«Ich war nicht nur Angestellter, sondern auch Unternehmer»

  04.06.2020 Persönlich, Sulz

Für Bruno Zumsteg stand stets der Mensch im Vordergrund

Nach 43 Jahren Arbeit im Bankensektor, wovon deren 37 bei Raiffeisen, ging Bruno Zumsteg jetzt in Pension. Er erlebte die Entwicklung von der damaligen Stubenbank hin zum umfassenden Finanzdienstleister.

Dieter Deiss

Gerade mal 24 Jahre jung war Bruno Zumsteg, als er am 1. Dezember 1982 seine Arbeit bei der Raiffeisenkasse Sulz aufnahm. Er war der erste hauptamtliche Angestellte der kleinen Dorfkasse, die auf dieses Datum hin auch ihr neu erstelltes Bankgebäude in Betrieb nahm. Bisher wurden nämlich die Bankgeschäfte im Hause des jeweiligen Verwalters abgewickelt.

Einstieg mit Handbuchhaltung
Büroräume und Akten zügeln waren seine ersten grossen Aufgaben, erinnert er sich, sowie die Einrichtung «seiner» Bank. Es war übrigens die Zeit, als es bei der Raiffeisenkasse Sulz mit Ausnahme einer Rechenund einer Schreibmaschine keine weiteren Maschinen gab. Die gesamte Buchhaltung wurde von Hand geführt, sämtliche Belege von Hand geschrieben. «Das war für mich totales Neuland», erzählt Bruno Zumsteg, der vorher fünfeinhalb Jahre bei der Aargauischen Kantonalbank gearbeitet hatte, wo die EDV bereits Alltag war.

Damit aber nicht genug: Der Vorstand hatte nämlich beschlossen, dass zusammen mit dem Neubau und der Anstellung eines hauptamtlichen Verwalters gleichzeitig auch eine EDV-Anlage zu beschaffen sei. So fiel dem jungen Bankmann die aufwändige Datenerfassung zu. Es habe damals beispielsweise kein Adressverzeichnis der Kunden gegeben. Als Einheimische hatten seine Vorgänger die Anschriften im Kopf. Die neue EDV-Anlage war zudem ein in sich geschlossenes System und hatte keine Schnittstellen nach aussen. «Erst ab dem Jahr 2000 gab es eine einheitliche, gesamtschweizerische EDV-Vernetzung bei Raiffeisen», berichtet Bruno Zumsteg über die «Steinzeit» der Raiffeisenbank. Vier Wechsel bei den Datenverarbeitungssystemen habe er im Laufe seiner Tätigkeit erlebt.

Als 24-Jähriger habe er bei seinem Einstieg eine grosse Verantwortung übernommen, meint Zumsteg rückblickend. «Allerdings hatte ich aufgrund meiner bisherigen Tätigkeit für damalige Verhältnisse sehr gute Voraussetzungen.» In der ganzen Region, wo es noch in beinahe jedem Dorf eine Raiffeisenkasse gab, waren die Verwalter zumeist nebenamtlich angestellt und kamen zudem aus völlig unterschiedlichen Berufen, nur nicht aus dem Bankfach. So sei er vielen seiner älteren Kollegen oftmals mit Rat und Tat zur Seite gestanden.

Zusammenschluss mit Kaisten
Unterdessen war die Raiffeisenkasse zur Raiffeisenbank geworden und entwickelte sich unter der Leitung von Bruno Zumsteg hervorragend. Bis zur Fusion mit Kaisten im Jahre 2004 standen für die Bewältigung des Pensums lediglich insgesamt zweieinhalb Stellen zur Verfügung. Die ständig wachsenden Vorschriften, die Einführung des Vieraugenprinzips und die stete Gewährleistung der Stellvertretung zeigten jedoch zunehmend, dass dieser Weg auf die Dauer nicht weiter beschritten werden kann. Deshalb habe er die Initiative ergriffen und Vorstand und Aufsichtsrat von der Notwendigkeit einer Fusion mit Kaisten überzeugt. Bruno Zumsteg wurde in der zusammengeschlossenen Bank als Stellvertreter des Bankleiters Mitglied der Bankleitung und Leiter der Geschäftsstelle Sulz. Später übernahm er dann bis zu seiner Pensionierung nebst weiteren Aufgaben die Leitung der Kreditabteilung.

Nachdem 2014 die Raiffeisenbanken von der Finanzmarktaufsicht als systemrelevant bezeichnet wurden, sei immer mehr reguliert worden. Die Abläufe würden heute zu einem grossen Teil vom Gesetzgeber und von der Zentrale in St. Gallen vorgegeben. «Während früher ein Kreditdossier aus höchstens zwei bis drei Blättern bestand, so sind dies heute Zentimeter dicke Aktenbündel» erzählt der Kreditleiter der Bank. Bedauerlich findet Bruno Zumsteg, dass der angestrebte Zusammenschluss mit der Raiffeisenbank Mettauertal nicht zustande kam und sich diese jetzt nach Frick gewandt hat. «Ein Zusammenschluss mit Mettauertal wäre ideal gewesen», meint er. Solange man die regulatorischen Auflagen erfüllen könne, bleibe man beim Alleingang.

