Auf den Schock folgt Galgenhumor

  06.03.2020 Nordwestschweiz

Fortura AG bleibt nicht wie befürchtet auf Tonnen von Orangen sitzen

Viele Baselbieter und Basler Cliquen haben ihre bei der Fortura AG bestellten Orangen und Mimosen abgeholt. Dies, obwohl es heuer keine Umzüge gab. Bei den Konfetti-Bestellungen rechnet das Unternehmen mit Einbussen beim Umsatz.

Sebastian Schanzer

«Wir wollen die Ware nicht mehr. Macht damit, was ihr wollt.» Die Basler und Baselbieter Cliquen, die ihre Orangen und Mimosen, Konfetti und Schleckwaren bei der Fortura AG aus Zunzgen bestellt hatten, wollten nach der offiziellen Absage der Fasnacht nichts mehr wissen von dem bereits bezahlten Material – zunächst jedenfalls. Der Fortura drohte das Szenario, auf Tonnen von bestellten Orangen und Mimosen sitzen zu bleiben. «Wir überlegten uns bereits, wie wir das Ganze kompostieren können», sagte Stefano Papini, Mitglied der Geschäftsführung, auf Anfrage. So weit kam es dann doch nicht: «Nach dem ersten Schock meldeten viele Cliquen, sie würden die Orangen und Blumen nun doch abholen», so Papini, «um sie – auf welchem Weg auch immer – unter die Leute zu bringen.» Bald standen nur noch zwei Kisten Orangen und zehn Kisten Mimosen zur freien Verfügung im Lager.

1000 Franken für guten Zweck
Bereits am Samstag stellte die Fortura Mimosen und Orangen vor dem Laden ab. Wer daran Interesse habe, dürfe sich bedienen und freiwillig eine Spende in das «Kässeli» werfen, kommunizierte die Firma auf ihrer Webseite. Rund eine Tonne Orangen und etwa 600 Kilogramm Blumen kamen auf diese Weise weg. 1000 Franken kamen im «Kässeli» zusammen. Das Geld kommt dem Verein Insieme zugute, der sich für Menschen mit geistiger Behinderung einsetzt, so Papini. Zusätzlich schaltete der Spielwarenhändler auch einen Aufruf auf Facebook auf der Suche nach Ratschlägen, was mit dem überschüssigen Material zu tun sei. «Etwa 200 Vorschläge haben uns auf diese Weise erreicht. Es waren super Ideen dabei», sagt Papini. Manche Leute holten Material ab, um es in Altersheimen zu verteilen, andere wollten Blumen zum Friedhof bringen. Zudem meldete sich die Organisation «Tischlein Deck Dich» als Abnehmer, deren Ziel es ist, Lebensmittel vor der Vernichtung zu retten und sie an armuts-betroffene Menschen in der Schweiz zu verteilen. Ein Happy End trotz abgeblasener Fasnacht für die Fortura also? Nicht ganz. Denn bei den Orangen und Mimosen fungiert die Firma nur als Zwischenhändler mit tiefen Margen. «Wir sehen das als eine Art Dienstleistung. Der Kunde kann neben den Konfetti und Schleckwaren auch die Orangen und Mimosen bei uns bestellen und bekommt so alles zusammen geliefert», sagt Papini. Das Basisgeschäft stellen aber die Konfetti dar. «Und hier bleiben wir etwa auf einem Drittel des Materials sitzen.» Da zumindest die katholische Fasnacht im Laufental und im unteren Baselbiet stattfinden konnte, sei man mit einem blauen Auge davongekommen. Dennoch drohen Einbussen beim Umsatz, die das Unternehmen allerdings erst im kommenden Jahr spüren wird. «Wir haben den Cliquen angeboten, die bestellten Konfetti bis zur nächsten Fasnacht gegen eine kleine Gebühr bei uns zu lagern.»

Orangensaft für Mitarbeiter
Er finde es faszinierend, wie sich die Cliquen nach dem ersten Schock wieder aufgerafft haben, resümiert der Fortura-Geschäftsführer. Der grossen Enttäuschung sei ein gewisser Galgenhumor gefolgt. «Ein Kunde tröstete zum Beispiel sein Kind, mit der Absage der Fasnacht hätte es etwas Historisches erlebt.» Und auch beim Zunzger Unternehmen wird keineswegs Trübsal geblasen ob der drohenden Umsatzeinbussen. «Unsere Mitarbeiterinnen bekommen nun alle Blumen und die ganze Belegschaft lebt gesünder, weil sie viel Orangensaft trinkt.»


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote