der CO2-Abgabe. Weitere Postulate wurden zum Erhalt von Lehrstellen und für bessere Arbeitsbedingungen für Personal in der Pflege eingereicht. Es zeigt sich, dass es Vorstösse zum sozialen Ausgleich in dieser Zusammensetzung des Grossen Rats schwer haben. Der Regierungsrat hat das Postulat 20.51 zur Beibehaltung des Einwohner-Bürgerrechts bei Gemeindefusionen entgegengenommen. Eine fragwürdige Verteilaktion sollte wohl vom wirklichen Problem, der fehlenden Gleichstellung und Chancengleichheit in vielen Bereichen ablenken. Dazu Lutz Fischer-Lamprecht, EVP: «Ich kann verstehen, dass manche zu M-Köpfen weiter so sagen wollen. Aber das exzessive Engagement der SVP scheint mir ein Kampf für das Recht auf (ein bisschen?) Rassismus zu sein.»

WERNER ERNI, MÖHLIN


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