Der grosse Fall des Vincenz
Die grösste Enttäuschung in seiner Raiffeisenkarriere war der Fall von Pierin Vincenz, dem ehemaligen Chef von Raiffeisen Schweiz. Das sei für ihn eine riesige Enttäuschung gewesen. Betroffen machen ihn aber auch die zahlreichen Beiträge in den Medien, wo die Bankangestellten und Banken oftmals als Gangster und Abzocker hingestellt werden. «Solche Pauschalierungen tun weh», meint er. «Ich stand stets mit Herzblut für unsere Bank ein und war nicht nur Angestellter, sondern auch Unternehmer. So wollte ich die Bedürfnisse der Kunden befriedigen und gleichzeitig auch die Bank wirtschaftlich führen, also für beide Teile nur das Beste», betont er. Einen Kunden an die Konkurrenz zu verlieren habe ihn stets geschmerzt.

Mit seinem freundlichen, gewinnenden Wesen hatte der aus Wil stammende Bruno Zumsteg von Beginn weg das Zutrauen der Bevölkerung auf seiner Seite. Selbst ältere Leute vertrauten sich ihm an, fragten ihn um Rat in finanziellen Angelegenheiten oder traten gar mit Erbschaftsproblemen an ihn heran. «Dies waren für mich ausserordentlich schöne Erfahrungen und stärkten mich in meiner Arbeit», erzählt er. «Wir waren damals wie heute in Sachen Kundennähe federführend», betont er. Ein grosses Anliegen war ihm stets die Vermeidung von Interessenskonflikten. Deshalb sei er nie einem Verein in Sulz beigetreten, was ihn freilich nicht von einer aktiven Teilnahme am Gemeindeleben abhielt. Als Bankenvertreter war er während zehn Jahren Vorstandsmitglied im Gewerbeverein und half bei zahlreichen Gewerbeausstellungen im OK mit.

Auf die Frage, ob er nie eine Karriere als Banker bei einer grossen Bank angestrebt habe, antwortet er: «Ich habe Karriere in meinem Betrieb gemacht, wo ich von der damaligen Stubenbank bis zur heutigen Bank mit den umfassenden Dienstleistungen alles erarbeiten musste.» Im Laufe der beinahe vier Jahrzehnte bei Raiffeisen gab es für ihn zahlreiche Höhepunkte. Namentlich zählt er dazu die Jubiläumsfeiern zum 75. Geburtstag der Raiffeisenbank Sulz im Jahr 1986 und zum 100. Geburtstag der Raiffeisenbank Regio Laufenburg im Jahr 2017.

Musik ist meine Leidenschaft
Dass man als Banker nicht nur Zahlen im Kopf hat, beweist Bruno Zumsteg mit seiner grossen Leidenschaft zur Musik. Seit seiner Jugendzeit gehört er der Musikgesellschaft Mettau an, wo er das Kornett spielt. Durch seinen Vater, ehemals ebenfalls Mitglied der MG Mettau, wurde er auf das Musikspiel aufmerksam und Max Knecht, damaliger Dirigent in Mettau und Musiklehrer brachte ihm das Trompetenspiel und die Freude an der Musik bei. Seit 35 Jahren bestimmt er als Mitglied der Musikkommission die Programmwahl der Mettauer Musikantinnen und Musikanten aktiv mit. «Ich übe heute noch regelmässig», betont der ehemalige Militärtrompeter, der bei verschiedenen Anlässen ein gern gesehener Musiker ist.

Was macht der 62-Jährige jetzt in seinem neuen Lebensabschnitt? Er werde mehr Zeit haben für die Musik. «Die bedeutet mir sehr viel», betont er. Grosse Reisen sind bei den Zumstegs jedoch nicht angesagt. Ferien in der Schweiz oder im nahen Ausland, insbesondere aber Städtereisen stehen auf dem Programm. Bei letzteren wecken Konzerte und Architektur sein grosses Interesse. Als Familienmensch wird der Neupensionierte die gewonnene Freizeit durch vermehrte Kontakte geniessen. Er sei während seiner beruflichen Tätigkeit von seiner Familie, insbesondere von seiner Frau Monika, stets aktiv unterstützt worden.

Die Liebe zur Natur hat den auf einem Landwirtschaftsbetrieb aufgewachsenen Bruno Zumsteg von Kind auf begleitet. Mit Freude hat er denn auch stets seinen Eltern und später seinem Bruder auf dem elterlichen Bauernhof geholfen. «Ein Beruf in der Landwirtschaft wäre für mich durchaus eine Option gewesen», meint er dazu. Da ist es kaum verwunderlich, dass ihm die Gartenarbeit höchste Befriedigung schenkt. Mit der prächtigen Anlage rings um sein Haus hat er dazu auch gleich den Beweis erbracht.


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