Wenn Nähe und Besuche fehlen

  17.05.2020 Fricktal, Laufenburg, Gesundheit

Um der Einsamkeit und der Isolation von alleinstehenden oder kranken Menschen entgegenzuwirken, wurde vor zehn Jahren der Besuchsdienst Regio Laufenburg gegründet. Die heute 20 Besucherinnen und Besucher sind sehr gefragt. Umso schmerzlicher war es für alle Beteiligten, dass mit der Corona-Situation die wertvollen, gemeinsamen Stunden nicht möglich waren.

Susanne Hörth

Fehlende soziale Kontakte, Isolation zuhause oder im Pflegeheim: das und mehr war während der vergangenen Wochen für viele Menschen eine sehr belastende Nebenwirkung der Corona-Schutzmassnahmen. Allein, einsam, krank und isoliert sind aber viele Frauen und Männer nicht erst seit Corona. Mit regelmässigen Besuchen, gemeinsamen Spaziergängen, zusammen Kaffee trinken oder einfach bei einem gemütlichen Schwatz sorgt der Besuchsdienst Regio Laufenburg seit nun bereits zehn Jahren dafür, dass die betroffenen Menschen eine Abwechslung in ihrem oft tristen Alltag erhalten. Mit der Corona-Situation mussten diese wertvollen Besuche jäh abgebrochen werden. Auch die für den 7. Mai geplante Jubiläumsversammlung des Besuchsdienst Regio Laufenburg fand nicht statt. Mit dem schriftlichen Einverständnis der Trägerschaft (siehe dazu Kasten) konnte der Jahresbericht 2019 dennoch genehmigt werden. Mit den nun beschlossenen Lockerungen dürfen die insgesamt 20 Besucherinnen und Besucher ihre freiwillige Arbeit langsam wieder aufnehmen. Wobei nach wie vor die Abstand- und Hygienemassnahmen einzuhalten sind. Froh, dass es trotz Einschränkungen wieder möglich wird, ist ganz besonders Myrta Zimmermann. Seit Bestehen des Besuchsdienst Regio Laufenburg koordiniert sie die Einsätze, ist selbst Besucherin.

Mit Telefonanrufen, Briefen und Karten oder etwas vorbeibringen (und abgeben) wurde in den vergangenen Wochen versucht, den Kontakt zu den Besuchenden zu halten. «Die Situation ist auch für uns sehr schwierig Es hat sich bei den regelmässigen Treffen eine Beziehung und Nähe entwickelt und manchmal sind wir zu Vertrauten geworden», so die Stellenleiterin. «Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, dass es keine Nähe mehr geben wird, geben darf. Wir werden einfach abwarten müssen und das fällt schwer.» Ein Streifen am Horizont hat sie erlebt, als sie am 4. Mai ihren ersten Besuch im Begegnungsraum des Gesundheitszentrums Fricktal am Standort Laufenburg machen konnte. «Ich habe ‹meine› Maria seit sieben Wochen nicht mehr gesehen. Gespräche am Telefon waren leider nicht möglich, ausser Nachfragen auf der Station.»

Myrta Zimmermann erzählt, wie sie vor einer Plexiglaswand in einem kleinen frisch desinfizierten Raum gesessen und gespannt auf Maria gewartet hat. «Sie wurde hereingebracht und die Freude war auf beiden Seiten unbeschreiblich. Die lange und herausfordernde Zeit hat Spuren hinterlassen. Trotzdem war die Vertrautheit schon bald wieder da.»

Wird in dieser Zeit noch deutlicher, welch hohen Stellenwert ein solcher Besuchsdienst gerade für ältere Leute hat? Myrta Zimmermann bejaht, fügt aber an: «Ob der Besuchsdienst nachher noch der gleiche sein wird, bezweifle ich sehr und dies macht mir grosse Sorge. Da, wo bei Besuchen keine oder nur wenig Worte möglich sind, da ist Nähe, eine kleine Berührung, nebeneinander sitzen auf einer Bank, neben dem Rollstuhl knien und gemeinsam an Blumen riechen, das, was die Menschen im Herz berührt. Denn das Herz wird nicht dement. Ob und wann das wieder möglich sein, wird wissen wir alle nicht.»

Zeit schenken
Myrta Zimmermann wünscht sich für die Zukunft des Besuchsdienst, dass immer wieder Menschen gefunden werden können, die sich freiwillig und mit Herzblut für diese Art der Freiwilligenarbeit engagieren. «Ich hoffe, dass es uns gelingen wird, vielleicht nach Covid-19 in einer anderen Form, den Menschen das Gefühl zu geben, wieder ein Teil der Gesellschaft zu sein und nicht nur, dass wir sie vor allem schützen müssen.»

Das 10-Jahre-Jubiläum soll mit einem fröhlichen und gemütlichen Fest gefeiert werden. Mehr will Ursula Jutzi, Präsidentin des Ausschusses nicht verraten. «Es ist alles vorbereitet und könnte am 4. September losgehen. Allerdings mit der heutigen Situation, ist es noch sehr ungewiss, ob die Feier durchgeführt werden kann. Wir sind optimistisch und freuen uns auf das Jubiläum.»


Die Geschichte des Besuchsdienstes

Eine der Hauptinitiantinnen des Besuchsdienstes war Verena Salvisberg, ehemalige reformierte Pfarrerin in Laufenburg. Sie erzählt: «Die Idee für den Besuchsdienst entstand an einer gemeinsamen Sitzung des katholischen Pfarreirats Kaisten und der reformierten Kirchgemeinde Laufenburg und Umgebung. Jemand aus dem Pfarreirat kannte persönlich eine jüngere, kranke Person, die Besuch bekommen sollte, aber niemand fühlte sich zuständig. Dies traf sich mit meinem Wunsch nach Ausbau der Diakonie. Im Einzelpfarramt waren all die Besuche, die ich als nötig erachtete, nicht zu bewältigen.» Es sollte kein klassischer Besuchsdienst der Kirchgemeinden werden. Der Fokus lag daher auf einem konfessionell neutralen Angebot. Eines, das nicht sich nicht nur auf ältere Menschen beschränkt. «Damit dieses weit gefasste Konzept finanziert und umgesetzt werden konnte, strebten wir von Anfang an die Vernetzung mit den Kirchgemeinden und den politischen Gemeinden der Region und anderen Anbietern, wie etwa dem Roten Kreuz, an. Dabei musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Nicht zuletzt, weil wir in diesem Entstehungsprozess für Einsamkeit und Isolation auch in unseren sozial intakten Gemeinden sensibilisieren konnten, war die Gründung des Besuchsdienstes wichtig», erzählt Verena Salvisberg.

Der Trägerschaft des Besuchsdienst Regio Laufenburg gehören an: Einwohnergemeinde Kaisten; Gesundheitszentrum Fricktal; Katholische Kirchgemeinden Kaisten, Laufenburg und Sulz; Pro Senectute Aargau; Reformierte Kirchgemeinde Laufenburg und Umgebung; Stadt Laufenburg sowie der Verein für Altersbetreuung oberes Fricktal. (sh)


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