Der alte Baum am Waldrand in Olsberg

  13.02.2020 Leserbriefe, Olsberg

Ich war sehr alt, 200 Jahre oder mehr, im Sommer habe ich vielen Menschen und Tieren Schatten gespendet. Im Efeu, welches sich an meinem Stamm festhielt, wohnten jede Menge Insekten und Vögel. Wir gehörten zusammen, es ging uns gut, ich war kerngesund. Dann kam ein Förster oder wie auch immer die Leute heissen, die über uns bestimmen. Er traf den Entscheid und ich musste sterben. Jetzt liege ich auf dem Waldboden, meine Äste achtlos auf wilden Haufen. Ich werde wohl in einer Stube verheizt und wenn alles gut geht, gebe ich dann noch von der Wärme ab, die ich in all den Jahren in mir gespeichert habe. Mein Stamm wurde in Stücke gesägt, vielleicht werden aus mir Möbel gezimmert oder ich trage als Eichenschwelle ein Stück Gleis oder ich bleibe einfach liegen, wie so viele meiner Freunde im selben Wald. Die Zeit wird mich zersetzen, Pilze, Käfer und Würmer werden helfen mich in Humus zu verwandeln. Der Wald wird über mich wachsen und vielleicht wird aus einer meiner vielen Eicheln wieder eine grosse, stolze Eiche wachsen. Hoffentlich nicht mehr so nahe am Waldrand, würde ich ihr empfehlen, weil auch sie sonst unter dem Aspekt Sicherheit für Menschen fallen wird. Als Spaziergänger habe ich gedacht: super das Eichenwald-Reservat wird die ältesten Bäume sicher ehren, schützen und bewahren. Irrtum, so wird es nicht sein, der Wald kostet ja und ist ein Wirtschaftsfaktor wie alles auf dieser Welt. Menschen müssen (fast alles) regulieren und auch möglichst einen Gewinn daraus erzielen können, frei nach dem Motto «macht euch die Erde untertan». Gestattet mir die Frage, wen diese alte Eiche gestört hat, wen hat sie bedroht? Ist das unser Begriff von Naturschutz und Biodiversität?

Zuerst werden im Tal, in welchem Olsberg liegt und vor sich hinträumt, die meisten Hochstammbäume reihenweise gerodet, nun ist offensichtlich auch der Wald an der Reihe. Ich habe immer darauf vertraut, dass unter dem Begriff Naturschutz gerade auch alte Bäume ein Recht auf Ehre und Respekt haben, nun ist es wie in der Berufswelt, älter als 50 hat keine Chance, die haben Knorren und Äste könnten Probleme bereiten!

HANS LITSCHER, OLSBERG


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