«Wir verstehen uns auch ohne Worte»

  22.03.2020 Kaisten, Persönlich

Die Freundinnen und Berufskolleginnen Svenja Gujer und Franziska Birri aus Kaisten sind überglücklich: Ihr lang gehegter Traum einer gemeinsamen Gärtnerei hat sich erfüllt. Sie haben die alte Stadtgärtnerei in Aarau übernehmen können.

Mirjam Held

Es sind noch keine zehn Tage seit der Eröffnungsfeier der alten Stadtgärtnerei in Aarau vergangen. «Es war ein voller Erfolg», strahlt Svenja Gujer. Mit ihren 23 Jahren hat sich die Kaisterin zusammen mit ihrer Freundin Franziska Birri einen Traum erfüllt.

Seit ihrem vierten Altersjahr lebt Svenja in Kaisten. Zusammen, mit ihrer Mutter, dem Ziehvater und den beiden Geschwistern wohnte sie direkt neben dem Haus des Grossvaters. Zuvor war das Wohnhaus ein alter Stall. Mit viel Liebe zum Detail haben ihre Eltern ein schönes Wohnhaus daraus gemacht.

Ihren leiblichen Vater besuchte sie praktisch jedes Wochenende. «Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Vater» sagt sie.

Zusammen mit ihren Geschwistern verbrachte Svenja viel Zeit in der Natur. «Oft habe ich auf einer Decke auf der Kuhweide gelernt. Da unser Haus am Dorfrand lag und direkt an die Landwirtschaftszone grenzte, konnte ich meine Liebe zur Natur in vollen Zügen ausleben. Das habe ich sehr genossen.» Für Svenja war schon immer klar, dass sie nicht in einem Büro arbeiten möchte. «Schon bald stand fest, dass ich Floristin werden möchte.»

Ihre Lehre machte sie bei der Gärtnerei Stöckli in Frick und besuchte die Berufsschule in Brugg. Danach arbeitete sie in einem Blumengeschäft in Liestal. Nach acht Monaten musste sie aus wirtschaftlichen Gründen gehen.

Freundschaft und Arbeit
Franziska Birri lernte sie in der Schützengesellschaft in Kaisten kennen. Schon bald stellten die Frauen einige Parallelen fest. Nicht nur, dass sie Schützinnen sind, auch ihre berufliche Bestimmung teilen sie.

Aufgewachsen ist die Frohnatur Franziska Birri in Malters. Sie spielte engagiert Handball und verbrachte viel Zeit mit ihren beiden Geschwistern. Gemeinsam mit der Mutter spielte sie in einigen Kindertheatern mit. Die Mutter führte Regie, Franziska übernahm eine der Rollen. So kam es, dass sie in ein Tonstudio in Basel eingeladen wurde, um Kindergeschichten zu vertonen. Mehrere CD’s entstanden dabei. «Es war eine super tolle Erfahrung» erinnert sich Franziska.

Es war lange nicht ganz klar, welchen Beruf sie erlernen wollte. «Ich wusste immer ganz genau, was ich nicht wollte», erzählt sie. Mehrere Schnupperlehren brachten sie schliesslich zum Ziel und sie begann ihre Lehre zur Floristin bei der Blumengalerie Steiner im Entlebuch.

Der Liebe wegen kam sie ins Fricktal. Seit vier Jahren wohnt sie in Kaisten und fühlt sich mittlerweile hier zu Hause. «Mein Vater war sogar etwas stolz, dass es mich ins Fricktal verschlägt,» schmunzelt sie und erklärt: «mein Heimatort ist Zeihen.»

Die gemeinsame Karriere beginnt
Franziska holte Svenja mit ins Boot. Sie war zu diesem Zeitpunkt Filialleiterin bei Toni Suter in Dättwil. Bald schon war Svenja ihre Stellvertretung. Immer wieder liebäugelten die beiden mit leeren Räumlichkeiten und träumten von einer eigenen Gärtnerei. Konkret war aber nie etwas. «Für mich war klar, Toni Suter ist nicht meine Zukunft», sagt Franziska. Jedes Mal, wenn Franziska sich für eine andere Stelle beworben hat, brach für Svenja eine kleine Welt zusammen. «Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, ohne Franziska zu arbeiten. Das wäre der Horror für mich gewesen.»

