«Heimatbriefe» werfen Schlaglicht auf die Hitler-Propaganda

  28.05.2020 Laufenburg

Eine Lücke in der Stadtgeschichte von Laufenburg Baden wird geschlossen

Die aktuelle Grenzschliessung zwischen Deutschland und der Schweiz erinnert an die letztmals geschlossenen Übergänge während des Zweiten Weltkriegs. Ist es heute die Angst vor einem Virus, so war es damals die Angst vor dem Einmarsch von Hitlers Truppen.

Dieter Deiss

Die badische Stadt Laufenburg verfasste in den Kriegsjahren 1939 bis 1944 sogenannte Heimatbriefe, welche regelmässig an die im Kriegsdienst stehenden Soldaten aus Laufenburg verschickt wurden. Der erste Brief erschien am 15. Dezember 1939 und im Oktober 1944 wurde der 45. und letzte Heimatbrief verschickt.

Stadtarchivar Martin Blümke und Franz Schwendimann, Verfasser mehrerer Veröffentlichungen zur Stadtgeschichte Laufenburgs, haben in mühseliger Arbeit sämtliche 45 Heimatbriefe aus verschiedensten Quellen zusammengetragen und als Faksimile-Drucke im Original veröffentlicht. Den Briefen vorangestellt haben die beiden Autoren 38 Laufenburger Geschichten vorwiegend aus den Kriegsjahren 1939 bis 1945.

Akten wurden verbrannt
In ihrer Einführung weisen Blümke und Schwendimann auf die dreibändige Stadtgeschichte der beiden Städte Laufenburg hin, die in den Jahren 1979 bis 1986 entstanden ist. Band 2 schildert die Geschichte der badischen Stadt ab 1802, also seit der Trennung. Allerdings werden darin die Ereignisse der Jahre 1933 bis 1945 weitgehendst ausgeblendet. Dies nicht zuletzt deshalb, weil vor dem Einmarsch der französischen Truppen im April 1945 von Mitgliedern der Hitler-Jugend und auf Befehl des letzten Ortsgruppenleiters und Bürgermeisters Bertold Bohnert zahlreiche Akten verbrannt wurden. Blümke und Schwendimann ist es zu verdanken, dass sie jetzt mit ihrem Werk eine wichtige Lücke in der Stadtgeschichte geschlossen haben. Die zwei- bis zehnseitigen Heimatbriefe wurden den Frauen und Männern an der Front und in Lazaretten zugestellt. Herausgeber und Schriftleiter war stets der Laufenburger Bürgermeister Alois Häffner. Dieser war in seinen Äusserungen nicht frei, wurde er doch von dem mitunterzeichnenden Ortsgruppenleiter der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (NSDAP) kontrolliert. Ab 1941 mussten die Briefe vor dem Versand von der Gestapo in Karlsruhe und ab 1943 vom Reichspropagandaamt in Strassburg genehmigt werden.

Schrecken des Krieges ausgeblendet
Die Heimatbriefe widerspiegeln die damalige Zeit denn auch sehr einseitig. Da werden Adolf Hitler und sein Tun verherrlicht. Kritik am Führer gibt es nirgends, selbst dann noch, als sich die Niederlage Deutschlands abzuzeichnen begann. 123 Gefallene und Vermisste hatte Laufenburg im Zweiten Weltkrieg zu beklagen. Die Toten konnten auch in den Heimatbriefen nicht verschwiegen werden, wurden dort aber als Helden gefeiert. Regelmässig liest man da vom «Heldentod von lieben Kameraden und Mitbürgern». So etwa vom 19 Jahre alten Jüngling, der bei einem Sturmangriff seiner Kompanie für «Führer, Volk und Vaterland» gefallen sei und auf einem Heldenfriedhof in fernen Landen zur letzten Ruhe gebettet worden sei.

Es fehlt auch nicht an Beiträgen verschiedener Frontsoldaten. Diese schildern ihre Erlebnisse oftmals so, als wären sie auf einer spannenden Abenteuerreise irgendwo in Russland, in Frankreich oder in Nordafrika. Die Schrecken des Krieges werden fast vollständig ausgeblendet. Auch aus der Heimat wird alles beschönigend dargestellt. Nichts ist da zu lesen von der täglichen Not, von der Unterdrückung oder gar Deportation von Juden, umso mehr jedoch von glamourösen Festen zu Hitlers Geburtstag, von pompösen Feiern für die gefallenen Helden oder von wichtigen Referaten von Parteibonzen.

Das von der Stadt Laufenburg (Baden) herausgegebene, 460 Seiten umfassende Buch ist ein äusserst spannendes Zeitdokument. Es kann zum Preis von 25 Euro bei der Kultur- und Tourismusabteilung von Laufenburg oder im Buchladen «Buch & Cafe» erworben werden.


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