Unsere Mutter

  24.03.2020 Leserbriefe, Herznach

Das Wort Wald suggestiert mir Romantik und Wildnis. Wald hat in sich etwas mystisch-achaiisches und hat schon immer die Fantasie der Menschen angeregt. Ich erlebe das im realen, 32. Lebensjahr, erschreckend anders. Wir gestatten noch einzelne kleine «Wald-Inselchen», der Rest dient der Wirtschaft als Treibmittel gnadenlos. Ja, ich bin selbstverständlich für nachhaltige Rohstoffe und eine «ausgeglichene» Wirtschaft. Nur, das fatale Problem meiner Meinung nach, ist, dass die Wirtschaft zusammen mit dem inzwischen ausufernden, exzessartigen Kapitalismus den Zwang hat zum Wachstum und so nie nachhaltig sein kann! Nur einer von vielen Auszügen aus unserer Bundesverfassung: Kapitel 4 Pflege und Nutzung des Waldes; Art 20 Abs. 1 «Der Wald ist so zu bewirtschaften, dass er seine Funktionen dauernd und uneingeschränkt erfüllen kann (Nachhaltigkeit).» Wenn man diese Artikel durchgelesen hat, fragt man sich dann vielleicht schon, wo denn da die Gesetze wirklich greifen. Obwohl wir ein kleines, aber zurecht stolzes Volk sind, habe ich inzwischen das Gefühl, dass wir auf einigen Gebieten nur noch rein materialistisch und beinahe empathielos vorgehen. So auch mit unseren Wäldern. Wie oft sehe ich Flächen drei, vier Fussballfelder gross, die mit brachialer Gewalt gerodet wurden – obwohl das Gesetz Rodung doch verbietet.? Der Wald, wie die anderen Teile der Natur ist ein in sich geschlossenes, komplexes System. Ein Organismus von unschätzbarem Wert. Und was tun wir? Bewirtschaften! Natürlich ist es eben nicht rentabel, den Wald von Hand aufzuforsten und möglichst viele «Mutterbäume» stehen zu lassen. Besser man erntet gleich alles. Den grössten Teil des Holzes kann man ja zu Holzschnitzel oder so verarbeiten. «Aufgeforstet» wird in diesem Fall. Ich weiss, es gibt auch sinnvollere Beispiele, vornehmlich mit Rottannen auf der einen Seite und mehrheitlich Baumnüsse (eigentlich ein nicht heimisches Gehölz) auf der anderen Seite. Apropos Baumnüsse: der abgesonderte Gerbstoff der Blätter, am Boden, kann das Keimen von anderen (auch heimischen) Pflanzen hemmen. Und die wirtschaftliche Rottanne als Monokultur, kennen wir ja alle auch. Das ist nicht Nachhaltigkeit! Ich verstehe ja die Waldbesitzer und Holzhändler in ihren Absichten, ihr Geschäft zu generieren. Trotzdem; ich frage mich, ob wir Menschen, die Wurzeln zu unserer Natur verloren haben? Wo ist dieser profunde, heilige, andächtige Bezug zu unserer umgebenden Natur? Wo ist der Respekt gegenüber der Natur? Mir scheint, wir haben all wie mehr vergessen, wer wir eigentlich sind! Es scheint sich auf beängstigende Weise eine geistige Verrohung anzubahnen. Wenn Sie das nächste Mal in den Wald gehen, bitte ich Sie, Ausschau nach Mutterbäumen zuhalten. (die einzelnen, nach der Ernte, stehen geblieben, arme Geschöpfe zählen nicht). Sie werden nicht mehr viele alte Bäume finden! Ich wünsche mir, dass wir wirklich endlich erkennen, dass wir alle ein Teil dieses wunderbaren biologischem Netzwerks (Erde) sind. Fangen wir endlich (wieder) an Mutter Natur zu achten und ihr unsere volle Wertschätzung und Liebe zu geben. Nicht die Wirtschaft als solches, sondern die Natur schenkt uns Leben und Wohlstand.

MANUEL NÄGELIN, HERZNACH


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