Die Stadtgärtnerei
Das Schicksal spielte für die beiden Frauen. Sie entdeckten das Inserat der alten Stadtgärtnerei in Aarau. Neue Besitzer wurden gesucht und sie bewarben sich. Beim ersten Gespräch hatten sie nicht viel Hoffnung. Sie waren die Letzten, die sich beworben hatten. Vier weitere waren auch daran interessiert, den Betrieb zu übernehmen. Innerhalb von zwei Wochen erstellten die Frauen einen Businessplan und entwarfen ihr eigenes Logo.

Franziska sah die ganze Sache bedeutend lockerer als Svenja. «Für mich wäre es echt eine kleinere Katastrophe gewesen, wenn wir die Zusage nicht erhalten hätten», erinnert sich Svenja. Dann ging alles Schlag auf Schlag. Am 28. November vergangenen Jahres kam die Zusage der Bank. Einen Tag später kündeten sie ihre Stellen. Eine strenge Zeit lag vor den Powerfrauen. Die Adventszeit stand vor der Tür. Es galt, die Adventsaustellung vorzubereiten. Sie nahmen noch vor der Arbeit Banktermine wahr und begannen neben der regulären Arbeitszeit ein Konzept für ihre Gärtnerei zu entwerfen.

Erholung von dieser strengen Zeit fand Svenja in der Feuerwehr. «Die Feuerwehr ist wie mein zweites Leben», erklärt sie. Sie befindet sich gerade in der Ausbildung zur Gruppenführerin. Bereut haben sie die Entscheidung keine Sekunde. Im Gegenteil. Strahlend sahen sie ihrer Zukunft entgegen und zählten die Stunden im alten Betrieb.

Per 1. Februar übernahmen die beiden offiziell die alte Stadtgärtnerei. In den folgenden vier Wochen arbeiteten sie Tag und Nacht. «Wir waren fast wie verheiratet», schmunzeln sie. «Den Tag über haben wir gemeinsam die Räumlichkeiten renoviert, aufgeräumt und die Gärtnerei nach unserem Gusto eingerichtet. Kaum waren wir zu Hause haben wir miteinander telefoniert, weil uns noch irgendetwas in den Sinn gekommen ist.» Auch die Lebenspartner der beiden haben tatkräftig mitgeholfen. Sie haben sich teilweise freigenommen, um ihre Freundinnen zu unterstützen. Die ganze Familie und viele Freunde haben sie in dem Monat unterstützt. «Ohne diese Hilfe hätten wir es nicht geschafft. Dafür sind wir sehr dankbar», freut sich Franziska.

Die Eröffnung
Dann war er da, der grosse Tag. Am 1. März eröffneten die beiden mit einer Eröffnungsfeier die alte Stadtgärtnerei in Aarau. «Es war ein voller Erfolg», erzählen sie freudig. Viele Leute waren gekommen. Am meisten freute sie der rege Besuch der alten Stammkunden und deren positive Feedbacks. In einem sind sie sich einig. «Es war eine intensive, anstrengende Zeit. Nicht immer waren wir gleicher Meinung, manchmal die Stimmung etwas gereizt und angespannt.» Und trotzdem strahlen beide: «Es isch absolut s’Richtige gsi, wo mer gmacht händ.»

Kaum begonnen müssen sich die beiden Jungunternehmerinnen nun der aktuellen Situation um das Coronavirus’ unterwerfen. Auf ihrer Website halten sie fest: «Aufgrund des beschlossenen Notstands durch den Bundesrat müssen wir unsere Gärtnerei leider vorübergehend schliessen. Wir danken Ihnen für Ihr Verständnis und hoffen auf baldiges Wiedersehen.»


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