«Die Schweiz ist ein wunderbares Land für uns Musiker»

  08.01.2020 Musik, Rheinfelden, Persönlich

Der Napolitaner Roberto Vacca ist jetzt in Rheinfelden daheim

Roberto Vacca ist im Fricktal und in Basel für Sänger und Musikfreunde zu einem Begriff geworden. Er ist ein musikalischer Allrounder, der alles macht und alles kann. Klassisch Klavier spielen, Chöre leiten und in einer Band mit dem Akkordeon die rhythmischen Akzente für Zigeuner-Musik und Klezmer setzen. Zu Hause ist der in Neapel aufgewachsene Vierziger mit seiner Familie in der Rheinfelder Altstadt.

Edi Strub

Roberto Vacca war erst 23 Jahre alt, als er am Konservatorium in Napoli das Klavierdiplom entgegennehmen durfte. Vacca war begabt, in seiner Familie wurde viel gesungen, getanzt und gespielt. Aber nach ein, zwei Jahren spürte er, dass eine klassische Pianistenkarriere nicht die Erfüllung seiner Musikerträume war. «Das Pianistenleben im klassischen Konzertbetrieb ist hart. Es gibt sehr viele gute Pianisten und da bist du entweder ein Star oder eben nicht und musst zum Beispiel Musikunterricht erteilen, um dein Leben zu finanzieren.» Roberto Vacca wollte als junger Mann aber etwas Anderes: «Ich wollte durch die Welt ziehen, andere Menschen kennen lernen und überall ein bisschen Musik machen.» Und so begann Vacca Akkordeon zu spielen, weil das ein Instrument ist, das man überallhin mitnehmen kann.

Auf Reisen
Roberto Vacca machte nun alles Mögliche: eine Zeitlang war er Mitglied des Quintetts «Ringe Ringe Raja» und spielte mit seinen Freunden in Rom, Florenz, Mailand und Turin. Dann gründete er ein Puppentheater, übernahm dessen musikalische Leitung und begann zu komponieren. Am besten gefallen hat es ihm dann im «Circo de la Sombra» (Zirkus des Schattens): Vacca reiste mit der Zirkustruppe durch Spanien, Irland, Frankreich, England und Italien. «Das war die schönste Zeit in meiner Karriere – einfach rumreisen und Musik machen». Leider klappte es beim Zirkus mit den Finanzen nicht und so musste Vacca wieder etwas Neues suchen. Einmal zog er mit einer Blaskappelle durch Italien, dann spielte er im berühmten «Teatro Piccolo» in Mailand wieder Piano. Leider mit einem Lohn, von dem er auf die Dauer nicht leben konnte.

Plötzlich Chorleiter in Basel
Der nächste Einschnitt kam, als er einen alten Freund in Basel besuchte, der aber ausgerechnet während seines Besuchs für ein Projekt nach Guatemala reisen musste. Und so bat er Roberto Vacca, ihn als Dirigenten in einem Kirchenchor und an der Orgel zu vertreten. «Ich hatte noch nie einen Chor geleitet, doch mein Freund meinte, das würde ich mit meiner breiten Erfahrung als Musiker leicht schaffen.» Und es klappte tatsächlich. Die Sänger waren zufrieden mit dem Stellvertreter aus Süditalien und Vacca spürte, dass das Leiten eines Chors etwas war, was ihn packte. Ausserdem lernte er eine Frau kennen, von der er sehr schnell wusste, dass er mit ihr eine Familie gründen möchte.

Bald wohnte er in Rheinfelden und dirigierte in Basel den «Corale Pro Ticino Basilea». Ein neues Kapital in Roberto Vaccas Leben war aufgeschlagen. Er wurde Familienvater, lebte in der Schweiz und leitete bald mehrere Chöre. «Die Schweiz ist wunderbar», sagt er. «Musik ist hier – ganz anders als man denkt – viel präsenter als in Italien. Alle Leute, die ich kenne, machen irgendetwas mit Musik. Und im Unterschied zu Italien kann man in der Schweiz auch davon leben.» Ausserdem gebe es hier musikalische Institutionen von höchster Qualität. Zum Beispiel die Musikakademie in Basel, in deren Chor er singt. Er macht dort nun auch sein Masterstudium als Chorleiter.

Roberto Vacca mag auch die traditionellen schweizerischen Tugenden: Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ernsthaftigkeit. Hier riskiere man nicht, dass der Lohn Ende Monat nicht ausbezahlt werde oder eine Abmachung plötzlich nicht mehr gelte. Da nehme er in Kauf, dass die Schweizer manchmal etwas streng seien mit einem wie ihm, der manches etwas lockerer nehme.

Inzwischen leitet Roberto Vacca fünf Chöre oder Singgruppen. So seit einiger Zeit auch «Movene» – eine Gruppe von drei Frauen, die vor allem napolitanische Volkslieder singen. «Ich hätte mir nie vorgestellt, dass ich einmal im schweizerischen Rheinfelden mit einer Sängergruppe Lieder aus meiner Heimat singen würde – und zwar auf «Napolitanisch», nicht einfach auf Italienisch. Das ist wunderbar.» Ausserdem entdecke er mit seinen Chören zum Beispiel die Lieder von Brahms, Beethoven, Schumann und Mozart – Werke, die in Italien selten gesungen werden.

Die Leidenschaft zur Balkanmusik
Roberto Vacca pflegt in seiner neuen Heimat noch eine andere Leidenschaft: die Balkanmusik, die er während eines längeren Aufenthalts in Sarajevo und Mostar nach dem Krieg kennen gelernt hatte. Ganz zufällig traf er an einem Bazar Samuel Freiburghaus und Corina Landes. Und so entstand das Projekt einer Balkankapelle mit Klarinette, Geige und Akkordeon. Das Trio heisst «Amal», was in der Sprache der Roma «Freund» bedeutet. Die Musik ist inspiriert von der Volksmusik in Rumänien, in der Türkei und von der jüdischen Klezmer-Tradition. Manchmal stossen noch andere Musiker dazu, zum Beispiel ein Kanun-Spieler (er spielt auf einer türkischen Kastenzither) oder eine Sängerin und Cellistin. Alles ist immer ein bisschen im Fluss. So wie es Roberto Vacca gefällt.


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