«Wer Hilfe annimmt, zeigt Stärke»

  03.04.2020 Zeiningen

Die Solidarität ist gross – doch viele ältere Menschen zieren sich

Durchs Fricktal brandet eine Welle der Solidarität, um dem Coronavirus Herr zu werden. Helfer zu finden, ist kaum ein Problem. Doch viele ältere Personen zeigen sich gehemmt, die Hilfe auch in Anspruch zu nehmen.

Ronny Wittenwiler

«Möhlin hilft. Gemeinsam schaffen wir das!» Das Beispiel ist nur eines im Kampf gegen Corona. Im Fricktal formieren sich Bewohner zu Gruppen, die freiwillige Arbeit für ihre Mitmenschen leisten. Dasselbe geschieht auch in Zeiningen.

«Sie tun sich schwer, Hilfe anzunehmen»
Einwohner haben zusammen mit dem Verein «MitenandFürenand» eine Nachbarschaftshilfe ins Leben gerufen. «Es ist eine grosse Solidarität zu spüren», lässt die Gemeindeverwaltung jetzt verlauten: «Rund sechzig Personen haben sich als Helferinnen und Helfer gemeldet. Das ist wunderschön.» Sie alle wollen mithelfen, indem sie für Personen einer potenziellen Risikogruppe ihre Unterstützung bei Einkäufen oder anderen Botengängen bieten. Es zeigt sich allerdings ein Missverhältnis, wie die Gemeindeverwaltung schreibt: «Die gefährdeten Personengruppen – ab 65 Jahren und Kranke – tun sich noch schwer, Hilfe anzunehmen.».

Tatsächlich haben bislang weniger als zehn Personen um Unterstützung angefragt. In Zeiningen leben 430 Seniorinnen und Senioren. Einige würden sicherlich durch ihre Familien unterstützt. Gemeinderat, die vielen Freiwilligen sowie der Verein «MitenandFürenand» richten nun an alle anderen aber einen Appell, die angebotene Hilfe dringend auch anzunehmen (siehe Box).

Der Mensch, das Gewohnheitstier
Gefragt nach möglichen Gründen für das aktuelle Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, sagt Gemeindeschreiberin Sheena Heiz: «Viele haben sicherlich ihre Routine, die schwer aufzugeben ist. Andererseits ist es nicht einfach, sich von anderen Personen, meist sogar Fremden, abhängig zu machen und etwas Neues auszuprobieren. Der Mensch ist halt doch ein Gewohnheitstier.» Die Gemeinde Möhlin ihrerseits, die am 24. März rund 2000 Briefe an Personen über 65 Jahre verschickt hatte mit einer Liste von freiwilligen Helfern, erwägt, eine Liste mit Kontaktangaben von Personen aufzuschalten, die auf Unterstützung angewiesen sind. «Erscheint in Kürze», heisst es im Internet an betreffender Stelle. Vielleicht erscheint sie aber auch nicht. Möhlins Gemeindeammann Fredy Böni sagt: «Wir gehen davon aus, dass sich viele Hilfsbedürftige direkt an die Helferinnen und Helfer auf der Liste wenden und die Liste der Hilfesuchenden nicht ohne Grund leer bleiben wird.»

«Wir sind wahnsinnig froh»
Fakt ist: Die Solidarität der Menschen, die ihre Hilfe jetzt in einer schwierigen Situation anbieten wollen, ist gross – praktisch überall in den Gemeinden des Fricktals. «Noch bevor der Bundesrat den Lockdown angekündigt hatte, fragten viele Einwohnerinnen und Einwohner an, ob und wie sie helfen können», sagt Zeiningens Gemeindeschreiberin Sheena Heinz. «Aus Sicht der Gemeinde sind wir wahnsinnig froh, dass sich Privatpersonen und der Verein ‹MitenandFürenand› so schnell formierten und innert kürzester Zeit Hilfe angeboten werden konnte.»

Die Gemeindeschreiberin lässt es sich nicht nehmen, quasi stellvertretend für die Gemeinde Zeiningen, eindringlich zu appellieren: «Wir sind in einer noch nie dagewesenen Lage. Entsprechend müssen neue Wege gegangen werden. Wer Hilfe annimmt, zeigt Stärke und nicht, wie vielleicht vermutet, Schwäche. Viele Personen warten nur darauf, helfen zu dürfen. Jeder, der zur gefährdeten Gruppe gehört und zu Hause bleibt, kann Leben retten und zudem den Helfern noch ein gutes Gefühl geben.»


«Wir unterstützen Sie!»

So funktioniert die Nachbarschaftshilfe in Zeiningen: Freiwillige Zeiningerinnen und Zeininger und der Verein «MitenandFürenand» kaufen für gefährdete Personengruppen ein (Essen, Medikamente, etc.), bringen Takeaway-Menüs vorbei oder erledigen Botengänge. Auch ein kleiner Schwatz durchs Fenster ist – wenn gewünscht – möglich. Wie die Nachbarschaftshilfe aussieht, bestimmt immer die angewiesene Person.

Gemeinderat, freiwillige Zeiningerinnen und Zeininger sowie der Verein «MitenandFürenand» bitten: «Zögern Sie nicht und melden Sie sich bei Tamara Mattmann, Tel. 079 667 19 85 oder tamara.mattmann@gmail.com». (mgt/nfz)


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